Größer, aber gerechter

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Zur Erinnerung: Am 15. September 2008 meldete die US-Investmentbank Lehman Brothers Insolvenz an. Die Bank hatte sich mit sog. Subprime-Geschäften, also fragwürdigen Kreditmethoden, verspekuliert.

Das US-amerikanische Finanzinstitut hinterließ mehr als 200 Milliarden Schulden. Das Datum wird allgemein als Beginn der darauf folgenden Finanzkrise angesehen; zahlreiche Banken weltweit, auch luxemburgische, wurden von dem Einbruch mit in die Tiefe gerissen und mussten mit Milliardenaufwendungen „gerettet“ werden.

Robert Schneider
rschneider@tageblatt.lu

Die Finanzkrise wurde schnell zu einer globalen Wirtschaftskrise. Bereits zu Beginn dieser Entwicklung hatten die europäischen Gewerkschaften gewarnt, die Beschäftigten dürften nicht für diese Krise bezahlen, die sie nicht verschuldet hatten.

Mittlerweile ist klar, dass trotz dieser Forderung zahlreiche Menschen in Europa (und anderswo) schlechter dran sind als vor der Krise. Mehrere Staaten gerieten in den Strudel, konnten ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen und mussten mit hohem finanziellen Aufwand und sog. „Rettungsschirmen“ aus dem Gröbsten befreit werden. Diese Entwicklung dauert weiter an. Irland, Portugal und Griechenland sind dabei die prominentesten Opfer dieser Entwicklung.

Genauer müsste es heißen die Iren, die Portugiesen und die Griechen, denn Staatsgebilde leiden nicht; es sind die Beschäftigten, die Rentner, die Arbeitslosen, die von den Auswirkungen des 15. September 2008 betroffen sind und jetzt den Preis für die Methoden windiger Geschäftemacher zahlen.

Die politisch rechts stehende Europäische Kommission will in dem Zusammenhang die Lage des Euro und der gesamten europäischen Wirtschaft mit klassischen Mitteln der Austeritäts- sprich der Sparpolitik verbessern.

Dass diese Methoden, die niedrigere Löhne, Einschnitte bei den Rentnern, Privatisierungen und Abbau der öffentlichen Dienstleistungen (u.a. bei den Krankenkassen) bedeuten, kontraproduktiv sind, zeigt auf dramatische Weise das Beispiel Griechenland, wo die Lohneinschnitte und die Verteuerung des Lebens zu Rezession führte.

Die staatlichen Einnahmen in dem Land, das als Wiege der europäischen Kultur gilt, sinken, trotz oder wegen einer auf 23 Prozent erhöhten Mehrwertsteuer: Ein Ende der Krise ist kaum absehbar und dennoch verlangt die EU weitere Sparmaßnahmen, weitere Privatisierungen … kurz mehr Austerität.

Die im EGB organisierten europäischen Gewerkschaften versuchen hier gegenzusteuern. Ihr Kongress, der vergangene Woche in der griechischen Hauptstadt stattfand und mit der Verabschiedung des Manifestes von Athen endete, stand selbstredend ganz im Zeichen dieser wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen, die im Kampf gegen den Wirtschaftsplan der EU, den sog. Euro-Plus-Pakt, ihren konkreten Niederschlag finden.

Zeit der Aktionen

Während der kommenden Wochen und Monate ist mit verstärkten gewerkschaftlichen Aktionen in ganz Europa zu rechnen. Der „ras-le-bol“ der Arbeitnehmervertreter war in Athen regelrecht zu fühlen, zu riechen, zu schmecken.

Der EGB verteidigt dabei weiterhin den europäischen Integrationsprozess und will diesen weiter fördern. Die mächtige Gegenkraft zur Kommission und zu Wirtschaftslobbys, die 60 Millionen Beschäftigte vertritt, steht sogar für eine Ausweitung der EU und die Aufnahme der Türkei und weiterer Balkanstaaten in die Gemeinschaft. Allerdings wollen die Gewerkschafter nicht das aktuell erlebte Europa, sondern ein gerechtes, faires und solidarisches Staatenbündnis, in dem die Menschen von ihrer Arbeit anständig leben können, und zeigt damit mehr Weitsicht als zum Beispiel Kommissionspräsident Barroso, der sein zugesichertes Erscheinen auf dem Kongress kurzfristig absagte, oder die Vizepräsidentin der Kommission, die Luxemburger CSV-Politikerin, die sich mit einer anbiedernden „langue de bois“-Intervention bei den Delegierten geradezu lächerlich machte.