Tageblatt: Beschreiben Sie Ihre Kunst in drei Wörtern.
Sarah Schleich: Emotional, tough und sanft.
Was wünschen Sie sich, dass Ihre Arbeit im Betrachter auslöst?
Meine Kunst mache ich vor allem für mich, ohne sie würde mir etwas fehlen. Natürlich will ich aber auch Gefühle oder Erinnerungen im Betrachtenden hervorrufen.
Wie hat sich Ihre Kunst entwickelt?
Ich komme aus der Malerei. An der Akademie habe ich ganz klassisch mit Ölfarben gemalt. Jetzt sind meine Arbeiten leichter und ich orientiere mich weniger an den „klassischen“ Ansprüche an die Kunst. Erst vor zwei, drei Jahren wurde mir bewusst, dass ich Richtung Textil gehen will und habe mich von meinen eigenen und externen Erwartungen gelöst. Trotzdem verstehe ich mich immer noch als Malerin.
Wie kam es zu dem Wandel?
Als meine Mutter vor zwei Jahren verstorben ist, bin ich beim Ausräumen der Wohnung auf alte Gegenstände aus meiner Kindheit gestoßen, wie z.B. das Service „Vieux Luxembourg“ von Villeroy & Boch oder die Bettwäsche vom Billy Club der Sparkasse. Diese haben viele Erinnerungen in mir geweckt. Ab dann wollte ich zum Thema der Familienerinnerungen arbeiten. Seitdem habe ich das Gefühl zu wissen, wo es hingeht. Davor fiel es mir schwer, mich zu positionieren.
Textilkunst ist immer noch eine vorwiegend weibliche Kunstform. Inwiefern unterscheiden sich die Erfahrungen von Frauen und Männern in der Kunstwelt?
Persönlich denke ich nicht, dass man Kunst in weiblich und männlich einteilen sollte. Allerdings bekomme ich oft zu hören, meine Arbeiten seien extrem weiblich, wobei nicht selten ein negativer Unterton mitschwingt. Einem Mann, der im Metall oder im Beton arbeitet, würde niemand sagen, das sei besonders männlich. Trotzdem denke ich, dass es normal ist, dass mehr Frauen mit Stoff arbeiten – meine Mutter hat das noch in der Schule gelernt und deshalb ist es auch in mir verankert. Mich stört nicht, dass meine Kunst weiblich wirkt, sondern die damit verbundene geringere Wertschätzung. Zudem habe ich selbst an der Akademie erfahren, dass zwar mehr Frauen als Männer Kunst studieren, die Männer es jedoch einfacher haben, bekannt zu werden. Deswegen sind Bewegungen wie die Guerilla Girls wichtig, denn sie machen auf Ungleichheiten in der Kunstwelt aufmerksam.
Mit welchem/welcher Künstler*in würden Sie gerne einmal zusammenarbeiten?
Mit jemandem, der etwas ganz anderes macht, um die Grenze zwischen uns zu erforschen. Die Person und die Herangehensweise des Künstlers Jonathan Meese finde ich genial.
Welchen Teil des Kunstschaffens gefällt Ihnen am wenigsten?
Ich bin nicht so gut mit Wörtern und finde es schwierig, Texte über meine Arbeiten für mein Portfolio zu schreiben.
Wie sehen Sie die Entwicklung der luxemburgischen Kunstszene?
In den letzten zehn Jahren haben sich für uns Künstler*innen immer mehr Türen geöffnet. Das Angebot an Residenzen, Ausschreibungen und Ateliers ist stark gewachsen.
Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Ich will größere Arbeiten machen und den Raum mehr ausnutzen. Außerdem habe ich Lust, mit verschiedenen Schichten und Stoffarten zu experimentieren. Deshalb würde ich mir ein größeres Atelier wünschen. Ein Traum wäre es, ein zweites Atelier in Brüssel zu haben.
Welche luxemburgische Künstlerin empfehlen Sie?
Sali Muller, deren Präsenz mich enorm beeindruckt. Ihre Arbeit ist einerseits simpel, sodass sie für viele Menschen zugänglich ist, andererseits steckt enorm viel dahinter.
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