Außenpolitisch Mittelmacht

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Es ist doch etwas zynisch, was sich die Weltgemeinschaft in Syrien leistet.

Während nunmehr im dritten Jahr dort Menschen zu Tausenden aus ihren Häusern gebombt werden, gefoltert, hingerichtet oder sonstwie zu Tode gerichtet werden, wollen die USA und andere erst entschieden eingreifen, wenn eine „rote Linie“ überschritten wird, das heißt, chemische Waffen zum Einsatz kommen.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Sicherlich, diese Art der Kriegsführung ist eine der grausamsten. Doch wie können kriegerische Gräueltaten derart kategorisiert werden, dass die einen ein Eingreifen, andere schlichtes Nichtstun rechtfertigen?

Zwar wird noch immer darum gerungen, eine politische Lösung für den Bürgerkrieg in Syrien zu finden, so wie es jüngst die USA und Russland in Aussicht gestellt haben. Wirklich glaubt jedoch wohl kaum jemand daran. Auffallend bei den jüngsten Diskussionen ist, dass die Europäer dabei keine Rolle spielten. Wohl steht die Europäische Union an vorderster Front bei der Bereitstellung von humanitärer Hilfe für die Millionen von Menschen,
die durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zur Flucht in der Region getrieben wurden. Noch am Sonntag stockte die Europäische Kommission die Hilfsgelder für die Flüchtlinge um weitere 65 Millionen Euro auf. Doch ansonsten tun sich die Europäer schwer damit, mit einer kohärenten Position aufzutreten. Wohl sind sich die 27 darin einig, dass der Machthaber in Damaskus, Baschar al-Assad, abtreten muss. Dies jedoch aktiv anzugehen, etwa durch eine konsequentere Unterstützung von Teilen der Opposition, dazu können sich die EU-Staaten nicht durchringen.

Mangel an Selbstbewusstsein

Es sind vor allem die Schwergewichte in der Union, die außenpolitisch zu wenig die europäischen und weiterhin zu sehr die nationalen Interessen in den Vordergrund stellen. Immerhin wird hier in der unmittelbaren Nachbarschaft Europas – der Mittelmeerraum wurde zumindest wiederholte Male als solche definiert – ein Krieg ausgetragen, was früher oder später Auswirkungen auf den Kontinent haben kann.

Noch können die Flüchtlinge in ihren Auffangländern Libanon, der Türkei und Jordanien einigermaßen versorgt werden. Doch wenn dies nicht mehr gewährleistet wird, dann werden die Menschen aufstehen und woanders ihr Glück suchen. Das werden nicht Russland oder die USA sein.

Die Europäische Union ist außenpolitisch weiterhin lediglich eine Mittelmacht. Es fehlt am nötigen Selbstbewusstsein der europäischen Außenpolitik. Und wäre ein solches vorhanden, bedürfte es noch einer Figur, die dies für die EU nach außen darstellen könnte. Dass dies mit Catherine Ashton nicht zu erreichen ist, war offenbar auch so gedacht. Hier wurde eine zur Chefin gemacht, die es nicht sein sollte.

Gehemmt wird eine europäischen Interessen folgende Außenpolitik zudem durch die in diesem Bereich weiterhin geltende Einstimmigkeit. Entweder die Dinge werden im Konsens entschieden oder gar nicht. Dabei gehen die 27 dazu über, in weitaus sensibleren Bereichen ihre Souveränitätsrechte zurückzuschrauben. Etwa wenn es darum geht – was durchaus seine Notwendigkeit hat –, die wirtschaftspolitische Kohäsion im Rahmen der Währungsunion zu festigen. Das reicht bis hin zu Eingriffen
in die nationale Budgetgestaltung, auch wenn sich dies hauptsächlich auf die Länder der Eurozone bezieht. Es stellt sich die Frage, ob einzelne, auch große, EU-Staaten wirklich so schlecht dran wären, wenn auf europäischer Ebene getroffene Entscheidungen nicht ganz ihren außenpolitischen Ansichten entsprächen …