Die Milchkühe der Digitalwelt

Die Milchkühe der Digitalwelt
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In der schönen neuen Digitalwelt versuchen Platzhirsche wie Apple, Adobe, Amazon oder Microsoft mit List und Tücke, aus ihren Kunden Leibeigene zu machen.

Teil dieser Strategie ist es offensichtlich, in einer ersten Phase Eigentümer zu Mietern zu downgraden.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Ein Beispiel: Das marktbeherrschende Bildverarbeitungsprogramm Photoshop von Adobe soll man in Zukunft nicht mehr kaufen, sondern nur noch mieten können. Ab dem vierten Jahr ungefähr übersteigt dann die Summe des entrichteten Mietzinses den Betrag, den man einst einmalig als Käufer dieser Software zu bezahlen gehabt hätte. Doch sobald man dann aufhört, Miete zu zahlen, verliert man illico presto das Recht auf Nutzung der Software, das einem als Eigentümer dieses Programmes aber prinzipiell ad aeternam (in der Realität: so lange man über kompatible Hardware verfügt) zugestanden hätte.

Wer Apples neuestes Betriebssystem Mountain Lion installiert, wird, sobald er seine erste Datei saven will, aufgefordert, Speicherplatz in der Apple-Cloud anzumieten. Erst nach umständlichem Gefummel kann der User seine eigenen Dateien wieder wie gehabt auf der Festplatte seines eigenen Computers sichern.

Es ist eigentlich ein Skandal, dass Apple seine Kunden per default dazu nötigen will, ihre digitalen Inhalte auf ausländischen Servern (auf angemietetem Speicherplatz) unterzubringen, statt vielmehr – was ja nun das Normalste der Welt sein müsste – auf der heimischen Festplatte, die sich schließlich im Eigentum des Users befindet.

Ungenierte Abzocke

Dieselbe Firma Apple hat hier in Luxemburg lange Zeit eine Garantieverlängerung von einem auf zwei Jahre gegen Entgelt verkauft, obwohl das Luxemburger Gesetz eine kostenlose Zwei-Jahres-Gewährleistung zwingend vorschreibt. Die Konsumentenschutz-Vereinigung ULC hat Apple wegen dieser unlauteren Praktiken übrigens vor den Kadi gezerrt.

Die Handelsfirma Amazon hat unlängst den Inhalt eines Kindle-Buchlese-Tablets einer Kundin ersatzlos gelöscht, weil deren Lebenspartner ohne ihr Zutun oder Einverständnis gegen die Copyright-Gesetze verstoßen hatte. Auch hier gilt: Nur was man bei seinem Buchhändler auf Papier erwirbt, kann man getrost nach Hause tragen. Bücher in elektronischer Form sind aber keineswegs das Eigentum des Lesers. Dieser erhält lediglich eine jederzeit widerrufbare Nutzungslizenz für das jeweilige Werk. Ein echter Bibliophile tut also gut daran, die Finger von diesem Tand zu lassen. Er kann sein Buch erforderlichenfalls ja immer noch scannen, was absolut legal ist, solange sich dies strikt auf den eigenen privaten Gebrauch beschränkt.

Viele digitale Techniken – sei es für Büroanwendungen oder Bildverarbeitung – sind mittlerweile so weit gereift, dass sie so ziemlich all das bieten, was ein normaler User sich nur wünschen kann. Photoshop ist spätestens seit CS5 die fast perfekte digitale „Dunkelkammer“. Wenn aber künftig nur noch die wenigsten Fotografen CS7 oder eine spätere Version käuflich zu erwerben wünschten, bräche Adobe ein erheblicher Teil seiner Profite weg.
Deshalb mussten wohl in San José, Kalifornien, neue Wege ersonnen werden, um die Kunden weiterhin unverzagt melken zu können.

Ein australisches Gericht hat es übrigens Adobe untersagt, für Photoshop auf dem Fünften Kontinent einen anderthalb bis doppelt so hohen Preis zu fordern wie in den USA. Eine derartige Preispolitik ist in der Tat reine, durch nichts zu rechtfertigende Abzocke. In Europa läuft dieser Wucher übrigens ungestört weiter.

Die Giganten der Digital-Branche scheinen routinemäßig davon auszugehen, dass ihnen a priori erst einmal alles erlaubt ist. Diesen Ausbeutern müssen demnach dringend Grenzen gesetzt werden.