100 Tage zum Einarbeiten

100 Tage zum Einarbeiten
(AP)

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Die Praxis lehrt: Niemand ist unersetzlich, insbesondere im politischen Geschäft. Mal dreht sich das Personalkarussell behäbig, mal schnell; für Außenstehende ein Spektakel, das immer wieder gefällt.

Auf Juncker folgt Bettel: na und? Wer war Juncker, als er 1982 ohne jede Berufserfahrung von der CSV in die Regierung gehievt wurde, als Staatssekretär im Ministerium für Arbeit und soziale Sicherheit? Ein Nobody, ein Greenhorn, einer, dem es aber gelang, mit den gestellten Aufgaben zu wachsen, wie viele andere es laufend tun, im privatwirtschaftlichen Unternehmen und im öffentlichen Dienst.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Schneider (Etienne) – auch ein Nichtgewählter, als er Minister wurde – brauchte nur ein paar Monate, um als erfolgreicher Macher zu gelten. Heute ist er Vizepremier, ausgestattet mit den Fähigkeiten und den Mitteln, die er an der Spitze der wachstumsträchtigen Volkswirtschaft haben muss.

Aber dieser Gramegna, wer ist das? Kann er, was Frieden konnte?

Er muss mehr können.

Dafür bringt er gute Eigenschaften mit. Er ist ein Kämpfer, einer, der wissbegierig lernte, um in den Kreis der Entscheider vorzustoßen, zuerst beim Staat im diplomatischen Korps als Generalkonsul in San Francisco und danach als Botschafter in Tokio, dann bei der Handelskammer als Direktor. Letztgenannter Job brachte ihn mit dem unternehmerischen, profitorientierten Denken und Handeln der führenden Finanz- und Industriemanager in Verbindung. Ihm wird jetzt unterstellt, er wäre selbst einer wie Wurth und Contzen und Dennewald, die hätten ihn mit Komplizität der DP in die Regierung geschickt, um diese auf Patronatskurs zu bringen …

Welch verwegenes Hirngespinst! Pierre Gramegna ist ein kluger Kopf und niemandes Knecht. Er weiß um die zwingende Notwendigkeit des sozialen Friedens in Luxemburg; er kann und er wird, wenn denn die neuerdings wieder hochgelobte Tripartite zusammenkäme, eine wichtige Vermittlerrolle wahrnehmen.

Dazu, zur Tripartite: Vorbedingung für eine konstruktive Diskussion zwischen Regierung und Sozialpartnern bleibt, dass die Arbeitgeberseite nicht mit ultimativen Forderungen kommt. So stark wie nach den Sozialwahlen war der OGBL noch nie; dem ist Rechnung zu tragen.

Dass Bettel/Schneider es wagten, die Zahl der Regierungsmitglieder von 15 auf 18 zu heben, ergibt sich aus den schlechten Erfahrungen mit unterbesetzten Gouvernements. Ganze Ressorts blieben im Papier- und Prozedurkram stecken, mit höchsten Folgekosten, weil der jeweilige Multitaskminister keine Zeit für sie fand! Dieser Unfug kann, zusammen mit dem logischeren Aufbau der Exekutive (was zusammengehört, ist zusammengelegt) endlich aufhören.

Nicht zu teuer

Übrigens: Regierungsmitglieder verdienen korrekt, aber gemessen an der Privatwirtschaft bestimmt nicht übertrieben. Der Staatsminister kommt auf rund 24.000 Euro im Monat (gut 10 Mal den Mindestlohn für Qualifizierte), der Vizepremier und der Außenminister auf 21.700, die übrigen Minister auf 17.400 und die Staatssekretäre auf 15.300, die pauschalen Aufwandsentschädigungen einbegriffen, wobei das Grundgehalt normal zu versteuern ist.

Lasen wir nicht vor ein paar Tagen in der Zeitung, am Luxemburger Finanzplatz gäbe es zurzeit 15 Angestellte mit mehr als 1,5 Millionen Euro Jahreseinkommen (und mit, wahrscheinlich, großen Berater- und Ausführungsstäben)?

Hundert Tage zum Einarbeiten geben wir den Neuen gerne. Hundert Tage, die sie schon nutzen sollten für erste, dringende, Zeichen setzende Maßnahmen sowie für die Vorbereitung der grundlegenden gesellschafts- und finanzpolitischen Reformen, die Luxemburg heute braucht.