Die halten uns für sehr dumm

Die halten uns für sehr dumm
(Tageblatt-Archiv/Fabrizio Pizzolante)

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Frieden und Juncker oder Juncker und Frieden – man weiß nicht mehr, wer den Stein hebt und wer ihn wirft – haben sich etwas ganz Besonderes zum 1. Mai ausgedacht.

Den Gewerkschaften gegenüber wollen sie harte Burschen bleiben. Solche, welche die Krisensteuer bis Ende 2012 auferlegen, obwohl der Staat allein 2010, nach provisorischer Abrechnung, eine Milliarde mehr kassierte als von ihnen selber errechnet. Brüssel, die Brüsseler Kommission, unser aller Herrin, verlange von Luxemburg neuerdings nicht nur, wie von den übrigen EU-Staaten, den vollen Respekt der Haushaltsdefizitklausel von maximal 3% des Bruttoinlandsproduktes, nach EU-Kriterien kalkuliert, sondern ein Plus von 0,5%.

Alvin Sold. asold@tageblatt.lu

Dieses Plus, dieses eigens für Luxemburg wegen seines Pensionssystems verordnete Sonderziel, habe die CSV-LSAP-Koalition halt zu erreichen und müsse daher auf jede Lockerung ihrer Austeritätspolitik verzichten, verkündeten gestern Frieden und Juncker und Juncker und Frieden. Sonst nähme Barroso oder wer auch immer aus der Heiligenrunde die Peitsche zur Hand.

Für wie dumm halten die zwei gescheiterten CSV-Finanzpolitiker die Luxemburger Wählerschaft? Wie dreist unterstellen sie doch, um sich aus einer misslichen Lage herauszureden (erstens sind die beiden, und niemand sonst, politisch für den strukturellen Teil des Minus im Budget verantwortlich, und zweitens operieren die beiden, wie niemand sonst in der Union, mit von vornherein falschen Prognosen), Europa zwänge Luxemburg ein Spezialgesetz auf! Lächerlich!
Was tatsächlich dabei ist, zu geschehen, kann der aufmerksame Beobachter der innenpolitischen Szene in ein paar Sätzen fassen.

1. Die CSV-Finanzpolitiker gerieten in Panik, als ihre Berater aus Banken- und Wirtschaftskreisen ihnen, angesichts der kapitalistischen Missmanagements weltweit, den schnellen Zusammenbruch Luxemburgs prophezeiten.

2. Sie übernahmen, weil sie selber dachten und denken wie die besagten Kreise, deren Forderungen zum Abbau des Sozialstaates. Der Index muss weg; das Pensionssystem ist nach der generellen Leistungskürzung teilweise via Zusatzversicherungen zu privatisieren; idem für das Gesundheitssystem, die Mindestlöhne gehören blockiert, und der Staat kürze doch endlich seine Einstiegsgehälter, um der Privatwirtschaft Spielraum zu verschaffen.

3. Ein überluxemburgisches Wesen soll her, um diese wegen der positiven Entwicklung der Wirtschaft (BIP +3,5% in 2010) und der Staatsfinanzen (nur 1,7% Minus nach EU-Rechenmodus) untragbare CSV-LSAP-Politik zu vermarkten: BRÜSSEL. Du liebes, böses Brüssel! Brüssel befiehl, und wir folgen dir. Brüssel, du bist der Sitz aller Weisheit und Macht, und wenn du gesprochen hast, Brüssel, dann kuschen Sarkozy und Cameron und Merkel und Berlusconi und alle Zwerge, die Luxemburger Giganten Juncker und Frieden einbegriffen!
Unsinn.

Brüssel kann Luxemburg aufgrund der bestehenden Verträge nichts vorwerfen. Tut es auch nicht. Die Frieden/Juncker-Gaukelei ist nicht mehr und nicht weniger als ein tiefer Griff in die innenpolitische CSV-Trickkiste: Die LSAP soll zur Wahl gezwungen werden zwischen dem OGBL, welcher in Europa zu der neuen Art der kämpferischen, das System an sich hinterfragenden Gewerkschaften gehört, und dem parteipolitischen Konformismus, der hier und jetzt eine in allen wichtigen Dingen CSV-geführte Regierung voraussetzt.

Wo waren sie?

So betrachtet wird der arrogant-kühne Vorstoß des schwarzen Tandems zu einem politischen Stresstest für die LSAP.
Erinnert sie sich noch an alte, an bessere Zeiten? An die Zeiten, wo sie mit der CSV auf Augenhöhe stritt und selber nicht nur eine politically correct verwaltete Welt wollte, sondern eine andere, eine gerechtere?
Wo waren ihre Exponenten in Wiltz, vorgestern, als Reding so sprach, wie Linke sprechen sollten?