Chamber-Pokémon

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Wie Jung- und Altpolitiker überzeugen.

Junge Menschen besetzten gestern die Chamber. Sie übten Parlament spielen. Drei Resolutionsentwürfe standen zur Diskussion. Genauso lang und umständlich formuliert wie die Vorlagen der Großen. Eine negative Kritik sollte das keineswegs sein. Im Gegenteil. In Zeiten, da ihre Altersgenossen mit dem Smartphone in der Hand durch die Stadt laufen, um Pokémons einzufangen, versammeln sich junge Frauen und Männer im verwaisten Abgeordnetenhaus, um beinharte politische Themen anzupacken. Respekt. Nur etwas verständlicher hätte das Ganze dann doch sein können. Aber vielleicht ist Politikmachen wirklich nicht so einfach, Politikersprech eine Notwendigkeit, auch auf die Gefahr hin, vom Wahlvolk als langweilig empfunden und missverstanden zu werden.

Mit dem Jugendparlament gingen sozusagen die Lichter für diese Parlamentssession aus. Die Großen hatten bereits früher Schluss gemacht. Die Bilanz ihrer Arbeit legten bzw. legen die einzelnen Fraktionen, wie seit einigen Jahren Usus, den Medien bei einem gemeinsamen Mittagessen vor. Schließlich sind die Parlamentarier trotz „Chamberblietchen“ und Chamber-TV nach wie vor auf klassische Berichterstattung angewiesen, während Journalisten die Nähe zur Politik ohnehin für ihr tägliches Brot benötigen. Treffen in lockerer Atmosphäre können demnach nicht schaden, vorausgesetzt, die notwendige Distanz bleibt erhalten.

Allzu schwer durfte es den einzelnen Fraktionen nicht gefallen sein, die Bilanz der letzten zwölf Monate zu ziehen. Genauso der Presse. Dass die CSV bei ihrer strikten Anti-Position blieb, überraschte genauso wenig wie die positive Einschätzung der Regierungsarbeit durch DP, LSAP und „déi gréng“.

Was aber kann als Grundlage für eine unvoreingenommene Bewertung parlamentarischer Arbeit dienen? In erster Linie wohl die Qualität der Gesetzestexte, die verabschiedet wurden. Deren positive oder negative Folgen werden die Wähler jedoch erst später verspüren, oder auch nicht, und sich dementsprechend wohl auch verhalten. Passt etwa die Kindergeldreform? Gefallen die Änderungen beim Elternurlaub? Wird die vorliegende, in Bälde im Parlament zu verabschiedende Steuerreform das halten, was die Koalition verspricht? Fragen jetzt, Antworten später. Also bleibt es beim rein rechnerischen Volumen der Parlamentsarbeit. LSAP-Fraktionschef Alex Bodry legte am Montag die nackten Zahlen zur Arbeit seiner Gruppe vor: 50 Berichterstattungen zu Gesetzen, 130 parlamentarische Anfragen. Viel Fleißarbeit der Abgeordneten, wovon der Großteil nicht auf Chamber-TV zu sehen ist, weil sie im stillen Kämmerlein der Ausschüsse ausgeführt wurde.

Ob diese Tätigkeit effizient war, den Erwartungen der sozialistischen, demokratischen und grünen Wähler entspricht? Siehe oben.

Ähnliche Überlegungen dürften auch die Mitglieder des Jugendparlaments anstellen. Sie legten gestern Resolutionen vor, diskutierten mit Abgeordneten themenbezogen. Ob sie aber für die Mehrheit ihrer Altersgenossen sprechen, diese ihre Ansichten zur Türkei, zur Beteiligung der Jugend am politischen Leben, zur Mehrsprachigkeit in der Schule teilen?
Ob diese Jugend überhaupt vollumfänglich über dieses Ereignis auf Krautmarkt informiert war? Genaues weiß man nicht. Vielleicht hätte die Anwesenheit eines oder mehrerer Pokémons in den heiligen Hallen der parlamentarischen Demokratie für mehr Aufmerksamkeit des Zielpublikums gesorgt.