Standpunkt Mund-Nasen-Masken: Schutzmasken oder nur Maskenball?

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Es ist Zeit, von der generellen „Dat bréngt näischt“-Einstellung abzurücken, sagt Prof. Claude P. Muller Foto: dpa/kyodo

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Dass man die Hand vor Mund und Nase hält, wenn man hustet oder niest, gehört zu den normalen Anstandsregeln. Mit der pandemischen Verbreitung des Schweine-Influenzavirus haben wir gelernt, dass man in die Ellenbeuge husten soll, weil so infizierte Tröpfchen besser abgefangen werden. In Asien ist das Tragen von Mund-Nasen-Masken (MNM) auch in normalen Zeiten nicht ungewöhnlich und gesellschaftlich akzeptiert. In jedem Krankenhaus gehören MNM zum Standard der Schutzmaßnahmen beim Umgang mit infektiösen oder schutzbedürftigen Patienten.

Dennoch ist in Europa eine Diskussion darüber entbrannt, ob das Tragen von MNM überhaupt sinnvoll ist! Als Teil dieser Diskussion und mutmaßlich unter europäischem und amerikanischem Druck hat auch die WHO noch vor wenigen Tagen verlauten lassen, dass Masken nicht nur nichts bringen, sondern sogar schädlich seien. Interventionen auf höchster Ebene haben dazu geführt, dass diese Einschätzung jetzt erneut überdacht wird. Auch das Robert-Koch-Institut hat jetzt seine Meinung diesbezüglich geändert und das amerikanische Center of Disease Control zieht nach. Und das ist gut und richtig so! Zeit, auch in Luxemburg von der generellen „Dat bréngt näischt“-Einstellung abzurücken.

Das Tragen von MNM ist nämlich meiner Einschätzung nach ein wichtiges Element im Arsenal für die irgendwann anstehende Rollback-Strategie. Bis dahin sollten wir die Bevölkerung an das Tragen von einfachen MNM gewöhnen, die andere schützen, besonders wenn man selbst infiziert ist, aber es noch nicht weiß.
Anlass genug, das Thema Masken zu vertiefen!

Je größer der Atemwiderstand, desto größer der Schutz

MNM haben im Wesentlichen vier Funktionen: 1. Sie unterbrechen den Strom der Atemluft und leiten ihn nach oben/unten und seitwärts um, sodass das Gegenüber nicht unmittelbar angepustet wird. Dabei wird auch der Luft- und Tröpfchen-Strahl abgebremst und dessen Ausbreitung eingeschränkt. In dem verlangsamten Luftstrom sinken die Tröpfchen möglicherweise auch schneller zu Boden. So weit reine Strömungslehre! 2. MNM bestehen gewöhnlich aus mehr oder weniger saugfähigem, absorbierendem, z.T. elektrostatischem Hygienematerial (Kunststoff, Stoff, Zellulose usw.). Die Tröpfchen, die aus Mund- und Nasenrachenraum entweichen, lagern sich teilweise an der Innenseite der MNM ab und werden dort z.T. absorbiert. Dass nicht alle Tröpfchen in die Umwelt gelangen, lässt sich an der Feuchtigkeit der MNM-Innenseite feststellen. Diese beiden Mechanismen schützen vor allem das Gegenüber vor infizierten Tröpfchen des Trägers. 3. Die MNM reduziert auch das Risiko des Trägers, weil die Tröpfchen des Gegenübers teilweise von der Maske abgefangen werden und deshalb weniger direkt in Gesicht und Nasenrachenraum gelangen. 4. Die Atemluft des Trägers gelangt durch das absorbierende MNM-Material, vor allem aber an den Rändern vorbei hinter die Maske. Dieser Effekt ist umso besser, je enger die Maskenränder anliegen. Das ist bei FFP2/3-Masken der Fall, nicht aber bei den einfachen chirurgischen Masken. Deshalb bieten letztere dem Träger wenig Schutz. Nur hochwertige Masken für den Krankenhausbetrieb haben Luftfilter (FFP3), andere einfache Luftventile, die für ausströmende Luft geöffnet sind.

Bei MNM unterschiedlicher Bauweisen mögen diese Effekte unterschiedlich ausgeprägt sein. Grundsätzlich gilt aber: Je größer der Atemwiderstand, desto größer der Schutz. MNM sind nicht perfekt und bieten keinen vollständigen Schutz, aber sie schärfen auch das Bewusstsein für die unsichtbare Gefahr, die draußen bei Alltagsbewegungen und -beschäftigungen schnell vergessen werden kann.

Ein wesentlicher Grund für das derzeitige MNM-Bashing ist/war die Tatsache, dass offensichtlich nicht genug MNM für den Krankenhaus- und Pflegebereich zur Verfügung standen. Die Befürchtung: Masken würden von der allgemeinen Bevölkerung für den privaten Schutz aufgekauft und dadurch noch weniger MNM für den professionellen Bereich zur Verfügung stehen. Das ist in der Tat eine große Gefahr! In den kommenden Tagen und Wochen wird der riesige Bedarf der Amerikaner weitere Engpässe auf dem Markt schaffen. Die Antwort kann aber nicht sein, dass MNM „nichts bringen“, sondern wir müssen offen sein für Alternativen: alternative MNM und alternative Verwendungsanregungen.

Gesunder Menschenverstand

Dabei müssen wir den gesunden Menschenverstand zulassen …! Wenn ein Flugzeug abstürzt, fragt niemand nach der Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie über den Nutzen eines Fallschirms. Die gibt es nämlich nicht. Trotzdem würde niemand in der Not freiwillig auf einen Fallschirm verzichten.

Wenn der globale Markt leer ist, müssen wir uns auf unsere eigenen Fähigkeiten besinnen und selbst MNM produzieren, industriell oder privat. Um einen Wildwuchs zu vermeiden, könnte das Gesundheitsministerium entsprechende Empfehlungen bzw. Anleitungen geben. Menschen, die zurzeit zu Hause bleiben müssen, oder schlimmer, denen der Jobverlust droht, könnten MNM produzieren und sie zum Verkauf anbieten – warum nicht?

Solche Stoffmasken sind personifiziert, wiederverwendbar: Sie können nach Verwendung durch einfaches Heißbügeln von Viren befreit werden und bei Bedarf gewaschen werden. Die Maske sollte gut anliegen (zum besseren Schutz des Trägers) und nicht zu luftdurchlässig sein, ohne den Atmungskomfort zu sehr zu beeinträchtigen. Beim Tragen kann es sich empfehlen, ein Tempo-Taschentuch einzulegen, das bei längerem Tragen ausgewechselt und entsorgt werden kann. Auch wenn das MNM-Material zu luftdurchlässig ist, kann eine entsprechende Einlage die Wirkung verbessern.

Die Wiederverwendung von professionellen MNM für den privaten oder halb-professionellen Bedarf sollte kein Tabu bleiben, wenn es richtig gemacht wird. Professionelle MNM können personalisiert und von 1 bis 3 nummeriert jeden dritten bis vierten Tag wiederverwendet werden. Bis zur Wiederverwendung werden sie bei Zimmertemperatur (oder besser bei höherer Temperatur) einfach getrocknet, z.B. in einer atmungsaktiven Tüte vom Brötchenbäcker. Nach 48 bis 72 Stunden dürften Viren, die von außen die Maske kontaminiert haben, weitestgehend unschädlich sein, sodass die Maske gefahrlos wiederverwendet werden kann. Auf diese Weise lässt sich eine MNM, je nach Beanspruchung, wiederverwenden. Die Tüte mit Maske kann auch auf der Heizung oder mit dem warmen Bügeleisen von Virus befreit werden. Nur bestimmte FFP2- oder FFP3-Masken haben ein Ventil oder einen Filter, die bei nicht sachgerechter Behandlung Schaden nehmen können. Mit dem Verlust der engen Passform büßen diese hochwertigeren Masken auch ihre Schutzfunktion für den Träger ein.

Frage der Solidarität

Das relative Risiko, sich beim Ausziehen der Maske die Hände zu kontaminieren, spricht nicht gegen die Verwendung von Masken durch die Bevölkerung im privaten oder semiprofessionellen Bereich. Befinden sich etwa auf der Außenseite der Maske Viren eines Infizierten, dem man ungewollt zu nahe gekommen ist, dann nur, weil die Maske Virus-Tröpfchen abgefangen hat, die ansonsten direkt in Gesicht und Nasenrachenraum gelangt wären. Dass diese beim Ablegen der Maske an die Hände gelangen und von dort in den Mundbereich, wäre ein sehr viel indirekter und weniger risikobehafteter Infektionsweg. Dennoch sollten nach Ablegen der MNM die Hände gründlich gewaschen werden. Diese Empfehlung ist unabhängig davon, ob die MNM wiederverwendet wird oder nicht. Größere Gesichtsmasken aus Stoff, wie sie oft in Asien getragen werden, mindern auch die Gefahr, sich mit kontaminierten Händen versehentlich ins Gesicht zu greifen.

MNM sind kein Ersatz für andere empfohlene Hygienemaßnahmen, insbesondere befreien sie nicht von der Pflicht, den Mindestabstand von zwei Metern einzuhalten. Sie bieten eine zusätzliche Möglichkeit, seine Nächsten und sich selbst zu schützen. Eine selbst gemachte oder wiederverwendete Maske ist besser als keine, besonders in Zeiten von Covid-19, wenn Masken Mangelware sind.

Möglicherweise können wir uns mit luxemburgischer Kaufkraft mit ausreichend Masken versorgen, aber diese fehlen dann dort, wo die Kaufkraft nicht ausreicht – und das ist nicht nur in Afrika, sondern auch in manchen EU-Mitgliedstaaten der Fall. Ein richtiger, an die spezielle Situation angepasster, sparsamer Umgang mit MNM ist – in Zeiten von Covid-19 – auch eine Frage von Verantwortung und Solidarität.

* Prof. Claude P. Muller arbeitet seit 25 Jahren am Luxembourg Institute of Health in der Überwachung von Viren und Virusepidemien in Afrika, Asien und Europa.

Risikopatient ouni Mask
10. April 2020 - 10.57

armséileg regierung: besteelen keng masken, virun méint, behapten se dachen neischt..., a lo froen se benevoler, ze bitzen !!! merci bitztattaen, schummt iech lenert, bettel...

Jean Muller
9. April 2020 - 1.08

@Darius FFP2/3 plus ee Blaumann driwer. Problem geleist. P.S: Blaumann = OP-Mask

J.Scholer
8. April 2020 - 16.19

@Darius: Noch heute wurden Testergebnisse von einfachen Homemade -Masken bei einem deutschen Fernsehsender publiziert, je nach Stoff, Dicke können diese den Träger bis zu 80% vor einer Infektion schützen. Übrigens haben renommierte Virologen und Wissenschaftler am Anfang dieser Krise daraufhin gewiesen , solche einfache Baumwollstoffmasken einen Schutz bieten, leider von vielen Politiker und Zeitgenossen belächelt und als Scharlatane abgetan.

Jean Muller
7. April 2020 - 22.12

"mutmaßlich unter europäischem und amerikanischem Druck hat auch die WHO noch vor wenigen Tagen verlauten lassen, dass Masken nicht nur nichts bringen, sondern sogar schädlich seien" "Das Tragen von MNM ist nämlich meiner Einschätzung nach ein wichtiges Element im Arsenal für die irgendwann anstehende Rollback-Strategie. Bis dahin sollten wir die Bevölkerung an das Tragen von einfachen MNM gewöhnen, die andere schützen, besonders wenn man selbst infiziert ist, aber es noch nicht weiß" "Wenn ein Flugzeug abstürzt, fragt niemand nach der Placebo-kontrollierten Doppelblindstudie über den Nutzen eines Fallschirms. Die gibt es nämlich nicht. Trotzdem würde niemand in der Not freiwillig auf einen Fallschirm verzichten." Anm: cf Chloroquin-Diskussion!! "Sie bieten eine zusätzliche Möglichkeit, seine Nächsten und sich selbst zu schützen. Eine selbst gemachte oder wiederverwendete Maske ist besser als keine, besonders in Zeiten von Covid-19, wenn Masken Mangelware sind." Aber solange es nicht genug Masken für Jeden gibt wird die Schafsherde halt belogen und für dumm verkauft :( Bravo Dr Muller: Endlich mal Jemand mit gesundem Menschenverstand!

Jacques Zeyen
7. April 2020 - 21.25

Eine Milliarde Chinesen können nicht irren. Die wissen wo die Viren herkommen. Also Maske tragen- oder? Selbstverständlich.Wer bis drei zählen kann wird herausfinden dass: Maske vor allem den Nachbarn schützt sollte man husten oder niesen. Klar. Maske ohne Brille macht keinen Sinn zum Selbstschutz,denn: durch Tröpfchenübertragung ist das Auge empfänglicher als der Mund oder die Nase. Handschuhe sind absoluter Schwachsinn,es sei denn man hat offene Wunden an den Händen. Dem Virus ist es egal ob es an einer Hand oder an einem Handschuh klebt. Bleibt die Regel: Sobald aus dem Haus lässt man die Finger aus dem Gesicht(auch wenn die Nase juckt) bis sie gewaschen sind. Einfach,oder?

jean-pierre goelff
7. April 2020 - 17.49

In Frankreich ist die Masken6Geschichte zum reinsten Maskenball verkommen!Pauvre France!

Darius
7. April 2020 - 17.40

FFP2/3-Masken schützen den Träger besser aber die ausgeatmete Luft wird durch ein Ventil ungefiltert nach außen übertragen, mit etwaigen Viren. Die Billigen schützen zwar schlechter aber wenigstens wird auch beim Ausatmen gefiltert, besser als nichts.