Fressen oder Moral?

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Entwurf zur Reform des Tierschutzgesetzes

Vor rund drei Wochen hatten Tierrechtler eine Selfie-Aktion des Landwirtschaftsministeriums auf der „Fréijoersfoire“ denunziert, bei der es Grillfleisch im Wert von 300 Euro zu gewinnen gab. Der Wettbewerb hatte für viel Empörung gesorgt. Statt eines Selfies vor dem Bild der glücklichen Kuh Rosette posteten Aktivisten grausame Fotos aus Schlachthöfen und Presseartikel über den hohen Ressourcenverbrauch und die Umweltschädlichkeit der Rindfleischproduktion.

Vor zwei Wochen verabschiedete der Regierungsrat dann einen Entwurf zur Reform des Tierschutzgesetzes, den Landwirtschaftsminister Fernand Etgen vor einer Woche der Öffentlichkeit vorstellte. Ein moderneres Gesetz soll es werden, das den heutigen Erwartungen entspricht, verkündete der Minister. „L’animal est aujourd’hui perçu en tant qu’’être vivant non humain doué de sensibilité en ce qu’il est doté d’un système nerveux le rendant scientifiquement apte à ressentir la douleur et à éprouver d’autres émotions’“, heißt es in der Mitteilung. Zum ersten Mal gehe die Rede von der „dignité“, also der Würde des Tieres. Seine Sicherheit, sein Wohlergehen und der Schutz seines Lebens seien zentrale Anliegen.

Würden diese Anliegen konsequent durchgesetzt, müssten die Schlachtung von domestizierten Rindern, Schweinen und Geflügel sowie die Jagd auf Wildtiere in naher Zukunft in Luxemburg verboten und unter Strafe gestellt werden. Auch die Ausbeutung von Kühen zur Herstellung von Milch und Milchprodukten müsste künftig unterbunden werden.

Die konsequente praktische Umsetzung des Gesetzes wird aber mit Sicherheit nicht erfolgen, denn schließlich muss der Landwirtschaftsminister auch für „seine“ Bauern sorgen, deren Existenz mit einem solchen Gesetz auf einen Schlag zerstört werden würde.

Stattdessen soll es künftig verboten sein, Tiere aufzuziehen und zu erlegen, nur um ihren Pelz, ihre Haut oder Wolle zu verkaufen. Da es unseres Wissens in Luxemburg aber keine reinen Pelz-, Woll- und Lederfarmen gibt, ist dieser Paragraf
so überflüssig wie ein Kropf. Ferner sieht das Gesetz auch nicht vor, dass Pelz, Wolle und Leder, egal woher sie stammen, nicht mehr nach Luxemburg importiert oder hier verkauft werden dürfen.

Ähnlich sinnlos ist die im Gesetz vorgesehene Regelung, dass männliche Küken nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen getötet werden dürfen. In Luxemburg gibt es keine Aufzuchtstationen für Küken. Die hiesigen Eierproduzenten importieren ihre Küken allesamt aus den Nachbarländern, wo das Vergasen und Schreddern von Küken gängige Praxis ist. Wäre das Tierschutzgesetz konsequent, müsste es auch den Import von Küken und Eiern aus Betrieben, die diese Praxis anwenden, unterbinden. Genauso inkonsequent war übrigens auch schon das alte Tierschutzgesetz, das zwar die Produktion von Foie gras untersagte, nicht aber den Import und den Verkauf.

Diese Beispiele zeigen, dass sich der Minister für Landwirtschaft und Verbraucherschutz in einer misslichen Lage befindet. Einerseits muss er neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich der Tierrechte Rechnung tragen. Andererseits darf er die Existenzgrundlage vieler „seiner“ Bauern nicht aufs Spiel setzen. Das Resultat dieser zum Teil sehr widersprüchlichen Anforderungen ist ein inkohärentes Gesetz, das niemandem wirklich weiterhilft. Die einzige Lösung wäre, dem Landwirtschaftsministerium die Verantwortung über den Tierschutz zu entziehen und diesen etwa dem Gesundheits- oder Nachhaltigkeitsministerium zu unterstellen.