Druck aufrechterhalten

Druck aufrechterhalten
(Tageblatt)

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In Brüssel ist man nicht besonders glücklich über das steigende öffentliche Interesse am Freihandelsabkommen TTIP.

Ein wichtiger Teil der wirtschaftlichen Strategie der EU-Kommission, neues Wachstum und neue Jobs durch mehr Handel zu schaffen, drohe in Gefahr zu geraten. Nach Deutschland, Österreich und Luxemburg riskiere die Stimmung in immer mehr Ländern zu kippen.

Christian Muller cmuller@tageblatt.lu

Besonders frustriert ist man bei der EU-Kommission darüber, dass die große Mehrheit der Kritiker einfach falsche Argumente vorbringen würde. Es sei nun mal nicht wahr, dass das Abkommen die Demokratie einschränken oder die Standards senken würde.

Der wachsende Druck hat aber schon viel bewirkt. So werden nun regelmäßige „Stakeholder-Konferenzen“ organisiert, wo alle möglichen Organisationen und Verbände ihre Wünsche und Sorgen äußern können. Auch hat der Druck dazu geführt, dass eine Beratungsgruppe eingeführt wurde, die etwa Verbraucherschützern und Vertretern von kleinen Unternehmen eine gewisse Einflussnahme ermöglicht.

TTIP sei dabei, zum transparentesten Freihandelsabkommen aller Zeiten zu werden, ist mittlerweile sowohl von Kritikern als auch von Befürwortern des Abkommens zu hören.

Dennoch geht die neue Transparenz, auf die die Kommission heute so stolz ist, nicht weit genug. Den Interessenverbänden bleibt der Zugang zu den „konsolidierten Texten“ – also den Textbereichen, auf die sich die Verhandler bereits provisorisch geeinigt haben – verwehrt. Dementsprechend können sie auch keine konstruktiven Vorschläge für Verbesserungen einreichen.

Da TTIP, wie die EU-Kommission ständig wiederholt, mehr als nur ein Freihandelsabkommen werde, ist jedoch mehr Transparenz notwendig. Es geht um mehr als nur um den Abbau von Zöllen. Das Abkommen werde auch Themen wie Umweltschutz, Arbeitsrecht, Verbraucher- oder Datenschutz behandeln. Doch gerade dieses „Mehr“ bedeutet, dass auch die Öffentlichkeit mehr Informationen über die Inhalte braucht.

Am Schluss werden die unterschiedlichen Parlamente über das Abkommen abstimmen können. Dann jedoch wird es zu spät sein, um noch Änderungen einzubringen. Die Parlamente werden nur Ja oder Nein zu dem ausgehandelten Text sagen können. Daher ist es wichtig, gleich von Anfang an möglichst viele Vertreter der Zivilgesellschaft mit einzubinden.
Und dazu wird sich die EU-Kommission wohl nur bringen lassen, wenn die Zivilgesellschaft ihren Druck weiterhin aufrechterhält.

Das EU-Parlament hat mittlerweile erkannt, dass sich die Öffentlichkeit für das Thema interessiert. Dank den Kritikern hat es in einer zweiten Resolution den Verhandlern rote Linien vorgegeben: Dem intransparenten System der Schiedsgerichte zum Schutz von Investoren oder einer Senkung der Standards für Verbraucher werde man nicht zustimmen.

Dass der freie Handel im Prinzip etwas ist, was das Wachstum der Wirtschaft fördert, kann kaum bestritten werden. Vor allem kleine Länder wie Luxemburg sind davon abhängig. Wohin soll ArcelorMittal seine Stahlerzeugnisse, die SES ihre Satellitendienste oder der Finanzplatz seine Finanzprodukte sonst verkaufen? Doch bei einem Mega-Abkommen wie TTIP steckt der Teufel im Detail. Eine demokratisch-transparente Diskussion muss also möglich sein – und das nicht erst, wenn die Texte geschrieben sind und man sie nicht mehr verändern kann.