Märchenstunde

Märchenstunde
(Tageblatt)

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Der Finanzausschuss des Parlaments hat dem Gesetzesprojekt „Zukunftspak“ gestern zugestimmt. Zwei Tage zuvor hatten die Mehrheitsabgeordneten den Etatentwurf durchgewinkt.

Dasselbe Szenario wird sich kommende Woche wiederholen, wenn auch im größeren Kreise. Quasi eine Formalität demnach, denn was Mehrheits- und Oppositionssprecher sich an den Kopf werfen werden, ist hinlänglich bekannt. Dazu bot sich ihnen in den vergangenen Wochen bereits reichlich Gelegenheit.

Lucien Montebrusco lmontebrusco@tageblatt.lu

Berichterstatter Franz Fayot (LSAP) spricht im Zusammenhang mit dem Etatentwurf von budgetärer Verantwortung . Die CSV ihrerseits rechtfertigt ihre Opposition damit, es seien nun andere Zeiten angebrochen, so dass sie kritisieren müsse, was sie vor Oktober 2013 noch befürwortete. Andere Zeiten, neue Politik, und schnell mal die gestrigen Überzeugungen an der Parlamentsgarderobe abgegeben. Der „Zukunftspak“ sei ein „Bezahlpak“, wetterte CSV-Fraktionschef Wiseler. Die Botschaft: Die Regierung spare nicht genug. Seltsam, dies aus dem Mund der Partei zu hören, die selbst während Jahren nichts unternahm, um den Wegfall der Mehrwertsteuereinnahmen ab 2015 abzufedern.

Die Positionen im Parlament bleiben demnach festgefahren. Da kommt die Tauwetterperiode in den Beziehungen zu den Gewerkschaften gelegen. Nach monatelanger Funkstille kommunizierten beide Seiten und verständigten sich. Der Kompromiss löse keine Euphorie aus, meinte der neue OGBL-Chef André Roeltgen am vergangenen Samstag beim Kongress der Gewerkschaft. Aber es sei gelungen, den Kaufkraftverlust zu reduzieren und der Regierung die Zusage abzuringen, in den kommenden Jahren keine weitere Austeritätspolitik mehr zu betreiben.

Der einzige Haken bei der Sache: Das Patronat saß nicht mit am Tisch. Die Arbeitgeber trifft die Regierung erst am 22. Dezember, vier Tage nach der Budgetabstimmung im Parlament. Geschenke wird die Regierung ihnen für das kommende Haushaltsjahr nicht machen können. Der Weihnachtsmann für die UEL wird wohl erst 2016 kommen. Dennoch wird die Koalition ihr bereits jetzt andeuten müssen, was sie im Angebot hat.

Die Wunschliste des Patronats ist lang. Eingepackt hatte die UEL sie dieser Tage in einem längeren Kommuniqué über „Unsere beliebtesten Märchen“. Darin sammelten die Brüder Grimm vom Kirchberg etwa das Märchen über die Austeritätspolitik der Koalition; jenes über den sparenden Staat oder das über die bevorzugte Behandlung der Unternehmer bei den Steuern.

Also genau jene Geschichten, an die unter anderem die Gewerkschaften „glauben“, und nach dem Kompromiss mit der Regierung wohl auch die Koalitionsparteien. Vorerst zumindest, denn den Arbeitgebern wird die Regierung wohl genauso stark entgegenkommen müssen wie den Salariatsvertretern,
Sollte diese Annahme zutreffen, wären Haushaltsentwurf 2015 und „Zukunftspak“, über die Mehrheit und Opposition kommende Woche streiten werden, bloß Übergangspapiere. Und der Kompromiss mit den Gewerkschaften genauso. Denn die Märchenliste allein über die versprochene Steuerreform abzuhaken, dürfte kaum reichen.

Um im Sprachgebrauch der UEL zu bleiben: Die Regierung müsste definitiv in die Rolle des bösen Wolfs schlüpfen. Wie das Märchen ausging, weiß man.

(Lucien Montebrusco)