Erfolgreiche Krisenmacher

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Eines muss man der EU-Führung lassen: Im Krisenmachen ist sie top. In ein paar Jahren nur verwandelte sie den aufstrebenden Kontinent in ein verunsichertes Notstandsgebiet.

Zigmillionen Menschen sind arbeitslos, jeden Tag (und die Börse feiert es, wegen der Aussicht auf höhere Gewinne!) kommen Tausende dazu; die um ihre Chancen betrogene Jugend protestiert, aber keiner hört hin; unter dem Vorwand, es gäbe keine Alternative zum „Sparen“, wird der Sozialstaat in raschem Tempo abgebaut.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Ja, es triumphiert zurzeit das schnell und zielstrebig gegen den Euro operierende Financial Engineering, weil es die viel zitierten „Märkte“ zum Richter über die in die Defensive gedrängten Finanzpolitiker erheben konnte. So ist es doch: Nach jeder Maßnahme, und seien die Beträge noch so groß, steht immer die bange Frage im Raum, was die wahren Herren, die Herren des Geldes, davon halten.

Wann endlich setzt sich die Erkenntnis durch, dass der entfesselte Kapitalismus seiner Natur gemäß nur eines will – alles! – und dass er deswegen an die Leine genommen gehört?

In Luxemburg erledigen die gefügigen Untertanen der obersten EU-Krisenmacher ihre Hausaufgaben zulasten der Bevölkerung. Man hat den Index scheibchenweise seiner inflationsausgleichenden Kraft beraubt (zum Schulanfang, wo die Bücher, die Hefte, die Kleider, das Kantinenessen teurer werden, verweist der OGBL darauf, dass das Kindergeld seit 2006 fast 13% an Wert verloren hat!); man streicht Konsumausgaben beim Staat und den Gemeinden; man spricht bereits offen über höhere Taxen einerseits und weniger Leistungen andererseits, beispielsweise im Gesundheits- und im Sozialwesen; sogar an das Rentensystem wagt die CSV-LSAP-Koalition sich heran, den Nachbarn auch das nachäffend.

Früher hätte der politische Beobachter geschmunzelt, wenn die wahltaktisch brauchbare Budgetpanik so primitiv motiviert worden wäre wie jetzt: Da vergleicht der Finanzminister seine Einnahmen zum 30. Juni 2012 mit jenen vom 30. Juni 2011 und verkündet, es fehlten 500 Millionen und mehr:

Ist er denn ein Vereinskassierer? Wie viele Steuern konnten nicht eingetrieben werden, sind aber geschuldet, müssten als Forderung in der Rechnung stehen? Insbesondere jetzt, wo viele Unternehmen, weil die Austerität sie in Luxemburg wie in der Grenzregion und ganz Europa schädigt, Liquiditätsprobleme haben?

Warum kann das staatliche Buchhaltungssystem in Luxemburg noch immer nicht, was der kleinste Laden können muss: wenigstens die Quartalsbilanz erstellen? Weil der Finanzminister seine politischen Spielchen mit der verunsicherten Öffentlichkeit treiben möchte? Um als ein harter Bursche zu gelten? Ein solcher müsste er ja sein, um eines Tages den amtsmüden Herrn Juncker abzulösen.

We have a dream.

Der Traum wäre, dass sich Luxemburg gerade jetzt – wo die Financial Engineers nach bester US-britischer Manier die in Europa gewachsene soziale Marktwirtschaft zerschlagen, um Freiraum zu schaffen für Business mit Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheit, Pensionen, Schulen, Transport, Einrichtungen aller Art usw., usf. – auf die modernere, humanere Gesellschaft vorbereitete, die notgedrungen, wegen der fälligen Revolten, kommt.

In der gegenwärtigen Phase erkennen die Europäer die Machtlosigkeit ihrer Politiker gegenüber der inszenierten „Krise“. Noch stehen sie diesem Phänomen verständnislos gegenüber. Noch äußert sich ihre Enttäuschung über die handlungsunfähigen Neugewählten „nur“ in Politikverdrossenheit.

Der Tag wird kommen

Aber der Tag wird kommen, an dem die aufgebrachten, für dumm verkauften Europäer aufräumen, radikal.

Luxemburg sollte sich den Sturm ersparen. Wir haben in diesem Land die Mittel – und hoffentlich auch die Bereitschaft –, zusammen nach zukunftsträchtigen Lösungen zu suchen.

Wie heißen unsere bewährten, außerparlamentarischen Konsensfindungsinstrumente doch? – Da gibt es den Wirtschafts- und Sozialrat, es gibt die Gewerkschaften, es gibt die Berufskammern, es gibt die Tripartite.

Wer unter den Politikern nimmt die Schuld auf sich, diese Instrumente nicht im Geiste jener Jahre zu nutzen, wo wir nicht im Krisenmachen, sondern im Vorwärtsstreben erfolgreich waren?