ÖsterreichÖVP-Mann neuer Chef des Staatsfunks – Grüne ohne Not beim Postenschacher dabei

Österreich / ÖVP-Mann neuer Chef des Staatsfunks – Grüne ohne Not beim Postenschacher dabei
Der künftige neue Chef des ORF, ÖVP-Mann Roland Weißmann Foto: Roland Schlager/APA/AFP

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Österreichs wichtigster Medien-Chefsessel wird neu besetzt. Der SPÖ-nahe ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz muss nach 15 Jahren seinen Hut nehmen und wird mit Jahreswechsel durch den ÖVP-Mann Roland Weißmann ersetzt.

Österreichs Kanzler Sebastian Kurz war mit dem Versprechen eines neuen Stils und des Aufbrechens verkrusteter Strukturen angetreten. Doch wie schon der Ibiza-Untersuchungsausschuss offenbart hatte, ging es unter dem türkisen Kanzler munter weiter mit dem Postenschacher, bei dem die Zugehörigkeit zur „Familie“ mehr zählt als die Qualifikation. Auch die alle fünf Jahre anstehende Kür des ORF-Generaldirektors ging gestern nach alten Gesetzmäßigkeiten über die Bühne. Im Wahlgremium, dem ORF-Stiftungsrat, verfügt die ÖVP mit ihrem sogenannten „Freundeskreis“ über eine klare Mehrheit. 24 der 35 Stiftungsräte werden von Bundesregierung, Landesregierungen und Parlamentsparteien ausgewählt, sechs vom Publikumsrat, dessen Mitglieder ebenfalls das Kanzleramt aussucht. Somit war das gestrige Wahlergebnis keine Überraschung: Der ÖVP-nahe ORF-Vizefinanzdirektor Roland Weißmann wurde von 24 der 35 Stiftungsräte zum Nachfolger des seit 15 Jahren amtierenden Wrabetz gekürt. Dieser hatte schon im Vorfeld von einer „politischen Wahl“ gesprochen und nannte Weißmann einen „Kandidaten von (Gerald) Fleischmann“, das ist Kurz’ Medienbeauftragter und oberster Messagecontroller.

Einigermaßen überraschend ist jedoch, dass die drei den Grünen zugeordneten Stiftungsräte ebenfalls für den ÖVP-Mann votierten, obwohl deren Stimmen für eine Mehrheit gar nicht erforderlich waren. Dem türkisen Koalitionspartner war jedoch daran gelegen, den neuen Chef mit ein paar grünen Tupfern zu versehen, um die erwartete Kritik besser kontern zu können. Die Grünen werden dafür mit zwei Direktionsposten im ORF belohnt. Die einstige Kämpferin gegen Proporz und Postenschacher erweist sich damit einmal mehr als gelehriger Schüler am Futtertrog der Macht.

„Putsch“ & „Orbanisierung“

Die Opposition reagierte naturgemäß empört auf die Umfärbung des wichtigsten Mediums des Landes. FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker sprach von einem „türkisen Putsch innerhalb des ORF“. Die FPÖ werde „nicht müde, vor dem tiefen Staat zu warnen, den sich die ÖVP zurechtzimmert“. Scharfe Worte kamen auch von SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch: Die Sozialdemokraten hätten schon lange vor ungarischen Verhältnissen gewarnt, „mit der Übernahme des ORF durch die türkise Familie wird die Orbanisierung mittlerweile nicht einmal mehr kaschiert“. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried kritisierte vor allem die Grünen. Denn es gehe um Pressefreiheit und Demokratie. Das müsste, so Leichtfried, „den Grünen wichtiger sein als irgendwelche koalitionsinternen Brosamen“.

Traditionspflege

Die Kritik muss allerdings relativiert werden. Denn gerade die Sozialdemokraten hatten, solange einer der ihren im Kanzleramt saß, ebenfalls stets ihre Mehrheiten für die Kür eines roten ORF-Chefs genutzt. Wrabetz war so 2007 auf den Chefsessel gekommen und hatte sich dort nur so lange halten können, weil die ÖVP keine Mehrheiten gegen ihn zustande brachte. Es ist quasi österreichische Tradition, dass die Regierungspartei einen ihr genehmen ORF-Chef installiert.

Und dieses Spiel wird sich am 16. September fortsetzen, wenn die Direktoren des Landestudios gewählt werden. Das ORF-Gesetz sieht sogar vor, dass bei der Bestellung des Direktors eine Stellungnahme des betreffenden Bundeslandes einzuholen ist. In der Praxis wurde daraus ein Vetorecht: Kein Kandidat hat ohne den Sanktus der Landeshauptfrau oder des Landeshauptmannes eine Chance. Somit ist absehbar, dass es künftig wieder sechs ÖVP-nahe ORF-Landesdirektoren geben wird, und in den drei SPÖ-geführten Bundesländern Wien, Kärnten und Burgenland wird ein Roter zum Zug kommen.