Mogelpackung

Mogelpackung

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Luxemburg belegt regelmäßig in unterschiedlichsten Rankings und Hitparaden einen der Spitzenplätze. Mal ist das jeweilige Ergebnis mehr, mal weniger schmeichelhaft für das Großherzogtum. Eher in letztere Kategorie fällt die Tatsache, dass Luxemburg seit Jahren unter den Top Vier der europäischen Länder auftaucht, in denen Schwangerschaftsabbrüche prinzipiell strafbar und theoretisch nur in Ausnahmefällen zulässig sind.

Ähnlich wie in Malta, Polen und Irland gilt auch hierzulande bislang das sogenannte Indikationsprinzip. Demnach obliegt es einem Arzt, zu entscheiden, ob die gesetzlichen Bedingungen für eine Abtreibung erfüllt sind, sprich ob eine physische oder psychische Notlage der schwangeren Frau vorliegt. Die Indikationslösung spricht Frauen also jegliches Recht auf Selbstbestimmung ab und ist eines modernen, weltoffenen und die Menschenrechte respektierenden Staates, als welchen Luxemburg sich gemeinhin gerne präsentiert, unwürdig.
Nach den Koalitionsgesprächen von 2009 keimte bei allen fortschrittlich und humanistisch denkenden Menschen Hoffnung auf. Die neue Regierung – anders als 2004 – hatte angekündigt, das aus dem Jahr 1978 stammende Gesetz zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen überarbeiten zu wollen. Bislang hatte sich die CSV einer solchen Diskussion immer verweigert, die LSAP immer wieder – wenn auch ohne Erfolg – für die sogenannte Fristenlösung plädiert.

Enttäuschte Erwartungen

Die entsprechenden Erwartungen wurden allerdings schnell enttäuscht. Spätestens seit der Vorstellung der geplanten Reform von Justizminister François Biltgen vorletzte Woche im Parlament ist klar: Der große Wurf wird dies – gelinde ausgedrückt – nicht. Und je nach praktischer Auslegung besteht das ernst zu nehmende Risiko, dass sich der vermeintliche Fortschritt als deutlicher Rückschritt entpuppen wird. Von einer Fristenlösung, bei der bis zur zwölften Schwangerschaftswoche die Frau selbst und frei über ihre Schwangerschaft entscheiden kann, scheint man in Luxemburg – trotz oder vielleicht gerade wegen der geplanten Reform – so weit entfernt wie niemals zuvor.

Die Befürworter der Reform beziehungsweise die Zweckoptimisten werden diese Meinung sicherlich nicht teilen. Sie werden behaupten, die geplante Reform stelle einen unweigerlichen Fortschritt dar. Schließlich, so werden sie argumentieren, würde neben psychischen und physischen auch sozialen Notlagen Rechnung getragen.
Außerdem sollen die geplanten obligatorischen Beratungsgespräche „ergebnisoffen“ sein, und schließlich seien es immer die Frauen, die das letzte Wort bezüglich eines etwaigen Abbruchs hätten.

Verschweigen werden die Befürworter aber dabei, dass ein Schwangerschaftsabbruch auch im Jahr 2010 in Luxemburg nicht liberalisiert und nicht depenalisiert werden wird.
Verschweigen werden sie auch, dass die „soziale Notlage“ einer Frau nicht klarer zu definieren ist als eine physische oder psychische und dass diese zusätzliche Indikation die Situation, anstatt sie zu vereinfachen, nur noch zu erschweren droht.

Und schließlich werden sie nicht erwähnen, dass bei den oben erwähnten Beratungsgesprächen alles darangesetzt werden wird, Einfluss auf die betroffenen Frauen zu nehmen. Die Aussage Biltgens im Parlament, dass durch die Beratungen die Zahl der Abtreibungen sinken soll, zeigt in diesem Zusammenhang ganz klar, in welche Richtung die Reise gehen soll.

Das geplante Gesetz zur Regelung von Schwangerschaftsabbrüchen ist – zumindest in der vorliegenden Fassung – nichts weiter als eine Mogelpackung. Enttäuschend und beschämend, allerdings auch aufschlussreich. Das Beispiel Abtreibungsgesetz zeigt nämlich ganz deutlich, dass innerhalb der CSV die konservativen Kräfte zu dominieren scheinen und dass der Partei um Premier Jean-Claude Juncker nicht an einer modernen und aufgeschlossenen Gesellschaft gelegen ist.

Gleichzeitig zeigt es aber auch, dass sich die LSAP, anders als noch vor einigen Monaten in Sachen Euthanasie, in gesellschaftspolitischen Fragen nicht mehr gegen den Koalitionspartner durchsetzen kann. Oder will.

Tom Wenandy
twenandy@tageblatt.lu