Covid-19Neues Gesetz nach emotionaler Debatte angenommen

Covid-19 / Neues Gesetz nach emotionaler Debatte angenommen
Alle Parteien waren sich einig, dass das Parlament wegen der rasanten Entwicklung von Covid-19 reaktiv bleiben müsse und die Sommerpause in diesem Jahr wohl kürzer oder ganz ausfallen wird  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Während CSV und ADR das neue Covid-19-Gesetz ablehnten, drückten „déi Lénk“ und Piraten ihre Kritik an  der Kommunikation der Regierung bei der Abstimmung mit einer Enthaltung aus. Nur die Mehrheitsparteien hatten kaum etwas an dem Text auszusetzen, der weitestgehend die Bestimmungen der ersten beiden Covid-19-Gesetze übernimmt und vereint. Wegen der steigenden Infektionszahlen könnten aber bereits am Sonntag neue Maßnahmen beschlossen werden.

Eine bewegte, wenn auch nicht sonderlich sachliche Debatte lieferte sich das Parlament am Donnerstag über das neue Covid-19-Gesetz, das größtenteils eine Zusammenführung der beiden ersten Gesetze darstellt, die nach Nationalfeiertag in Kraft getreten sind und den Ausweg aus dem „état de crise“ ebneten. Neu an dem gestern gestimmten Gesetz ist vor allem die Ausdehnung der Versammlungsbeschränkung auf den privaten Bereich. Zusammenkünfte ab 20 Personen sind künftig sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum nur unter Einhaltung der Sitzbestimmungen, der Distanzregeln und, falls diese nicht eingehalten werden können, der Maskenpflicht erlaubt. Strafrechtlichen Folgen sind bei Verstößen nicht vorgesehen. Ausnahmen gelten für Demonstrationen, Begräbnisse, Messen und Salons sowie für Akteure aus den Bereichen Kultus, Kultur und Sport sowie im schulischen und außerschulischen Umfeld. Beim Sport sind Wettbewerbe unter bestimmten Auflagen wieder erlaubt. Eine weitere Neuerung ist, dass in Zukunft auch Gäste von Gastronomiebetrieben für die Nichteinhaltung der Hygienemaßnahmen belangt werden können. Bislang wurden nur die Gaststättenbetreiber zur Verantwortung gezogen.

Hatte die parlamentarische Opposition am Mittwoch noch Geschlossenheit bei der Forderung an die Regierung nach Herausgabe sämtlicher verfügbarer Daten gezeigt, taten sich bei der Abstimmung am Donnerstag wieder deutliche politische Gräben zwischen den einzelnen Parteien auf. Die konservative „Fraktion“ aus CSV und ADR lehnte das neue Covid-19-Gesetz entschieden ab, während „déi Lénk“ und Piraten sich lediglich enthielten. Die beiden kleinsten Gruppierungen im Parlament bekundeten aber einstimmig, dass sie das Gesetz fast unterstützt hätten, wäre da nicht das Problem mit der unzureichenden Kommunikation der Regierung. Sowohl Sven Clement (Piraten) als auch Marc Baum („déi Lénk“) konnten dem neuen Covid-19-Gesetz durchaus positive Seiten abgewinnen. Beide befürworteten den Entschluss der Regierung, das flächendeckende „Large Scale Testing“ trotz oder gerade wegen der steigenden Infektionszahlen weiterzuführen. Übereinstimmend lobten die beiden Abgeordneten die Kohärenz und die Leserlichkeit des neuen Gesetzestextes, der besser als seine beiden Vorgänger sei. 

Mehrheit weist Kritik der CSV zurück

Ihre Enthaltung bei der Abstimmung rechtfertigten Linke und Piraten damit, dass es noch immer an Transparenz, Aufklärung und Information mangele. Wenn die Regierung nicht über Daten zu einer bestimmten Sachlage verfüge und eine Entscheidung aus dem Bauch heraus treffe, solle sie das auch dementsprechend kommunizieren, anstatt so zu tun, als berufe sie sich auf Erkenntnisse, die sie zwar habe, aber nicht veröffentlichen wolle, so Clement. Auch der ADR fehlte es vor allem Fakten, auf deren Grundlage die Regierung das neue Gesetz ausgearbeitet hat, wie der Abgeordnete Jeff Engelen darlegte. Wie sein Parteikollege Gast Gibéryen am Mittwoch, mutmaßte Engelen, dass die Regierung etwas zu verstecken habe. Auf dieser Grundlage könne die ADR die Einschränkung individueller Grundrechte nicht mittragen, so der Norddeputierte.

Die schärfste Kritik an dem neuen Covid-Gesetz äußerte am Donnerstag die CSV. Der frühere Fraktionsvorsitzende Claude Wiseler warf der Regierung vor, die hohen Infektionszahlen schönzureden, um sich davor zu drücken, unbequeme Entscheidungen treffen zu müssen. Darunter versteht die CSV eine erneute Verschärfung der Maßnahmen, die die Ausbreitung des Virus wieder eindämmen soll. Die im Gesetz vorgesehene Zahl von 20 Personen, die sich ohne Einhaltung der Hygienemaßnahmen im privaten Bereich treffen dürfen, findet Wiseler zu hoch. Für private Feiern sollten die gleichen Bestimmungen wie für Restaurants und Gaststätten gelten. Auch für Versammlungen in öffentlichen Parks fordert die CSV strengere Sicherheitsvorkehrungen. Ferner bemängelte der CSV-Abgeordnete, dass die Regierung keine detaillierten und verbindlichen Empfehlungen erstellt habe, sodass die Menschen nicht wüssten, woran sie sich halten sollen.

Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) reagierte ungewohnt emotional auf Wiselers Anschuldigungen. Insbesondere der Vorwurf der Negativkommunikation lockte die sonst so souverän wirkende politische Senkrechtstarterin aus der Reserve. Das Gesundheitsministerium mache keine Negativpropaganda und halte keine Informationen zurück, betonte Lenert. Seit Beginn der Krise verfolge ihre Behörde einen Plan. Weder die Entscheidung zum Lockdown noch die für das teure Monitoring seien leicht gewesen. Am schwersten sei ihr aber der Beschluss zur schrittweisen Lockerung der Ausgangssperre gefallen, erzählte Lenert.

Schon zuvor hatten die Fraktionsvorsitzenden von DP und LSAP, Gilles Baum und Georges Engel, sich über Wiselers Aussagen echauffiert. Als die Zahlen sanken, sei es ja gerade die CSV gewesen, die auf eine schnelle Öffnung der Geschäfte und Spielplätze sowie eine Verschiebung der Sperrstunde von Gaststätten gedrängt habe, rief Baum in Erinnerung. Nun kritisiere die größte Oppositionspartei auf einmal, dass die Bestimmungen zu lasch seien. Eigene Verbesserungsvorschläge oder Änderungsanträge zum neuen Gesetz habe die CSV aber nicht in die Diskussion eingebracht, bemängelte Engel.

„Hänn wäschen, Ofstand halen, Mask undoen“

Paulette Lenert versuchte erneut, den Abgeordneten zu erklären, auf welche Berechnungen sie und die Regierung sich bei ihren Beschlüssen berufen. Neben der weltweiten Expertise von Institutionen wie WHO oder EU erstelle auch die Uni Luxemburg Modelle, die regelmäßig veröffentlicht würden. Die neuesten Berechnungen der Uni seien erst am Mittwoch an die Parteien verschickt worden, erklärte Lenert, die in ihrer Rede wiederholt von CSV-Abgeordneten unterbrochen wurde. Die Erstellung der Modellrechnungen sei jedoch komplex und setze eine umfangreiche Datenbasis voraus. Nicht für jedes kleine Phänomen könnten detaillierte Berechnungen angestellt werden.

Der Veröffentlichung von Infektionsherden seien Grenzen durch den Datenschutz gesetzt. Die Mitarbeiter des analogen Tracings seien nicht befugt, dem Ministerium Personendetails mitzuteilen. Deshalb sei die Erfassung und Aufarbeitung von konkreten Infektionsherden schwierig, sagte die Ministerin, die darauf hinwies, dass etwa das deutsche Robert-Koch-Institut weit weniger detaillierte Informationen preisgebe, als dies in Luxemburg der Fall sei. Lenert wehrte sich auch gegen Wiselers Vorwurf, dass die Regierung keine konkreten Empfehlungen veröffentliche. 

Die Fraktionschefs der Mehrheitsparteien hatten bereits zuvor die Regierung gegen die Angriffe der CSV verteidigt. Auf das neue Covid-19-Gesetz gingen sie kaum noch ein. Der DP-Fraktionsvorsitzende Gilles Baum sang das „HOM“: „Hänn wäschen, Ofstand halen, Mask undoen“. Diesem Mantra schlossen sich LSAP-Fraktionschef Georges Engel und die grüne Fraktionsvorsitzende Josée Lorsché an. Letztere gab zu bedenken, die Politik müsse schnell entscheiden, während die Wissenschaft oft Zeit brauche, um neue Erkenntnisse zu liefern. In diesem Spannungsfeld bewege sich die Regierung zurzeit. Insgesamt zog Lorsché eine positive Bilanz der bisherigen Corona-Bekämpfung in Luxemburg. Die steigenden Zahlen und die Einstufung Luxemburgs als Risikogebiet könne man jedoch nicht schönreden. Genau wie Marc Baum wies die grüne Fraktionschefin auf eine mögliche Korrelation zwischen der Verbreitung von Covid-19 und sozialen Ungleichheiten hin, die aus der am Mittwoch veröffentlichten Karte zur regionalen Verteilung der Infektionen abgeleitet werden könne.

Die Regeln im Privatbereich seien inzwischen notwendig, betonte Lorsché, die gestand, dass die Kommunikation der Empfehlungen in den vergangenen Wochen hätte besser sein können. Insbesondere in ausländischen Gemeinschaften wollte sie Kommunikationsdefizite beobachtet haben. Der Berichterstatter des Gesetzesprojekts, Mars di Bartolomeo (LSAP), hatte bereits zur Anfang der Sitzung eine Warnung an die unterschiedlichen Sprachgemeinschaften in Luxemburg gesendet. „Aufgepasst! Das Virus ist noch immer da. Wir können es nur bewältigen, wenn wir uns und unsere Mitbürger schützen. Wir müssen alle gemeinsam verantwortungsvoll und vorsichtig handeln.“ Seine Botschaft trug Di Bartolomeo auf Luxemburgisch, Französisch, Portugiesisch und Italienisch vor. Marc Baum äußerte seinerseits die Empfehlung, die Ausstrahlung der Kammersitzungen künftig auch in französischer Übersetzung anzubieten.

Das Gesetz, das mit 31 Ja-, 25 Nein-Stimmen und vier Enthaltungen angenommen wurde, soll am Samstag in Kraft treten und bis 30. September gültig sein. Alle Parteien waren sich einig, dass das Parlament wegen der rasanten und unerwarteten Entwicklung von Covid-19 reaktiv bleiben müsse und die Sommerpause in diesem Jahr wohl kürzer oder ganz ausfallen wird. Wegen der steigenden Fallzahlen könnte der Regierungsrat bereits am Sonntag weitere Maßnahmen beschließen.

Zu Beginn der gestrigen Kammersitzung hatte „déi Lénk“ eine  Gesetzesvorlage deponiert, die es künftig verbieten soll, geflüchtete Kinder im „Centre de rétention“ wegzusperren. Bislang sei dies in Luxemburg theoretisch immer noch möglich, bedauerte der Abgeordnete David Wagner. Am Ende verabschiedete das Parlament noch drei weitere Gesetze, von denen eines die Einstellung von drei neuen Richtern am Verwaltungstribunal ermöglicht. Die anderen beiden Gesetze sehen Verbesserungen bei der beruflichen Weiterbildung und bei der beruflichen Wiedereingliederung vor.

Montgomery
18. Juli 2020 - 21.17

Ja da kann man nur hoffen ,das die Wählerschaft sich bei der nächsten Wahl überlegt wo das Kreuzchen gemacht wird.

d'Mim
18. Juli 2020 - 11.30

bei der CSV wissen wir auch nicht woran man sich halten soll ! Kritik ist so einfach. Die Verantwortlichen haben bis jetzt gute Arbeit geleistet.

Charles Hild
17. Juli 2020 - 12.16

Pfui Här Bettel. Dir hutt d' Madame Lenert am Reen stoe gelooss! Dir fuert op Bréissel de Kollegen erklären dass et bei ons propper wäer an zu gläicher Zäit stinn hei sämtlech Alarmluten op donkelrout. Léiw LSAP, wéi laang maacht dir dat Spill do nach mat? Alles wat de Moment geschitt war ni an engem Koalitiounskompromiss festgehal. D' Madame Lenert gëtt behandelt ewéi ee klengt Meedchen. Si däerf näischt décidéieren bis e Sonndeg, wann de Chef nees am Land ass. Ech fannen dat net normal. Léif LSAP, et ass elo un iech aktiv ze ginn. Ech hätt gäer eng Regierung mat der Madame Lenert als Chef a Santé-Ministerin, an der Madame Hansen an der Educatioun.

J.Scholer
17. Juli 2020 - 12.09

Ein Trauerspiel nationaler Politik, wie auch des Staatsrates.Anstatt gemeinsam in dieser extremen Notsituation zusammen zustehen , wird mit politischen Machtkalkül abgerechnet, diskreditiert, mit Besserwisserei und Angstmacherei um demokratische Rechte versucht eigene Schäfchen ins Trockene zubringen. Man muss kein Parteigänger von Herrn Bettel oder Frau Lenert sein , doch wer werfe den ersten Stein , Fehlentscheidungen , angesichts der großen Unbekannten in der Krisenthematik, immer möglich sind. Frau Lenert , ihr Team leisten große Arbeit und wer hätte besser als unser „ Sunny Boy“ Herr Bettel dem Volke die Bedrohung , die Massnahmen erklären, verkünden können.Frau Lenert , Herr Bettel haben gute Arbeit geleistet, wobei ich vermisse die gesamte Opposition, ausser Forderungen stellen und Druck ausüben , nicht sehr viel zur Lösung der Krisensituation beigesteuert hat. Entweder wollen wir Konsum, Spass, freiheitliche Rechte oder sind bereit einige Einschränkungen im Interesse des Schutzes von Gesundheit, Zukunft und Eindämmung der Pandemie hinzunehmen.