Französische Satiriker profitieren von skandalösen Zeiten

Französische Satiriker profitieren von skandalösen Zeiten
Foto: DPA/fgg

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Der französischen satirischen Wochenzeitung Le Canard enchaîné geht es gut. Das Wahljahr 2017 mit dem von ihr aufgedeckten Skandal rund um den Kandidaten François Fillon führte zu ausgezeichneten wirtschaftlichen Ergebnissen.

Im Gegensatz zu vielen anderen Druckerzeugnissen steigerte die Zeitung ihre Auflage – um zwölf Prozent. Sie liegt nun bei 399.500 bezahlten Exemplaren im Durchschnitt. Davon werden 302.000 an Kiosken abgesetzt, 80.650 per Abonnement und 16.000
an Fluggesellschaften verkauft. Nach einem eher durchschnittlichen Jahr 2016 war 2017 ein wahrer Segen für das Blatt: Das Wirtschaftsjahr endete mit einem Gewinn von zwei Millionen Euro. Die Zeitung zeigt dabei, dass sie Informationen kühl als Ware betrachtet. Bilanz und Geschäftsbericht werden nur in Auszügen veröffentlicht. Will man alles wissen, muss man sie kaufen.

Es ist dabei weniger die Satire, die sich bezahlt macht. Das Blatt hat sich stark dem Enthüllungsjournalismus zugewendet und sucht den Skandal. Im vergangenen Jahr war es der um den ehemaligen Premierminister und Präsidentschaftskandidaten François Fillon. Die Enthüllung, dass er seine Frau als Parlamentsassistentin beschäftigt hatte, die aber gar nicht als solche gearbeitet haben sollte, beraubte ihn aller Wahlchancen. Hinzu kam die Enthüllung, dass sich Fillon Anzüge für über 10.000 Euro hatte schenken lassen. Die französische Justiz griff zu, eröffnete ein Verfahren, das die Affäre beförderte, und das nun, nach der Wahl, die Emmanuel Macron zum Präsidenten machte, vor sich hin dümpelt. Es ist in die langsame, aber gründliche Bearbeitung der französischen Rechtsprechung versunken.

Es gibt im Wesentlichen zwei Medien in Frankreich, die von Enthüllungen leben. Es sind dies der Internetverlag Mediapart, der sich als Bezahlmedium versteht und eben der Canard enchaîné. Zu Zeiten der Sozialisten an der Macht in Paris hatte diese Rolle die Zeitung Le Monde übernommen, der vor allem die Justiz offen stand.

Die Wochenzeitung und der Internetverlag zeigen eine Tendenz der französischen Presse, die vor allem durch die elektronischen Medien befördert wird. Frankreich fordert und fördert die Transparenz auf allen Ebenen. Vertraulichkeit von Dokumenten gibt es nicht mehr. Das Ermittlungsgeheimnis, wie es im Gesetz steht, ist reine Theorie geworden.

Transparenz gewünscht

Im Falle Fillon gelangten Ermittlungsergebnisse und Auszüge von Vernehmungen an die Öffentlichkeit, bei denen bis heute der Verdacht nicht ausgeräumt ist, dass die Informationen aus Polizei und Justiz stammten. Derzeit wird dem ehemaligen Leiter des „Grand Palais“ vorgeworfen, dass er über 400.000 Euro für Taxis und Ähnliches ausgegeben haben soll.

Le Canard enchaîné, der die Nachricht ans Tageslicht beförderte, beruft sich dabei auf einen internen Bericht des Rechnungshofes. Klagen der Betroffenen wegen Verletzung von Amtsgeheimnissen sind reine Formalität geworden, die keine Ergebnisse hervorbringen. Frankreich gewöhnt sich daran, dass seine Verwaltung sich dem Enthüllungs- und Skandaljournalismus geöffnet hat.

Das zahlt sich, wie im Fall der satirischen Wochenzeitung, aus. Die Ausgabe mit dem Fall Fillon wurde in einer Auflage von 391.000 Exemplaren gedruckt und war sofort vergriffen, als die elektronischen Medien sie aufgriffen. Der Verlag weist für das Geschäftsjahr 2017 eine Bilanzsumme von 133 Millionen Euro aus. Der Umsatz der Zeitung, die 62 Redakteure beschäftigt, lag bei 25,4 Millionen Euro, eine Erhöhung um 13,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Betriebsergebnis verdreifachte sich auf 3,1 Millionen Euro.

Diese wirtschaftlichen Erfolge wurden mit einer Explosion von außerordentlichen Kosten bezahlt, die von 14.000 Euro im Jahre 2016 auf 540.000 Euro im vergangenen Jahr anstiegen. Das schlägt sich auf den Gewinn nieder. Er liegt bei 2,1 Millionen Euro, liegt aber immer noch um zehn Prozent über dem Gewinn von 2016. Die Zeitung hat es sich zum Prinzip gemacht, ohne Anzeigen zu erscheinen. Allerdings hat sie es sich auch zum Prinzip gemacht, ihre Steuern spät zu zahlen und auch die Lieferanten darben zu lassen. Die Zeitung weist fast drei Millionen Euro Schulden aus. Davon sind 1,9 Millionen Forderungen des Finanzamtes und 885.000 Forderungen der Lieferanten. Dafür liegen die reinen Rücklagen bei 463.000 Euro. Der Gewinn der Zeitung wird traditionell dem Eigenkapital zugeführt, das nötigenfalls als „Kriegskasse“ betrachtet wird. Es liegt jetzt bei 128 Millionen Euro. Das macht sie fast unangreifbar.

Dennoch ist der Verlag sehr sachlich. „Wir dürfen nicht euphorisch werden. Wir haben Nummern, die unsere Auflage sprengen. Und danach kommt wieder eine normale Phase. Überdies raubt uns das Internet einen Teil der Auflage“, sagt das geschäftsführende Mitglied des Verwaltungsrates Nicolas Brimo gegenüber der Nachrichtenagentur Agence France Press. Solange wie Frankreich sich aber auf Enthüllungen stürzt, dürfte sich der Canard enchaîné keine allzu großen Sorgen um die Zukunft machen.