GNTM, DSDS und Co.

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(Tageblatt-Archiv)

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Ein mittleres Erdbeben hatte Dr. Manfred Lahnstein in den 1980er-Jahren in der Region um Luxemburg ausgelöst.

Als „Eifel-Hunsrück-Programm“ bezeichnete der frühere Finanz- und Wirtschaftsminister Deutschlands in seiner neuen Funktion als Bertelsmann-Vorstandsmitglied den 1984 aus der Taufe gehobenen Fernsehsender RTL plus. Die neuartigen Formate wie „Alles nichts oder?!“, „Der heiße Stuhl“ und „Tutti Frutti“ hatten offensichtlich nicht den Geschmack Lahnsteins getroffen. Für ihn bot RTL plus Programm-Kost für Hinterwäldler.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt)

Ein Vierteljahrhundert später regt sich kaum einer mehr über die Qualität der Fernseh-Unterhaltung auf.
Resignation hat sich allem Anschein nach breitgemacht in Anbetracht des Einheitsbreis, mit dem der Zuschauer Tag für Tag abgespeist wird. So erscheinen die Meiers, Müller-Gerbes, Holbes und Balders aus den Anfangstagen des deutschen Privatfernsehens nun in einem anderen Licht. Denn wenigstens waren ihre skurrilen und längst nicht immer gelungenen Ideen authentisch.

Heute wird der Fernsehgucker mit importierten Formaten, billig zu produzieren und leicht zu bewerben, bombardiert. Castingshows, dazu eine Prise Voyeurismus-TV, so lautet das Erfolgsrezept der Fernsehsender.

Der Castingwahn

Momentan sorgen zwei Sendungen auch in Luxemburg für erhöhte Aufmerksamkeit. Florence aus Capellen hat es unter die letzten 15 Kandidatinnen der Heidi-Klum-Show „Germany’s Next Topmodel“ geschafft, während Marco, Österreicher mit familiären Banden in Niederkorn, einer der vier verbliebenen Finalisten von Dieter Bohlens „Deutschland sucht den Superstar“ ist. Dass bereits der Titel der Sendungen ein großer Schwindel ist – aus den Siegern werden weder Topmodels noch Superstars, sondern höchstens Kandidaten fürs Dschungelcamp – tut dem Publikumserfolg keinen Abbruch. In der – Achtung – „werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen“ sind beide Sendungen Erfolgsgaranten, auch wenn die Topmodel-Show zuletzt sinkende Zuschauerzahlen zu beklagen hatte.

Immerhin gehören die Topmodel- und Superstar-Castingsendungen zu der mehr oder weniger harmlosen Sorte Programm. Die richtig niederen Instinkte sprechen unzählige Doku-Soaps an, bei denen es um nichts anderes geht, als Menschen öffentlich bloßzustellen. Wer „Frauentausch“ lustig findet, dürfte im wahren Leben wenig zu lachen haben.
Der allgemeine Trend zur Boulevardisierung ist auf allen Kanälen zu sehen, selbst in den einstmals auf journalistische Qualität bedachten öffentlich-rechtlichen Sendern macht er sich breit. Nicht nur, aber vor allem in Deutschland, wo der Quotendruck oft seltsame Blüten treibt. Unlängst geriet das ZDF in die Kritik, da es sich für 54 Millionen Euro pro Jahr die Übertragungsrechte der Fußball-Champions-League sicherte. Das gefällt nicht jedem Gebührenzahler, zumal das Geld wegen des Werbeverbots nach 20.00 Uhr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen an anderer Stelle fehlen dürfte.

Bleibt die Frage nach dem Zuschauer. Hat er am Ende eines langen Tages nichts anderes verdient als ein leicht zu verdauendes und wenig anstrengendes „Eifel-Hunsrück-Programm“? Doch, das hat er! Aber er hat noch etwas viel Besseres, nämlich einen Aus-Schalter auf der Fernbedienung. Vor allem, da es viel schönere Sachen am Abend zu tun gibt, als in die Röhre zu schauen. Zumal tagsüber in unserer schnelllebigen Gesellschaft anscheinend für so viele Sachen keine Zeit mehr bleibt, wie zum Beispiel zum Lesen. Da wäre es doch fast schon tutti frutti, die Zeit mit überflüssigem Fernsehen zu vergeuden.