DeutschlandHabeck zu Baerbock: Hätte andere Worte gewählt

Deutschland / Habeck zu Baerbock: Hätte andere Worte gewählt
Robert Habeck im Gespräch mit der Moderatorin Shakuntala Banerjee  Foto: dpa/ZDF/Marcus Dewanger

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Wäre Robert Habeck für die Kanzlerkandidatur besser geeignet als Annalena Baerbock? Im Sommerinterview versucht der Grünen-Chef wiederholt, diesen Spekulationen nicht selbst neue Nahrung zu geben. Bis es ihm spontan wieder durchgeht.

Die imposante Bucht zwischen Flensburg und Dänemark als Hintergrund des ZDF-Sommerinterviews mit dem Grünen-Parteichef verrät es: Robert Habeck hat mal wieder ein Heimspiel. Hier ist er zu Hause, hier hat er seinen Wahlkreis, und der ermöglicht es ihm, die ersten insistierenden Fragen von Moderatorin Shakuntala Banerjee zu relativieren. Dass die Grünen im Saarland wegen eigener Fehler keine Stimmen bei der Bundestagswahl sammeln können, sei „doof genug“, meint Habeck, doch sein eigener Wahlkreis sei genauso groß wie das gesamte Saarland und so müsse die „bescheidene Situation“ dadurch wettgemacht werden, dass in den anderen Wahlkreisen dann eben mehr Stimmen eingesammelt werden.

Ein weiterer Versuch, von dem ihm sichtlich und hörbar peinlichen Grünen-Organisationsversagen abzulenken, geht bald darauf schief: Die endgültige Ablehnung der fehlerhaft zustande gekommenen Grünen-Landesliste sei zeitgleich mit der Nachricht erfolgt, „dass der Golfstrom kollabiert“, wendet Habeck ein, doch Banerjee kontert kühl: Die Grünen hätten den Anspruch, Deutschland umzukrempeln, und schafften es nicht, selbst einfachste Sachen zu organisieren. Habeck verspricht, im Wahlkampf deutlich machen zu können, warum die Deutschen den Grünen trotzdem vertrauen könnten.

Doch es bleibt eine brisante Frage, ob die Grünen mit Annalena Baerbock die richtige Person für die Kanzlerkandidatur aufgeboten haben. Nach den Umfragen wären sie jedenfalls mit Habeck deutlich besser gefahren. Das wurmt den Ko-Vorsitzenden seit Wochen und er kann es immer schlechter verbergen, verweist etwa darauf, dass Baerbock die „Frauenkarte“ gespielt habe.

Wie die Gewehrsalven eines Abwehrfeuers

Doch vor dem Sommerinterview hat er Kreide gefressen. Er hat sich erkennbar vorgenommen, die Zweifel an Baerbocks Eignung nicht auch noch selbst zu füttern. Jedenfalls nicht schon wieder. Das Wort „Absturz“ für die Entwicklung der Umfragewerte nach einer Reihe von Fehlern Baerbocks will er lieber „anders beschreiben“, nämlich dass die Grünen wieder da seien, wo sie gestartet seien und immer noch eine „sehr gute Ausgangsposition“ hätten. Alles sei möglich. Und die Darstellung, dass er jetzt der Frau, der er unterlegen sei, beim Scheitern zuschaue, weist er als „falsche Beschreibung“ zurück. Die Sätze kommen nun wie die Gewehrsalven eines Abwehrfeuers aus seinem Mund.

Frau Baerbock ist geeignet für das Kanzleramt und meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Grünen stark werden

Robert Habeck

„Ich habe eine Rolle, die mich vollständig ausfüllt“, lautet seine Antwort, und dass es „eine gute Rolle“ sei und er „Bock auf den Wahlkampf“ habe. Die Frage, ob für das Erreichen eines so wichtigen Zieles angesichts der Klima-Herausforderungen nicht auch ein Austausch der Kanzlerkandidaten erwogen werden müsse, kanzelt er mit „das ist keine Debatte“ ab – um sogleich selbst auf die Hochwasserkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz zu sprechen zu kommen, und dass „Südeuropa brennt“. Das Stichwort „Frauenkarte“ lässt er links liegen, versichert stattdessen: „Frau Baerbock ist geeignet für das Kanzleramt und meine Aufgabe ist, dafür zu sorgen, dass die Grünen stark werden.“

Offensichtlich hat er an dieser Stelle innerlich ausgeatmet und war sich sicher, kein neues Öl ins Feuer gegossen zu haben. Doch Habeck lebt auch von seiner inneren Leidenschaft, und die hat er nicht jederzeit unter Kontrolle. Denn kaum hat Banerjee Baerbocks jüngste Äußerung zitiert, in der sie beim Klima den anderen Parteien „Hasenfüßigkeit“ vorwirft, bricht es aus ihm heraus und er wirft ungefragt seine Feststellung ein: „Das ist die milde Umschreibung.“ Und: „Ich hätte andere Worte gewählt.“ Rumms, das ist wieder ein Beleg dafür, dass es für die Grünen in der Außendarstellung mit einem Kanzlerkandidaten Habeck auch nach seiner inneren Überzeugung anders gelaufen wäre.

Grüne Doppelmoral

Die Gelegenheit, über Außen- und Europapolitik zu sprechen, bekommt er sogleich, auch wenn er – im Gegensatz zu Baerbocks rustikaler Selbst-Beschreibung – nicht „vom Völkerrecht kommt“. Litauen habe selbstverständlich das Recht, im Flüchtlingsstreit mit seinem Nachbarn Weißrussland seine Grenzen zu kontrollieren. Europa dürfe sich von Diktator Alexander Lukaschenko nicht erpressen lassen. Und sogleich geht es mit Afghanistan-Abschiebungen und dem Vorwurf grüner Doppelmoral weiter. Wie reagiert er auf die Tatsache, dass die Grünen im Bund den Stopp der Abschiebungen fordern und die Grünen in den von ihnen mitregierten Ländern diese fortsetzen? Mit einer scharfen Kritik am Auswärtigen Amt. Schleswig-Holstein mache schließlich keine eigene Außenpolitik und sei deshalb auf den Lagebericht des Auswärtigen Amtes bei der Einschätzung der Gefahren angewiesen. Der sei aber immer noch nicht überarbeitet worden.

Und was würde mit Grünen in der Bundesregierung bei Corona anders laufen? Habeck macht klar, dass es nicht darum gehe, Ungeimpfte aus bestimmten Bereichen auszuschließen, sondern darum, Geimpften ihre Grundrechte und ein freies Leben zurückzugeben. Also doch unterschiedliche Maßnahmen, nur anders erklärt. Jedenfalls will Habeck, dass die Corona-Tests kostenlos bleiben – auch für diejenigen, die nicht geimpft sind.

HTK
9. August 2021 - 9.25

Wäre da nicht die unumgängliche Frauenquote wäre es wohl Habeck geworden. Man fragt sich so langsam ob die Diskriminierung des Mannes nicht schon eingetreten ist.Dabei zeigen die vielen Frauenbeispiele, in der Politik jedenfalls,wo peinliche Auftritte mit peinlichen Abtritten enden,dass die Damen den Männern längst das Wasser reichen können. Für den Wähler hat sich nichts geändert.