Die Spitze des Eisbergs

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„Einer wurde erwischt“ hieß es am 28. September 1988 auf der ersten Seite des Tageblatt. Tags zuvor war Sprinter Ben Johnson des Dopings überführt worden. Aus dem „Jahrhundertlauf“ der Olympischen Spiele von Seoul, der sich am Dienstag (24.09.13) zum 25. Mal jährt, war der größte Skandal der Sportgeschichte geworden.

War Johnson als Einziger gedopt, oder war er, der erwiesenermaßen nicht gerade eine Leuchte war, bloß der Einzige, der unverzeihlicherweise wider das elfte Gebot (sich nicht erwischen lassen) sündigte? Und was war mit seinem Umfeld? Saßen da nicht die wahren Schuldigen? Selbst wenn der 24.9.1988 gemeinhin als Wendepunkt im Dopingkampf angesehen wird, bleibt die Frage aktuell, wie lange schon Athleten durch das Netz der Kontrollen schlüpfen und wie ernsthaft diese Kontrollen in vielen Fällen durchgeführt werden.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu

Schon damals war die Verurteilung von Ben Johnson nur die Spitze des Eisbergs, denn wie erklärt man sich wohl, dass die Dopingkontrollen immer strenger, seriöser und öfters durchgeführt werden, die Dopingfälle aber keine abnehmende Tendenz aufweisen? Weil die Erfolgsquote der Kontrollen unter der „Erfolgsquote“ der anderen Seite liegt, scheint es den Sportlern, Trainern und Funktionären durchaus „angebracht“, das Risiko auf sich zu nehmen, unter der Devise „gut gedopt ist halb gewonnen“. Was zählt da schon eine kaputte Leber oder Prostata-Krebs … Treten diese Langzeitschäden auf, ist der Glanz ja schon verflogen und der „Goldhamster“ hat seine Schuldigkeit längst getan.

Wirtschaftszweig

Um des Sportlichen willen wird übrigens auch auf dem niedrigeren Leistungsniveau gedopt, was das Zeug hält. Der Zweck heiligt die Mittel. Nicht zuletzt seit dem Tag, als der Sport als einnahmeträchtiger Wirtschaftszweig entdeckt wurde. Und da zudem das unersättliche Sportpublikum (und auch die Presse) immer bessere Leistungen fordert, wurde der gute alte Doktor plötzlich zum Guru der Athleten, wobei Doping grenzüberschreitend ist und vor keiner Sportart haltmacht.

Eine Entschärfung der Problematik aber hat der größte Skandal der Olympischen Spiele nicht gebracht. Die menschliche Leistungsfähigkeit wird auch weiterhin eine Gratwanderung zwischen Kommerz und Medizin bleiben, die längerfristig wohl nur zwei Alternativen zulässt: entweder das Doping mit all seinen Begleiterscheinungen (zumindest teilweise) zu legalisieren oder gar die großen lukrativen Wettkämpfe abzuschaffen.

Spätestens dieser letzte Satz dürfte verraten haben, dass es sich bei den letzten vier Abschnitten ausschließlich um originale Textpassagen aus der Berichterstattung des Tageblatt von 1988 handelt. Was deutlich machen soll, dass sich im Dopingkampf auch 25 Jahre nach Ben Johnson nichts Grundlegendes geändert hat.

Natürlich gibt es im Sport des 21. Jahrhunderts viel mehr Dopingkontrollen, zudem sind sie zielgerichteter. Die Dopingmentalität im Sport ist aber ungebrochen, was die unzähligen Fälle der jüngsten Vergangenheit beweisen.

Was freilich kein Grund sein darf, den Kampf gegen die illegale Leistungsmanipulation aufzugeben. Doping zu legalisieren, kann nicht die Lösung sein, denn Doping konterkariert fundamentale Werte des Sports wie Fairness, Respekt gegenüber seinem Gegner oder aber Chancengleichheit. Und es kann die Gesundheit ruinieren. Trotzdem ist und bleibt der Dopingkampf auch 25 Jahre nach dem Supersprint von Ben Johnson ein Wettlauf zwischen Hase und Igel. Viele wurden erwischt, die allermeisten aber sind wohl mit ihrem Betrug durchgekommen.