Denkmalschutz auf wackeligen FüßenGemeinde Luxemburg verliert vier Prozesse gegen Bauunternehmen

Denkmalschutz auf wackeligen Füßen / Gemeinde Luxemburg verliert vier Prozesse gegen Bauunternehmen
Gebäude aus dem „Secteur protégé“ des Vago-Plans Foto: Rolph

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Vier rezente Urteile des Verwaltungsgerichts stellen die Denkmalschutzpolitik der Stadt infrage. In zwei Fällen argumentierte das Gericht, dass im Teilbebauungsplan nicht Gebäude geschützt werden könnten, wenn dies nicht bereits im PAG vorgesehen sei. Dies könnte Auswirkungen auf mehrere tausend „geschützte“ Immobilien haben. Das Problem beschäftigte die Gemeinderatssitzung von voriger Woche, wo der Gemeinderat einstimmig beschloss, Berufung gegen die Urteile einzulegen.

Denkmalschutz, ob national oder kommunal, ist eines der Themen, an denen sich regelmäßig die Geister scheiden. Anfang Oktober hatten Vertreter von 18 Organisationen  unter dem Motto „Eisen Denkmalschutz fonktionéiert net!“ in der Stadt demonstriert, um einen besseren Schutz des Bauerbes zu fordern. Mitte Oktober fand gar als Folge einer öffentlichen Petition eine Debatte zu dem Thema in der Chamber statt. Ein neues Denkmalschutzgesetz befindet sich auf dem Instanzenweg. Dass der Denkmalschutz in Luxemburg in der Tat ein Problem hat, wurde wieder einmal vorige Woche in der hauptstädtischen Gemeinderatssitzung deutlich, als über rezente Gerichtsurteile diskutiert wurde.

Mehrere Gebäude in Eich waren von der Stadt Luxemburg im Teilbebauungsplan als sogenannte „ensembles sensibles“ eingestuft worden. Zwei Gesellschaften, die dort mehrere Häuser besitzen, reichten Klage dagegen ein und bekamen im September vor dem Verwaltungsgericht recht. Der Gemeinderat billigte zwar den Antrag des Schöffenrats, gegen die Urteile Berufung einzulegen, allerdings nicht ohne Kritik. 

Vertretern der Opposition zufolge könnte das Urteil weitreichende Folgen für andere auf kommunaler Ebene geschützte Gebäude haben. Die Hauptkritik gegenüber der aktuellen Mehrheit bezieht sich auf das oft von Bürgermeisterin Polfer wiederholte Aussage, in der Hauptstadt seien rund 2.000 Gebäude auf kommunaler Ebene geschützt. Dieses Argument stehe nach den vier Urteilen auf „ganz wacklege Féiss“, sagt Guy Foetz („déi Lénk“). Die Denkmalpflege werde durch die Urteile kurzerhand grundsätzlich infrage gestellt. In den zwei Urteilen, die sich auf den PAG beziehen, verwirft das Gericht die Argumente der Gemeindeverwaltung, es handele sich um ein „territoire communal composé d’immeubles ayant marqué l’histoire locale“. Es handele sich vielmehr um Häuser mit unscheinbaren Fassaden, ohne Authentizität, und die teilweise in einem sehr baufälligen Zustand seien.

Niedriger Schützungsgrad

Guy Foetz spricht von einem lange bekannten Problem; das Etikett „ensembles sensibles“ besitze einen sehr niedrigen Schützungsgrad, die Kriterien hierzu seien sehr schwammig. Seine Partei fordert eine grundsätzliche Diskussion über diese Kriterien und den Denkmalschutz in der Hauptstadt im Allgemeinen. Foetz weist auch auf die Granada-Konvention (ein Übereinkommen zum Schutz des architektonischen Erbes) hin, die Luxemburg 2015 ratifiziert hat. Diese fordert u.a. eine Bestandsaufnahme der Baukulturgüter; eine solche Liste sei dringend notwendig.

In zwei Urteilen bezüglich der Teilbebauungspläne (PAP) argumentiert das Verwaltunggericht, dass in einem Teilbebauungsplan keine Bestimmung stehen könne (in diesem Fall die Ausweisung von „secteurs sensibles“), wenn diese nicht bereits im PAG („Plan d’aménagement général“) vorgesehen ist. Wenn dies vergessen wurde, dann müsse das schnellstens nachgeholt werden, fordern „déi Lénk“.

Tom Krieps (LSAP) resümierte die Gerichtsurteile mit der Bemerkung‚ sie seien eine „Katastrophe“. Was den Erfolg der Berufung angehe, zeigte er sich sehr pessimistisch. Man solle nicht davon ausgehen, dass im „appel“ alles „riichtgebéit gëtt“.

Viel Unklarheit

Bürgermeisterin Lydie Polfer (DP) gab zu, dass in der Tat viel Unklarheit über die Situation herrsche, man jetzt aber in Berufung gehen müsse, um Klarheit zu erlangen. Alle seien sich bewusst, dass wenn die Urteile bestätigt werden, dies auch Konsequenzen für andere Gebäude haben werde, die laut dem PAG in der gleichen Weise klassiert worden waren. Sie wies darauf hin, dass sogar ein Haus, das auf nationaler Ebene unter Denkmalschutz steht, nicht wirklich geschützt sei, wenn ein Gericht das anders sähe. Sie erinnerte an ein Haus an der Ecke des Boulevard Pierre Dupong und der Avenue du X Septembre, wo ein Gericht gegen den Denkmalschutzstatus entschieden habe.

François Benoy („déi gréng“) bezeichnete das Ganze als eine sehr schwierige Situation. Seiner Meinung nach  müsste allerdings gerade die Stadt Luxemburg in Sachen Denkmalschutz eine proaktive Rolle spielen. Seine Partei sei klar der Auffassung, dass der Denkmalschutz ausgeweitet und verbessert werden müsse. Um das zu erreichen, fehle aber der politische Wille, da es innerhalb der Mehrheit im Stadtrat Stimmen gebe, die das nicht so sähen. Als Erstes müsse aber jetzt Rechtssicherheit geschaffen werden.

Geschützt oder „sensibel“

Wie der Zufall es so will, beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe des Magazins Ons Stad ausgiebig mit dem Thema „Denkmalschutz und Denkmalpflege“. Aus einem Beitrag von Philippe Beck ist zu erfahren, dass in der Hauptstadt 2.658 Gebäude innerhalb eines „Secteur protégé“ stehen, 4.457 sind Teil eines „Secteur sensible“. Auf kommunaler Ebene gibt es keinen Schutz für einzelne Gebäude, sondern nur für ein Ensemble von Gebäuden.
Artikel 29 des allgemeinen Bebauungsplans der Stadt Luxemburg definiert, was ein „Secteur protégé“ ist: Es handelt sich um Teile des Gemeindegebiets mit schützenswerten Gebäuden oder Gebäudeteilen. Diese Sektoren umfassen Viertel oder Teile von Vierteln, die es zu erhalten gilt, um so die Identität und Stadtgeschichte Luxemburgs zu bewahren. Sie unterscheiden sich von den „Secteurs sensibles“ insofern, als sie noch größtenteils im Originalzustand erhalten sind und deutlich die „Handschrift“ der Baumeister ihrer Ursprungszeit besitzen. Bei den „Secteurs sensibles“ geht es lediglich darum, das äußere Erscheinungsbild zu wahren.

werner
18. November 2020 - 15.50

@Romain "Warum müssen alte Mauern erhalten bleiben. Einfach abreissen und identisch aufbauen mit neuen Ziegeln." Aber nur wenn's keine Kirche ist, die braucht keiner mehr, nicht mit alten und nicht mit neuen Ziegeln.

grenzgegner
18. November 2020 - 15.38

Klar doch. Am besten die ganze Altstadt abreissen, vielleicht noch ein paar Eckchen für chinesische und russische Touristen erhalten. Man braucht schliesslich mehr Platz für hübsche Bürogebäude, da ist die Miete hoch und sicher. Und zwischendrin ein paar überteuerte Wohnungen für wohlhabende Expats, da kann sich so mancher Grundstückseigentümer zu seiner goldenen Nase noch ein paar goldene Ohrläppchen verdienen. Ist die Stadt dann irgendwann gesichtslos, who cares? Der Mensch ist schliesslich bescheiden. Ein paar Banken und ein paar Luxusboutiquen reichen schon.

Romain
18. November 2020 - 13.34

Warum müssen alte Mauern erhalten bleiben. Einfach abreissen und identisch aufbauen mit neuen Ziegeln. Habe noch keinen beobachtet der ein Loch in die Mauer gebohrt hat nur um zu schauen ob dieses eine alte Mauer ist!

Henry Edward
18. November 2020 - 12.19

Gut so. Viele geschützte Gebäude gibt's hunderte Male, wir brauchen nicht jeden Kuhstall zu retten. Ruft den Bagger.