HandballTommy Wirtz und Daniel Scheid blicken im Interview auf ihre Karriere im Nationalteam zurück

Handball / Tommy Wirtz und Daniel Scheid blicken im Interview auf ihre Karriere im Nationalteam zurück
Mit Tommy Wirtz und Daniel Scheid beenden die zwei dienstältesten Handball-Nationalspieler ihre Karrieren im Trikot der FLH-Auswahl Fotos: Editpress/Fernand Konnen & Gerry Schmit

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Tommy Wirtz und Daniel Scheid haben ihre Nationalmannschaftskarriere nach dem EM-Qualifikationsspiel am Sonntag in Portugal beendet. Mit dem Abschied der Flügelzange geht in der FLH-Auswahl auch eine Ära zu Ende. Rechtsaußen Scheid (Debüt 2010) und Linksaußen Wirtz (Debüt 2011) waren die beiden dienstältesten „Roten Löwen“ im Kader. Im Gespräch mit dem Tageblatt blicken sie auf ihre Karriere im Nationaltrikot zurück und erklären, warum der richtige Zeitpunkt gekommen ist, einen Schlussstrich zu ziehen.

Tageblatt: Sie haben am Sonntag Ihr letztes Spiel für die Nationalmannschaft bestritten. Wie haben Sie dieses erlebt?

Tommy Wirtz: Auch wenn das Ergebnis nicht das war, was wir uns erwartet hatten, war es dennoch ein anständiges Spiel, um aufzuhören. Nicht auf sportlicher Ebene, sondern einfach weil es in Portugal gegen Portugal – den Sechsten der Weltrangliste – war. Es waren viele Zuschauer in der Halle und die Atmosphäre war richtig gut. Sportlich hätte es in dem Spiel aber sicherlich besser laufen können. 

Daniel Scheid: Es war noch einmal ein schönes Erlebnis, zum Abschluss in Portugal vor 2.000 Zuschauern, darunter der portugiesische Staatspräsident, gegen eine Topmannschaft zu spielen. Ich muss ehrlich zugeben, dass es auf der einen Seite schon ein komisches Gefühl war, auf der anderen Seite aber auch ein zufriedenes Gefühl, da ich nach zwölf Jahren sagen kann, dass ich alles gegeben habe und jetzt mehr Zeit mit Familie, Freundin und Freunden verbringen kann. 

Wie emotional war dieses letzte Länderspiel für Sie?

T.W.: Man hat die ganze Zeit im Hinterkopf, dass es das letzte Mal ist. Schon als wir in die Halle gefahren sind, wurde mir bewusst: Es ist das letzte Mal, dass ich mit dem Team in den Bus steige. Es ist das letzte Mal, dass wir uns zusammen aufwärmen und so weiter. Als das Spiel dann lief, dachte ich nicht mehr daran. Erst danach bin ich wieder ein bisschen emotional geworden. Ich war traurig, dass das Ganze vorbei ist, gleichzeitig aber irgendwie auch froh, dass ich es jetzt nach mehr als zehn Jahren geschafft habe.

D.S.: Ich dachte wirklich den ganzen Tag vor dem Spiel daran. Ich wusste, dass ich den ganzen Ablauf mit der Mannschaft zum letzten Mal erlebe: Von der Vorbereitung über die Videoanalyse bis hin zum Aufwärmen. Besonders als ich die Nationalhymne mitgesungen habe, wurde es mir noch einmal so richtig klar. Im Match konzentriert man sich dann darauf, dieses so gut wie möglich durchzuspielen. Aber man hat schon ein komisches Gefühl.

Warum haben Sie sich denn dazu entschieden, das Nationaltrikot an den Nagel zu hängen?

T.W.: Ich habe schon länger darüber nachgedacht. Eigentlich schon, als ich letztes Jahr aus Deutschland zurückgekehrt bin. Ich war zurückgekommen, um im Handball kürzerzutreten, weil ich jetzt in einem Alter bin, in dem andere Projekte im Leben beginnen, Priorität zu haben: Familie, Beruf, Haus. In einem gewissen Alter fängt zudem der Körper an zu streiken und man kann auf einem gewissen Niveau nicht mehr so gut mithalten, wie man sich das vorstellt. Das alles hat eine Rolle bei meiner Entscheidung gespielt

D.S.: Es ist die zusätzliche Belastung, die mich körperlich und mental immer mehr müde gemacht hat. Deswegen habe ich den Entschluss getroffen, nach zwölf Jahren meine Nationalmannschaftskarriere zu beenden. Es war keine spontane Entscheidung. Ich hatte diese Überlegung schon vor dieser Kampagne und entschied auch schon davor, dass es meine letzte sein wird.

Hat Ihre Entscheidung auch etwas mit dem Umbruch zu tun, der gerade durchgeführt wird?

T.W.: Der Umbruch hatte nicht direkt etwas damit zu tun, hat mir aber in die Karten gespielt. Dadurch, dass es im Moment diesen Umschwung mit den jüngeren Spielern gibt, finde ich, dass der richtige Moment da ist, um zu sagen: Ich habe meins gegeben, es ist jetzt an jungen Spielern, die Nachfolge anzutreten. Ich weiß, dass auf meiner Position Felix (Werdel), Pierre (Veidig) und Charel (Brittner) bereit sind, zu übernehmen und ich mir keine Gedanken machen muss. Das sind Topspieler, mit denen auch ich bald als alter Mann nicht mehr mithalten kann (lacht). Es ist Zeit, ihnen ihre Chance und ihre Spielzeit zu geben, weil sie diese auch verdient haben.

D.S.: Nein, eigentlich nicht. Ich durfte während zwölf Jahren in der Nationalmannschaft spielen, was eine große Ehre ist. Der Umschwung muss irgendwann kommen, hatte aber nichts mit meiner Entscheidung zu tun.

An welchem Punkt steht das Team Ihrer Ansicht nach jetzt?

T.W.: Wir haben bei dieser Kampagne unser Ziel nicht erreicht. Wir wollten gegen die Türken etwas mitnehmen. Das ist uns nicht gelungen und am Ende haben wir keinen einzigen Punkt geholt. Das ist extrem, extrem schwer. Jetzt werden wir wahrscheinlich nicht mehr in der zweiten Qualiphase, sondern wieder in der kleinen Vorquali spielen müssen. Ich denke, mit der Verjüngung des Teams ist es aber auch gut, jetzt nicht gleich wieder gegen die großen Nationen spielen zu müssen, sondern gegen kleinere Gegner den Kader aufzubauen. Wenn ich sehe, welche Spieler jetzt in den A-Kader kommen, blicken wir auf jeden Fall einer schönen Zukunft entgegen.

D.S.: Es ist jetzt eine relativ junge Mannschaft da, die in meinen Augen noch zwei, drei Jahre brauchen wird. Gegen die kleineren Gegner wird man jetzt Erfahrung und Selbstvertrauen sammeln können. Wenn die Spieler, so wie ich sie kenne, aber am Ball bleiben und die Vorgaben richtig umsetzen, wird man sicherlich in Zukunft eine gestandene Mannschaft haben, die gute Ergebnisse einfahren kann. 

Was sind die schönsten Erinnerungen an Ihre Zeit im Nationalteam?

T.W.: Es gibt so viele Geschichten und Erinnerungen, die die ganze Erfahrung besonders machen. Müsste ich ein paar Dinge heraussuchen, wäre es die Qualifikation in Estland für die EM-Play-offs (2015). Das war richtig cool und ein schöner Erfolg. Dann gehört auch ein Turnier, das wir in Luxemburg gespielt haben, wo wir gegen England, Bulgarien und Irland hoch gewonnen haben, dazu. Danach gab es eine große Euphorie. Auch gegen die Slowakei haben wir zu Hause in letzter Sekunde gewonnen (2018). Das sind alles schöne Erinnerungen, die man nicht so schnell vergisst. 

D.S.: Es gibt viele schöne Momente. Angefangen mit der Ehre, dieses Trikot überhaupt während zwölf Jahren getragen haben zu dürfen. In diesen Jahren konnte ich mich mit Spielern messen, die ich sonst nur im Fernseher sehe. Ich denke da an Andy Schmid von den Rhein-Neckar Löwen oder an Timur Dibirow, der in dem Jahr, in dem wir gegen Russland gespielt haben, die Champions League gewonnen hatte. Dann denke ich auch an die Kampagne, die am Sonntag zu Ende ging. Abgesehen von den sportlichen Ergebnissen, war es ein extrem geiles Erlebnis, das ich nie vergessen werde: Wir haben in Nordmazedonien vor 3.500 Menschen gespielt und jetzt zum Abschluss noch einmal in Portugal. Auch der Sieg gegen die Slowakei und die Qualifikation für die EM-Play-offs in Estland sind schöne Erinnerungen. Dazu kommen die Geschichten, die sich im Laufe der Reisen kreiert haben. Die wird man nie vergessen.

Und die größte Enttäuschung?

T.W.: In Italien haben wir 2017 in letzter Sekunde verloren. Das war schon hart. 2021 passierte das Ganze dann noch mal. Auf den Färöer Inseln reichte es gegen Italien erneut nicht für die Qualifikation. Wir hatten richtig gut gespielt, verpassten die Belohnung aber um ein Tor. Das waren die zwei schlimmsten Momente.

D.S.: Die negativen Phasen gehören im Handball dazu. Ich spreche von Momenten, in denen wir kurz vor einem Erfolg standen, dann aber doch gescheitert sind. Ein spezifisches Beispiel ist die Kampagne auf den Färöer Inseln 2021, wo wir extrem gute Resultate gemacht haben. Wir haben gegen die Färöer Inseln gewonnen, gegen Lettland mit Kristopans im Team unentschieden gespielt und dann dumm gegen Italien auf ein Tor verloren, was uns die Qualifikation gekostet hat. Das sind die Momente, die einen herunterziehen, die einen auf lange Dauer aber stärker machen. Man lernt nämlich nicht aus Siegen, man lernt aus Niederlagen. 

Statistik

Portugal: Capdeville (1-30’, 4 Paraden), Marques (30-50’, 9 P.), Valerio (50-60’, 4 P.) – T. Sousa 3, Martins 1/1, Branquinho 3, Gomes 1, Salvador 1, Lopes 5, Tavares 3, Nazare 2/1, A. Sousa 5, Aires 5, Da Silva 1/1, Brandão 5, Marinho 1
Luxemburg: Herrmann (1-40’, 9 P.), Meyers (40-60’, 3 P.) – Krier 1, Guden 4, Tomassini, Weyer 5, Hippert, Wirtz 2/1, Scheid, Goergen, Rastoder 1, Peters, Biel, Veidig, Hoffmann 5, Werdel
Schiedsrichter: Capoccia/Jucker (CH)
Zeitstrafen: Portugal 3 – Luxemburg 3
Siebenmeter: Portugal 3/3 – Luxemburg 1/2
Zwischenstände: 5’ 4:2, 10’ 6:5, 15’ 11:5, 20’ 13:5, 25’ 14:5, 30’ 18:8, 35’ 20:10, 40’ 24:11, 45’ 27:13, 50’ 29:13, 55’ 32:16
Zuschauer: 1.600

Nichts zu holen in Portugal

Die luxemburgische Handball-Nationalmannschaft schließt die EM-Qualifikation mit fünf Niederlagen in fünf Spielen ab. In der letzten Partie der Kampagne gab es für die „Roten Löwen“ am Sonntag in Portugal nichts zu holen. Beim 18:36 gegen den großen Favoriten war die FLH-Auswahl chancenlos und konnte lediglich zehn Minuten bis zum Stand von 5:6 mithalten. Danach blieb man 16 Minuten torlos und der Gegner setzte sich vorentscheidend ab. Es steht nach dem letzten Spiel der Kampagne der letzte Tabellenplatz in Gruppe 1 hinter Portugal, Nordmazedonien und der Türkei.