And The Grammy Goes To …

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Der junge Luxemburger Marco Battistella jr. ist weltweit als Produzent und Aufnahmeleiter für klassische Musik, Jazz und Blues tätig. Seit 2015 ist er ebenfalls Jurymitglied bei den Grammy Awards. Das Tageblatt sprach mit dem Produzenten über seinen Arbeitsprozess und über Luxemburg im Kontext dieser wichtigen Preisverleihung.

Tageblatt: Wie wird man Jurymitglied bei den Grammy Awards?
Marco Battistella jr.: Es gibt gleich mehrere Möglichkeiten. Erst einmal wird man Mitglied der Naras, der „National Academy of Recording Arts and Science“. Die Naras ist auf europäischer Ebene mit Urheberrechtsgesellschaften vergleichbar. Sie ist es, die die Grammys verleiht. Erfüllt man bestimmte Kriterien, kann man entweder gefragt werden, ob man Jurymitglied werden möchte, oder man bewirbt sich.

Ist man nur Jurymitglied in einer bestimmten Kategorie oder darf man gleich in mehreren Bereichen mitstimmen?
Grundsätzlich ist man Jurymitglied in seinem eigenen „field of expertise“. Will heißen, ich darf unter anderem in sehr speziellen Kategorien wie z.B. „Producer Of The Year“ wählen. Bei der Registrierung wird festgelegt, in welchem Bereich man Experte ist. Man kann auch für andere Bereiche von der Naras kooptiert werden. Ich persönlich stimme in drei Musik-Genres und vier speziellen Bereichen ab. Die Anzahl der zu vergebenden Stimmen ist begrenzt: Wie man sie verteilen will, hängt vom eigenen Ermessen ab.

Wie kann man sich den Arbeitsprozess als Jurymitglied vorstellen? Wie viel Zeit beansprucht diese Aufgabe?
Erst einmal muss man sich auf die Genres beschränken, in denen man Expertise aufweisen kann. Innerhalb dieser Genres kommt der erhebliche Zeitaufwand zwischen Ende Juli (manchmal auch früher) und Anfang Dezember zustande. In diesem Zeitraum bekommt man teilweise hunderte CD- und DVD-Produktionen zugesandt. Da muss man sich schon im Voraus sehr gut organisieren, um gezielt und fachgerecht zu hören und urteilen zu können. Ohne ausgeklügeltes Excel-Spreadsheet geht da gar nichts. Man hat allerdings das Recht, sich innerhalb eines Genres auf bestimmte Teilbereiche zu beschränken. In der heißen Phase zwischen Oktober und Dezember, wenn die zwei Wahlgänge stattfinden, gibt es für ein Jurymitglied nonstop Arbeit.

Ist man als Jurymitglied ein sehr kleines Rad in einem gigantischen Gefüge? Was macht die eigene Entscheidungsmacht aus?
Diese Information wird von der Naras aus vielerlei guten Gründen geheim gehalten. Inoffiziell gibt es wohl weltweit um die 11.000 Jurymitglieder. Diese Zahl klingt zunächst beeindruckend; wenn man jedoch bedenkt, dass diese 11.000 Personen den gesamten weltweiten Musikkatalog in sämtlichen Genres abdecken müssen, ist das keineswegs zu viel. Im Schnitt rechnen wir mit rund 20.000 Einreichungen pro Jahr. Es ist demnach von Vorteil, dass es möglichst viele Jurymitglieder im Pool gibt, um die Entscheidung so objektiv wie nur möglich gestalten zu können. Bei anderen Awards mit einer sehr kleinen Jury schaut’s da mit einem möglichst objektiven Resultat schon eher weniger gut aus. Meine Entscheidungsgewalt ist in diesem System Gott sei dank nicht sehr groß. Jedoch wird in der Grammy-Jury jeder sehr ernst genommen, egal, von wo man ist oder in welchem Genre man zu Hause ist. Jede Stimme ist gleich viel Wert; das finde ich so toll an dem System!

Wie schätzen Sie die Relevanz der Grammy Awards ein?
Ich bin der Meinung, dass gerade die Grammys wohl in Sachen PR die wichtigste Verleihung im Jahr ist, gleichzusetzen mit den Oscars. Das Event ermöglicht es den KünstlerInnen, eine breite Zuhörerschaft und Werbefläche für sich zu gewinnen. Qualitativ ist meines Erachtens hier so ziemlich alles dabei. Es werden auch jedes Jahr Produktionen gewählt, die ich jetzt persönlich nicht so gut fand. Aber die Masse entscheidet in dem Fall! Ich bin der Meinung, dass es genre-abhängig vielleicht sogar noch qualitativ bessere Awards gibt; diese erreichen jedoch kaum die Werbewirksamkeit der Grammys.

Wie ist das Mitwirken von luxemburgischen KünstlerInnen zu bewerten? Ist das Großherzogtum gut vertreten?
Bemerkenswerterweise hat Angélique Kidjo zusammen mit Gast Waltzing und dem luxemburgischen philharmonischen Orchester vor drei Jahren einen Grammy gewonnen. Das ist für Luxemburg natürlich exzeptionell! Luxemburgische KünstlerInnen sind jedoch leider noch viel zu wenig vertreten. Dies hat mehrere Gründe. Die einzige Möglichkeit, mitzuwirken, ist nämlich, wenn das eigene Label einreicht (einreichen darf) oder ein Jurymitglied. Sprich ich habe das Recht, meine KünstlerInnen einzureichen.

Sie haben am Vorabend der Verleihung ein Showcase mit luxemburgischen KünstlerInnen organisiert. Welcher Zweck wird mit derartigen Veranstaltungen verfolgt?
Es ist nicht unüblich für Jurymitglieder, in der Woche vor den Grammys Parties und Showcases zu veranstalten. Mit der sehr tollen Hilfe vom luxemburgischen Außenministerium, dem Kulturministerium und Music:LX konnte ich Jean Muller, Duo Rosa und Tatsiana Zelianko mit nach New York nehmen und sie den anderen Jurymitgliedern vorstellen. Die Konsularin für Luxemburg in New York, Jeanne Crauser, hat mir dankenswerterweise angeboten, das Konsulat für diese Veranstaltung zu nutzen. Die meisten Jurymitglieder (hier waren 15 verschiedene Nationen vertreten) gestanden mir, dass sie bis dato keine Ahnung hatten, wie vielseitig und qualitativ hochwertig die klassische Musikszene in Luxemburg ist. Mir gelang es mit diesem Abend, einen ersten Schritt in die richtige Richtung zu machen: Luxemburg und seine MusikerInnen nach außen hin zu vertreten und bekannt zu machen. Ich bedauere lediglich, dass ich nicht noch mehr MusikerInnen mitnehmen konnte. Vielleicht ändert sich dies ja für Los Angeles 2019.