Michelangelo und Pippi

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Die Frage um Kunst und Zensur

Eines der großen Kunstwerke der westlichen Welt ist „Das Jüngste Gericht“ von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle. Die „schamlos“ Nackten gefielen den Kirchenoberen allerdings nicht besonders, und so wurden diese 1564-1565 – knapp 30 Jahre nach ihrer Fertigstellung – übermalt. Der Maler, dem diese Aufgabe übertragen wurde, erhielt infolgedessen den Spitznamen „Braghettone“ („Hosenmaler“).

Hier bei uns wurde 1995 eine Statue von Niki de Saint Phalle verdeckt, damit die Pilger der Oktave-Schlussprozession ihren sündigen Anblick nicht ertragen mussten. Im Juli dieses Jahres wurden aus der Bibliothek der schwedischen Stadt Botkyrka alte „Pippi Langstrumpf“-Bücher entfernt und verbrannt. Einem schwedischen Journalisten zufolge war die Gemeinde übereifrig dabei, politisch nicht korrekte Bücher zu vernichten. Konkret geht es um „Pippi in Taka-Tuka-Land“ von Astrid Lindgren.

In dem Buch nennt Pippi ihren Vater „Negerkönig“. Da „Neger“ ein Wort ist, das heute nicht mehr zur gepflegten Umgangssprache gehört, wurde das Buch durch eine Ausgabe ersetzt, die eine angemessenere Sprache aufweist. Bücherverbrennungen hat es in der Geschichte schon mal gegeben, und es kann nicht sein, dass die eine gerechtfertigt ist und die andere nicht. Die Geschichte wurde in einer Zeit geschrieben (1948), als das Wort gang und gäbe war. Das bedeutet nicht, dass wir den Ausdruck gutheißen, sondern nur sagen wollen, dass ein Werk im Original auch ein Stück Zeitgeschichte ist.

Zensiert man künstlerische Arbeit, bleibt also nicht nur die künstlerische Freiheit auf der Strecke. Ob es sich nun um Bücher, Gemälde oder andere Kunstwerke handelt, alle sind sie Ausdruck ihrer Zeit und sollten auch dementsprechend gehandhabt werden. „O tempora, o mores!“ (O (was für) Zeiten, o (was für) Sitten!), heißt es, womit man sich nicht nur über die bestehenden Sitten aufregt. Diese ändern sich mit den Zeiten. Zwischen 1982 und 1994 wurden die Übermalungen von Michelangelos Werk so weit wie möglich wieder entfernt.
So ist es nicht auszuschließen, dass der „Negerkönig“ irgendwann wieder erlaubt wird, nackte Frauen wieder übermalt und Statuen wieder verhüllt werden.

Ob im 21. oder 16. Jahrhundert, ob Übermalung von nackten Frauen oder Bücherverbrennungen, die genannten Beispiele haben alle den gleichen Hintergrund: Selbsternannte Kulturpolizisten wollen bestimmen, was zu denken ist, was politisch korrekt ist und was nicht. Ob damals oder heute, immer schon war die Kontrolle der Kunst ein Mittel der Machtausübung. Dabei werden Begründungen vorgeschoben, die vordergründig gesehen sehr unterschiedlich erscheinen. Im Kommunismus sprach man vom „kleinbürgerlichen Konformismus“, heutzutage ist bei uns der Ausdruck „politisch inkorrekt“ in Mode.

Ein Künstler, der diesen Stempel erhält, hat es schwer. Wir wollen ja alle nur „politisch korrekt“ sein. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die künstlerische Freiheit.
Und werden Bücher verbrannt, ist der nächste Schritt nicht mehr weit: Dann sind die Autoren unerwünschter Zeilen bald selbst dran.

Jeannosch
6. August 2017 - 18.18

@Drachenzwerg: Ich glaube auch solche Schriften , des besseren Verständnisses, gehören veröffentlicht.Wer das perfide System der nationalistischen Politik, dessen späteren Auswüchse verstehen will, sollte schon Mein Kampf gelesen haben.Da scheint mir die mit zusätzlichen Kommentaren veröffentlichte Ausgabe der Beweis.Gerade um den Anfängen zu wehren.

Drachenzwerg
6. August 2017 - 12.38

@jeannosch sin äerer Meenung ---Get awer Literatur nach , Vun Diktatoren an hiren Matleefer , die geint Menschheet sin , an däh wären besser Verbrannt , weil wat däh opgeschriwwen hun , muss keen Mensch liesen! oder net ?

Danièle Kirsch
5. August 2017 - 22.06

D Pippi Langstrumpf ass main grousst Idol. Und jeder der was sagt, der wird das ein mal eins gelehrt.

Jean Bodry
4. August 2017 - 16.08

Hoffen, datt meng Bicher net verbrannt ginn!

Jeannosch
4. August 2017 - 8.36

Lassen wir Original, Original sein.Interkulturelle Richtlinien vergreifen sich am geistigen Eigentum der Autoren, sind einer Bücherverbrennung gleichzusetzen.Zum besseren Verständnis, der politischen Korrektheit wegen, sollten diesen Werken im Anhang ,Erklärungen beigefügt werden.