Exit Music

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Unbefangen gleiten die Finger über ihre Saiten. Sie tabben, schrammeln und spielen sich in einen wahren Rausch. Die Masse verharrt ekstatisch. Träumt sie oder wacht sie? Gewiss, Mutiny on the Bounty ist nicht die einzige Band, die in diesen Tagen für Furore sorgt.

Zu ihr gesellen sich Claudine Muno, Hal Flavin, Sun Glitters, Heartbeat Parade und zahllose Jazz-Musiker wie beispielsweise Maxime Bender, der sich seit seiner Künstlerresidenz in Amsterdam getrost in die „Fishtank“-Sammlung reihen darf. Die Liste ambitionierter und aufstrebender Musiker ist schier endlos und bunt gemischt. Sie alle verfolgen nur ein Ziel: sich der Musik vollends hinzugeben und Neuland zu betreten.

Emile Hengen ehengen@tageblatt.lu

Jahrzehntelang war Luxemburgs Musikszene ganz auf sich allein gestellt und mehrere Jahre lang dazu genötigt, im Exil zu leben. Jene Musiker, die etwas bewegen wollten, zogen von dannen, die einen nach Paris, die anderen nach Brüssel, London oder Köln, Europas Musikstädte schlechthin. Doch nur den wenigsten Soundtüftlern gelang der Durchbruch. Torpid kapitulierten, während andere sich einen Plattendeal besorgten.

Kaum einer mag sich noch an Wounded Knee und an jene Zeiten erinnern, in denen das „Schluechthaus“ noch als künstlerischer Freiraum fungierte. Luxemburgs Musikszene wuchs und gedieh, ganz im Spirit des „Do it yourself“. Erstgenannte Anarchos tourten wie wild durch ganz Europa und verkauften Tausende von Platten. Petrograd und Defdump teilten ein ähnliches Schicksal, genossen sie in Osteuropa, gar in den Vereinigten Staaten, doch einen höheren Bekanntheitsgrad als im eigenen Land.

„It’s all about the artist!“

Mit Vereinigungen wie „Winged Skull“, „Schalltot“ und der Eröffnung der Rockhal, ein großes Verdienst von Roger Hamen, hat sich die Lage grundlegend verändert: Einheimische Musiker stehen verstärkt im Rampenlicht und im Laufe der Jahre hat sich wahrlich eine professionelle Struktur um sie herum gebildet. Die Rede ist sowohl vom „Centre de ressources“ der Escher Rockhal als auch von Luxemburgs Musikexportbüro Music:LX, dessen Direktor kein Geringerer ist als der Mitbegründer des französischen Exportbüros. Olivier Toth und Patrice Hourbette, die beiden Drahtzieher und enger verwandt als man glaubt, bündeln ihre Hoheitsrechte und Kompetenzen. „It’s all about the artist!“, schrieben sie sich am vergangenen Wochenende, an dem das Sonic Visions Festival über die Bühne ging (siehe unsere Reportage in der Tageblatt-Montagsausgabe (28.11.) auf den Seiten 14 und 15), auf die Fahne. Und ihr Konzept scheint aufzugehen: Victor Ferreira reist nach New York, Rome nach Rumänien und Inborn nach Berlin. Beide Protagonisten scheinen eins verstanden zu haben: Luxemburgs Musikszene ist Exportkulturgut! Die Qualität stimmt, selbst die Nachfrage wächst, zwar schleichend, doch unentwegt.

Doch was sind ihre Zukunftvisionen? Die Musikindustrie, obwohl iTunes, Amazon und Co. ihren Sitz in Luxemburg haben, hat sich hierzulande nie richtig eingenistet. Export bedeutet, rein rationell betrachtet, nichts anderes als auswärts Geld zu schaufeln, doch Export bedeutet auch, am eigenen Standort die entsprechenden Strukturen zu schaffen, die es einem erlauben, gezielt in Förderprogramme zu investieren und eine „attraktive Handelsplattform“ zu etablieren, die es einheimischen Musikern ermöglicht, sich zu professionalisieren, ohne aber dem Land, das allgemein als das „Herz Europas“ bezeichnet wird, für immer und ewig den Rücken zu kehren. Luxemburg, so wünschen es sich die kulturpolitischen Verantwortlichen, soll zur Drehscheibe für die europäische Musikindustrie werden. Zugegeben, solche Worte sind zurzeit nichts anderes als reine Zukunftsmusik, doch die gegenwärtige Entwicklung hat uns eingeholt und leitet uns zaghaft zum Gipfel des Optimismus.