Falsche Sparpolitik

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Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Ein Sozialkonflikt im Pflegebereich könnte im Herbst für einige Unruhe in einer Reihe von Heimen sorgen, wo ältere Menschen eigentlich einen ruhigen und relativ aufregungsfreien Lebensabend verbringen wollen. Der Streit könnte sogar in den Krankenhäusern ausgetragen werden, sollte die Direktion verschiedener Institutionen stur bleiben. Insgesamt 20.000 Arbeitnehmer im Sozialbereich könnten von dem Konflikt betroffen sein und Streikaktionen scheinen mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen zu sein. Worum geht es? Einige Arbeitgeber des Pflegesektors wollen den dort aus historischen Gründen gültigen Kollektivvertrag des Spitalsektors (EHL – „Entente des hôpitaux“) nicht verlängern, sondern ihr Personal künftig nach dem Kollektivvertrag im Pflegebereich (SAS) bezahlen.

Die Pflegeabteilung der Zitha-Gruppe, ZithaSenior, hat den Anfang gemacht und den EHL-Vertrag aufgekündigt. Andere Arbeitgeber, das Bettemburger Pflegeheim „an de Wisen“, das Hammer Alters- und Geriatrieheim, das Echternacher Zivilhospiz, das „Centre Pontalize“ in Ettelbrück, die alle ebenfalls in der Patronatsorganisation Copas organisiert sind, könnten folgen, halten sich zurzeit aber noch vorsichtig bedeckt. Lediglich das interkommunale Spital in Steinfort, das ebenfalls als Pflegeinstitution funktioniert, hat sich gegen einen Wechsel der Kollektivverträge ausgesprochen und steht damit auf der Seite der beiden Gewerkschaften OGB-L und LCGB, die sich vehement gegen den Wechsel aussprechen.

Immerhin geht es um soziale Errungenschaften: Der Kollektivvertrag im Pflegebereich ist für das Personal weitaus ungünstiger; insbesondere was freie Tage und Prämien betrifft. Und wer verzichtet schon gerne auf Geld oder Urlaub?

Kasse gegen obligatorischen Wechsel

Als im vergangenen Jahr die Verhandlungen über die Tarife zur Finanzierung der Pflegeeingriffe zu keinem Ergebnis kamen, da Copas und Gesundheitskasse keinen gemeinsamen Nenner fanden, wurde ein Mediator eingeschaltet. Ein einheitlicher Durchschnittstarif für die Eingriffe, die von der Gesundheitskasse bewilligt worden wären, hätte jenen Häusern, die nach EHL-Vertrag bezahlen, wirtschaftlich nicht ausgereicht, während andere Institutionen Geld übrig gehabt hätten. Dies bedeutete, dass jene Institutionen, die zu viel Einnahmen gehabt hätten, eine Kompensation an die anderen zahlen sollten. Dieser Vorschlag wurde von der Copas angenommen, allerdings legte die Gesundheitskasse sich hier quer, bzw. sie akzeptierte zwar das Prinzip des Finanzausgleichs, aber nicht die damit verbundenen Wechsel der Kollektivverträge, was die Kasse in einem Schreiben vom 26. Januar deutlich unterstrich.

In dem von Copas und Gesundheitskasse unterschriebenen Abkommen geht denn auch keine Rede von einem Wechsel der Kollektivverträge. Nun versucht die Copas, ihre Mitglieder (wie oben beschrieben) zum kollektivvertraglichen Wechsel zu überreden. Die Fronten sind mittlerweile so verhärtet, dass Gewerkschaftler Copas-Exponenten vorwerfen, zu lügen, und bereits mehrere Protestdemonstrationen vor Pflegeheimen organisierten. Außerdem verweigert der OGB-L die Unterschrift zum eigentlich abgeschlossenen EHL-Vertrag, womit die Gewerkschafter den Konflikt ausweiten und Kräfte mobilisieren, die weit über den reinen Pflegebereich hinausgehen. Der Wechsel von EHL zu SAS, so das zuständige Syndikat des unabhängigen Gewerkschaftsbundes, sei lediglich der Einstieg in den Sozialabbau und die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen im gesamten Sektor.

Die Arbeitgeber wollten auf Kosten des Personals sparen. Die Messer sind demnach gewetzt und der Herbst könnte ein heißer werden. Eine große Protestdemonstration ist für den 23. September in der Hauptstadt angesetzt. Gesundheitsminister Mars di Bartolomeo meinte unlängst öffentlich, es bestehe noch Spielraum für Verhandlungen. Mag sein, aber dieser wird enger. Es wäre angebracht, ihn zu nutzen: Ein Konflikt in dem sensiblen Bereich der Pflege und Gesundheit könnte schmerzen.