Gerecht ja, ungerecht nein

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Premier Juncker versuchte gestern, als Gastredner beim OGB-L-Kongress, das Luxemburger Modell zu retten.

Er ist sich der Tatsache bewusst, dass eine Tripartite zurzeit nichts ergäbe. Was verbleibt ihm, dem erfahrenen Moderator, als Spielraum?
Er kann das Patronat zu sich bitten, um auszuloten, wie ernst die derzeit so radikalen Parolen der UEL- und Fedil-und ABBL-usw.-Funktionäre gemeint sind. Er kann die führende Gewerkschaft OGB-L und deren Partner (der Kreis ist offen) anhören, um zu ergründen, wo die Schmerzgrenze wäre, wenn zur Kasse gebeten würde.
Denn darum geht es.
Wer bezahlt, was die Wolllust der Finanzjongleure kostet?
In der ersten Phase sprangen die Regierungen ein, nicht nur weil sie den Kollaps des gesamten Systems verhindern mussten, wie die offizielle Darstellung heute lautet, sondern auch aufgrund eines quasi freudianischen Schuldreflexes. Wer hatte denn den Rahmen abgesteckt, in dem die Geldgeilen sich austoben durften?
Die teuren Rettungsaktionen gelangen, weil der Staat, weil die Staaten, die von den Herolden des Liberalismus als zu teuer bekämpften Staaten, Gespartes bereitstellen konnten und/oder kreditfähig blieben (bei wem, übrigens??), als keine Top-Banker-Unterschrift noch einen Euro-Cent galt.
Nun, in der zweiten Phase, stellen die Finanzminister fest, dass ihre Budgets hinten und vorne nicht mehr aufgehen. Sie fürchten um ihren Ruf (!) und verlangen Opfer. Von wem?
Von denen, die nicht die geringste Schuld an der Misswirtschaft tragen.
Dem Salariat soll die Rechnung aufgebürdet werden, ganz einfach, weil die Verantwortlichen, die jeder kennt, unfassbar scheinen. Ein Herr Frieden, der nicht Staatsminister wurde, weil Sarkozy den J.-C.J. nicht als EU-Präsidenten wollte, meint, er könnte notfalls auch im Alleingang seinen Sparkurs durchsetzen. Welch Anmaßung! Welche Versündigung an der politischen Idee, die Luxemburg trägt!
Der Staat darf nichts anderes wollen als das, was die Mehrheit im Staate will, und die Mehrheit im Staate ist nun einmal mehr als nur die Mehrheit im parteipolitischen Parlament.
Die chronisch falschen Budgets des forschen Herrn Frieden sollte die wahre Mehrheit, jene der gegen Lohn und Gehalt arbeitenden Menschen, nicht verwerfen dürfen? Sie, diese andere Mehrheit, sollte sich mit höheren Steuern und niedrigeren Sozialleistungen abfinden, weil da oben einer Luxemburg im Jahre 2011 kaputtsparen möchte, um seinen (seinen?) Haushaltzu retten?
OGB-L-Chef Reding stellte gestern klar, dass die Gewerkschaft, welche Juncker himself als Parlament der Arbeit bezeichnete, sich Diskussionen nicht entzieht und weiterhin zur Tripartite steht.
Er ließ aber auch keinen Zweifel daran, dass der OGB-L sich nichts diktieren lässt. Was zu geschehen hat, ist Verhandlungssache auf der Grundlage des Gerechtigkeits-Prinzips.
Anders, einfacher gesagt: Was eine gerechte Lastenteilung zwischen dem Kapital und der Arbeit wäre, mit Blick nicht rückwärts gerichtet, auf den Schrotthaufen, sondern vorwärts, auf mehr Mitbestimmung in und über die Unternehmen, gehört debattiert.

Ist jeder Fortschritt unmöglich?

Ist, will der OGB-L wissen, die andere Seite dazu bereit?
Oder wähnt sie sich übermächtig, nach all den erhalteten Hilfen? Wäre ihr offenbar sehr kurzfristig ausgelegtes Profitstreben nicht das Bekenntnis zu einer asozialen Grundhaltung, die im Gegensatz zur oft beschworenen Arbeitgeber-Ethik stünde?
Sollte man sich auch in Luxemburg auf ein Patronat einzustellen haben, das in Betriebs-Charten elegante Phrasen drischt, welche als Marketing-Produkte keine andere Funktion hätten, als die Belegschaft und die Öffentlichkeit zu täuschen?
Wie unschön, solch leider Denkbares.
Es wird Zeit für Reformen im alten Sinne des Wortes.
Im Sinne des Fortschritts zu Gunsten der Mehrheit.

Alvin Sold
asold@tageblatt.lu