(K)ein guter Mensch

(K)ein guter Mensch
(dpa)

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Als „für seine Kirche und auch für den Rest des Landes eher wohltuend“, als „religiös verträumt, der die Sprache der Menschen spricht“ und als jemand, der „das richtige Maß an Toleranz in sich trägt“.

Mit diesen Worten beschreibt Premierminister Jean-Claude Juncker in der neuesten Ausgabe der Revue den neuen Erzbischof Luxemburgs, Jean-Claude Hollerich. Und wenn er, Juncker, dies so sagt, wird das wohl so seine Richtigkeit haben. Oder?

twenandy@tageblatt.lu

Quasi als Beweis für diese Aussage (nicht, dass es aufgrund der vorangegangenen Behauptungen eines solchen noch bedürfe) zog der neue Oberhirte in den vergangenen Wochen durchs Land und besuchte nicht nur seine Schäflein, sondern auch eine Reihe „Abtrünniger“. In guter Christenmanier sprach und lachte Hollerich mit seinen Anhängern, er bat die jüdische Gemeinschaft um Verzeihung, den Muslimen reichte er die Hand und sogar die Allianz von Atheisten, Humanisten und Agnostikern (AHA) lud er in seine Residenz.

Gegenüber Letzteren erklärte er sogar, diskussionsbereit in Sachen Einführung eines Werteunterrichts anstelle des umstrittenen Religionskurses zu sein.
Aber der AHA-Traum vom Glück währte nicht lange, relativierte Hollerich doch sogleich seine Aussage und erklärte in einer bedeutungsschwangeren Bildsprache, dass es einen „neutralen“ Werteunterricht nicht geben könne. Übersetzt bedeutet dies so viel wie: „Schminkt euch ab, dass unter meiner Regentschaft der Religionsunterricht aus den öffentlichen Schulen verschwindet.“

Religionsunterricht als Teil des Systems

Diese Haltung ist, Spaß und Ironie beiseite, irgendwie auch nachvollziehbar. Die heutige Position der Kirche in Luxemburg ist nämlich so, dass sie finanziell mehr als jede andere Vereinigung vom Staat (und damit von jedem einzelnen Bürger) profitiert und damit verbunden über eine gewisse gesellschaftliche, sprich politische Macht verfügt. Macht, die auf einem System aufbaut, in dem der Religionsunterricht vielleicht nur ein kleiner, aber dennoch ein Baustein ist. Entzieht man dem Gefüge dieses Teilchen, riskiert es vielleicht nicht, zusammenzustürzen, aber zumindest etwas ins Wanken zu geraten. Das will die Kirche mit allen Mitteln verhindern.

Und machen wir uns nichts vor: Was ist von einer Institution zu erwarten, die sich in den vergangenen Jahrhunderten (um nicht zu sagen Jahrtausenden) nahezu jeder Erneuerung widersetzt hat, einer Institution, die Kinderschänder deckt und Holocaust-Leugner nicht abstraft? Und vergessen wir nicht, dass der neue Erzbischof unmittelbar nach seiner Vereidigung erklärte, dass Religion keine Privatsache sei, und dem Land eine neue Evangelisierung versprach.
Könnte es also sein, dass ein Jean-Claude Juncker irrt? Dass Jean-Claude Hollerich nicht der gute Mensch ist, der er vorgibt zu sein? Der vielleicht für das Land nicht ganz so „wohltuend“ ist?

Glücklicherweise – um beim Werteunterricht zu bleiben – ist es dann aber letzten Endes nicht die Kirche, sondern die Politik, die entscheidet. Wobei das „Glücklicherweise“ mehr als relativ ist.

Denn auch auf politischer Ebene sieht es in diesem Punkt zappenduster aus.
Die CSV macht keinerlei Anstalten, auch nur ansatzweise das Thema angehen zu wollen. Der Druck aus dem Bistum scheint einfach zu groß.
Womit wir auch schon beim Koalitionspartner wären, der zumindest in Sachen Werteunterricht seinem Namen als Juniorpartner alle Ehre macht. Will heißen: In diesem Punkt gehen die Sozialisten so weit wie möglich auf Tauchstation.

Bezeichnend für den diesbezüglichen Gehorsam der CSV gegenüber ist die Position von Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres. Die wird nämlich nicht müde, beim Thema Werteunterricht zu betonen, dass dieser keine Priorität für sie darstelle. Oder sie zieht ihren argumentativen Joker: Die Einführung eines solchen Kurses stehe nicht im Regierungsprogramm. Damit hat sich die Sache, eben auch für die LSAP.
Dass die Ministerin vor geraumer Zeit angekündigt hatte, nach der Bewertung des Pilotprojekts im „Neie Lycée“ das Thema ernsthaft angehen zu wollen, sieht sie heute nicht mehr genau so. Jetzt, da dieses Projekt als durchaus gelungen bilanziert wurde, heißt es, dass alles nicht so einfach sei und die einzelnen Parteien einander doch erst einmal im Gespräch annähern sollten.

Einlullen oder aussitzen nennt man das.
Sollte sich der neue Erzbischof also für die Erhaltung des Religionsunterrichts einsetzen wollen, bräuchte er nicht allzu viel Energie zu investieren. Das übernehmen andere für ihn.