Sprudelnde Steuereinnahmen: Deutschland leiht sich weniger Geld

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Die Bundesrepublik Deutschland nimmt am Kapitalmarkt in diesem Jahr bisher zehn Milliarden Euro weniger auf als geplant. Das teilt die deutsche Finanzagentur mit, die die Staatsschulden verwaltet.

Das für dieses Jahr geplante Emissionsvolumen soll nun bei 173 Milliarden Euro liegen, heißt es von der Agentur. Anfang des Jahres war das Volumen noch mit 183 Milliarden angegeben worden. Dann aber hatte es Kürzungen gegeben: Ende März wurden zwei Milliarden weniger angekündigt, Ende Juni gab es eine weitere Kürzung um sechs Milliarden, für das vierte Quartal ist noch einmal eine Kürzung von zwei Milliarden Euro angekündigt.

Die Finanzagenturen der Staaten kündigen den Finanzmärkten in regelmäßigen Abständen den jeweiligen Finanzbedarf an. Die Bundesrepublik Deutschland hatte Ende Juni einen um 46 Milliarden Euro über der Finanzplanung liegenden Eingang von Steuern verkündet, der nun den Finanzbedarf verringert. Gleichzeitig wirkt sich eine mitten in der Wirtschaftskrise getroffene Entscheidung des Deutschen Bundestages aus. Demnach dürfen keine neuen Schulden zur Deckung des Finanzbedarfs des jeweiligen Bundeshaushaltes aufgenommen werden. Länder und Gemeinden in Deutschland waren dem Beispiel des Bundestages gefolgt, sodass kein öffentlicher Haushalt mehr mit neuen Schulden ausgeglichen werden darf.

Deutschland baut die Schulden ab

Das führte dazu, dass Deutschland seine Schulden nach und nach abbaute und mit einer Verschuldungsquote von derzeit 60 Prozent nun auch das zweite Euro-Stabilitätskriterium erfüllt. Dieses besagt, dass kein Euroland Schulden von mehr als 60 Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung haben darf. Zum Vergleich: Frankreich nähert sich den 100 Prozent, Luxemburg weist eine Verschuldung von 22 Prozent auf, die sich im Wesentlichen durch Rettungsaktionen von Banken während der Finanzkrise erklärt.

Die geringeren Emissionen von deutschen Anleihen lösen an den Finanzmärkten keine Freude aus. Da die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihrem Programm des „leichten Geldes“ aus dem Markt heraus Anleihen aufkauft, hat die Bundesrepublik stabile Kunden. Etwa 80 Prozent der deutschen Anleihen liegen in den Depots der EZB und anderer Zentralbanken. Die Deutsche Bundesbank soll allein gut 25 Prozent der deutschen Verschuldung besitzen. Wo liegt das Problem?

Ende des Anleihenkaufs

Die EZB will ihr Anleihen-Kaufprogramm auslaufen lassen. Sie will das aber nicht dazu nutzen, Geld zu verknappen, sondern hat angekündigt, jede zurückgezahlte Anleihe in neue Käufe zu investieren. Wenn nun Deutschland einen deutlich geringeren Verschuldungsbedarf hat, dann gibt es am Markt Probleme. Versicherungen oder Pensionsfonds wollen sich ebenfalls an den „sicheren“ deutschen Papieren bedienen, stehen dann aber im Wettbewerb zu Institutionen wie der Bundesbank, die deutsche Papiere kaufen muss.

Das dreht den Markt um. Die Finanzagentur braucht angesichts der hohen Nachfrage gar nicht erst darüber nachzudenken, welche Zinsen sie zahlen muss. Die werden gegen null tendieren. Im kommenden Jahr wird sich das Problem möglicherweise noch verschärfen. Die Bundesbank wird weiter ein Drittel der deutschen Emissionen kaufen und so dem Markt nur wenig Chancen lassen, deutsche Schulden zu „ergattern“ – zumal dann, wenn sich die deutschen Emissionen weiter verringern sollten.

Frankreich ist das Land, das von der deutschen Situation profitiert. Präsident Macron erhöht derzeit die Staatsschulden und gibt den Finanzmärkten die Emissionen, die aus Deutschland fehlen.