Raus aus dem Spiel

Raus aus dem Spiel
(Tageblatt-Archiv)

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Kompetititivität und Aktititivität. Was für Worte. Wie man sich da vertippen kann! Und wie man sich daran erst verstottern kann. Allen passiert es. Das klingt dann wenig nach gelebter Kompetititivität.

Sogar wenn der so über die vielen Tititis Stolpernde mit Anzug und Krawatte und (hyper-kompetititiven) Manschettenknöpfen derart in Kompetitivitäts-Uniform dasteht.

Armand Back aback@tageblatt.lu

Gleichwohl, und das wissen die Kompetitititiven vom World Economic Forum, deren liebsten Zeitvertreib die Einordnung dieses Planeten und seiner Bewohner nach ebensolchen Gesichtspunkten darstellt, unser Großherzogtum strömt Kompetititivität förmlich aus: Luxemburg ist das neunzehntkompetititivitätste Land der Welt.

Auch deshalb sollten wir die Vertipper vorerst mal in den Griff bekommen. Wenigstens für die folgenden Zeilen.
Es gibt nicht wenige Menschen in diesem Land, die sich selber so eher und so etwa im Bereich vierhunderttausendkompetitivster Bürger fühlen. Da nützt die Top-Twenty-Platzierung, globally speaking, dann auch nur mehr mäßig.

Das Problem: Man ist aktiv, fühlt sich aber immer weniger kompetitiv. Folglich könnte es dem einen oder anderen in den Sinn kommen, die eigene Aktivität zu Entspannungszwecken einen oder zwei Gänge zurückzuschalten und der Kompetitivität fortan einen gänzlich anderen Stellenwert beizumessen, als dies Weltwirtschaftsforum und seine Forscher tun.

Spielverderber

Was ein Jammer ist. Besonders für die Forscher des World Economic Forum. Denn bei dem ganzen Zusammentragen von Zahlen, Daten und sonstigen zu Fakten erklärten Annahmen geht es doch, so sagt es eine Vertreterin dieser gemeinnützigen Stiftung mit Sitz in der Schweiz, vor allem um eine Sache: zu gewährleisten, dass jede einzelne Person teilhaben kann an Fortschritt und Wohlstand.

Wenn sich da mal kein Denkfehler eingeschlichen hat. Kompetitivität reimt sich nicht nur auf Rivalität, sie gehen Hand in Hand. Der eine kann nicht ohne den anderen. Keine Kompetitivität ohne Rivalität. Und keine Rivalität ohne Konkurrenz.

Doch wer konkurriert – und das sagt der in seinem Bereich weitestgehend konkurrenzlose und somit gut daherreden könnende Duden –, der bewirbt sich gleichzeitig mit einem anderen um ein und dieselbe Sache. Nun, die meisten Eltern dürften es wissen: Das Teilen ist dem Menschen nicht unbedingt angeboren. Folglich darf angenommen werden, dass wer eine solche Bewerbung um gemeinsam begehrtes Gut erfolgreich bestreitet, sich nicht unbedingt dazu aufgerufen fühlt, seinen Mitbewerber am soeben dank eigener, überlegener Kompetitivität Errungenen teilhaben zu lassen. Wieso auch? Ist man im Erreichen der gesteckten Ziele doch aktiver gewesen.

Dem anderen bleibt da oftmals nicht viel mehr als die Erkenntnis, dass die eigene Aktivität nicht reicht; auch wenn einem Körper und Geist nur noch ein Signal senden: dass man, ohne ernsthaften Schaden zu nehmen, noch aktiver eigentlich gar nicht sein kann. Außer man schneidet der Freizeit einige weitere Scheiben ab, sieht Familie oder Freunde weniger, schraubt das Schlafpensum runter, isst im Stehen oder putzt sich die Zähne unter der Dusche.

Verwunderlich ist es so gesehen also nicht, dass es Menschen gibt, die sagen: Nein danke, ich spiele das
Spiel jetzt nicht mehr mit, immer verlieren ist halt auch langweilig.

Womit wir wieder beim möglichen Denkfehler wären. Das große Spiel mitsamt seinen Regeln, die beileibe nicht nur das Weltwirtschaftsforum unter die Lupe nimmt, wollen längst nicht alle mitspielen. Wieso? Weil der Glaube an die Gerechtigkeit, an den offenen Ausgang, fehlt. Unabdingbare Grundzutaten eines Spiels, an dem nicht nur die Gewinner ihren Spaß haben.
Vielleicht sind die Spielgestalter gleichzeitig die Spielverderber.

(Armand Back/Tageblatt.lu)