Ganz natürlich

Ganz natürlich

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

„Eine Instrumentalisierung des Menschen im Sinne eines anderen Menschen“, „Die barbarische Gefahr der Produktion eines Menschen für eine Dienstleistung“, „Eine Verletzung der Würde der Embryonen“.

Nachdem Anfang des Monats bekannt wurde, dass in Frankreich Ende Januar erstmals ein sogenanntes „bébé-médicament“ zur Welt gekommen war, ließen die Reaktionen aus konservativen Kreisen – vor allem von Seiten der katholischen Kirche – nicht lange auf sich warten.

Tom Wenandy
twenandy@tageblatt.lu

Diese Aussagen kommen nicht überraschend, sind gleichzeitig einer – sicherlich nötigen – möglichst objektiven Debatte über biomedizinische und biogenetische Ethik aber nicht sonderlich förderlich. Denn zu oft sind hier die Meinungen vorgefertigt oder es wird vorschnell geurteilt. Vor allem die Anhänger des Vatikans verschließen sehr gerne die Augen vor der praktischen Realität und schrecken, um ihre rückwärts gewandte Weltanschauung durchzusetzen, nicht davor zurück, wissenschaftliche Fakten mit fiktiven, unrealistischen Schreckensszenarien à la Frankenstein zu vermischen.

Bei dem umstrittenen „Medikamenten-Baby“ handelt es sich nämlich nicht um eine Art „Horrorprodukt der Wissenschaft“, sondern um ein zwar per künstliche Befruchtung gezeugtes, doch ansonsten ganz normales Baby, das mit seinem Blut seine an einer genetischen tödlichen Krankheit leidenden Geschwister retten soll. Sicherlich wurde der entsprechende Embryo vor der Einpflanzung per Präimplantationsdiagnostik (PID) ob einer möglichst großen immunologischen Kompatibilität ausgewählt. Genetisch verändert oder gar „manipuliert“ wurde er aber nicht. Sofern dies nach derzeitigem Wissensstand überhaupt möglich wäre. Zudem wird dem Kind keinerlei physischer Schaden zugefügt, eine Niere oder dergleichen wird ihm nicht entnommen. Lediglich als Blutspender muss es gegebenenfalls fungieren.

Alles ist Selektion

Es bleibt – dies muss man fairerweise eingestehen – die Frage, wie das „Medikamenten-Baby“ und/oder seine Geschwister im späteren Leben mit der nicht ganz „normalen“ Situation umgehen werden bzw. wie sich diese aus psychologischer Sicht auf sie auswirkt. Es ist gut möglich, dass es überhaupt keine Probleme geben wird. Kinder hätten mit der Situation ohnehin wahrscheinlich weitaus weniger Probleme als Erwachsene, meint zum Beispiel in diesem Zusammenhang Dr. Jacques Arendt, Leiter des „Service de procréation médicalement assistée“ im hauptstädtischen „Centre hospitalier“ (vgl. den Bericht in unserer Samstagsausgabe, Seite 11). Sollte es in dem einen oder anderen Fall (in Belgien wurden seit 2005 bereits 30 „bébés-médicament“ gezeugt) dennoch zu späteren Problemen kommen, ist dies zudem noch lange kein Grund, die gesamte Methode in Frage zu stellen. Schließlich ist es auch nicht außergewöhnlich, dass es – um nur dieses Beispiel zu nennen – bei Adoptivkindern im Laufe ihres Lebens zu gewissen „Infragestellungen“ kommt. Die Praxis der Adoptionen an sich wird deswegen aber nicht in Zweifel gezogen.

Die Diskussion um das „Medikamenten-Baby“ ist demnach hintergründig eine Diskussion um die prinzipielle Frage der PID: Dürfen Ärzte (oder Eltern) anhand zur Verfügung stehender Techniken Embryonen (die sich zumeist im sogenannten Acht-Zellen-Stadium befinden) auf mögliche genetische Krankheiten untersuchen und dementsprechend auswählen?

Wir meinen, sofern dies in einem gesetzlich geregelten und kontrollierten Rahmen geschieht, eindeutig ja!

Denn in der Natur ist – vorausgesetzt, man zweifelt nicht an der wissenschaftlich anerkannten Evolutionstheorie von Charles Darwin – ohnehin alles Selektion. Ohne Selektion gäbe es das Leben, wie wir es heute kennen – inklusive der Menschen – nicht. Hinzu kommt, dass der Mensch bereits seit Urzeiten selbst aktiv „selektioniert“. Denken wir nur an die unzähligen Pflanzen- und Tierzüchtungen.

Außerdem ist nichts natürlicher als der elterliche Wunsch nach einem möglichst gesunden und glücklichen Kind. Oder?