Die unvollendete Biografie von Prince erscheint drei Jahre nach seinem Tod

Die unvollendete Biografie von Prince erscheint drei Jahre nach seinem Tod
 Foto: Joseph Gianne

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Was so ein Buch alles können muss: das Mysterium befeuern, das Rassismusproblem lösen, die Musik und die Freiheit feiern, als Autobiografie funktionieren, ein Handbuch für die Kreativen sein und, ach so, „das größte Musikbuch der Geschichte“ werden.

Von Oliver Seifert

Prince hat klare Vorstellungen vom Buch, und wie sonst in seinem Wirken als Popwunder will er alles auf einmal. Nachdem die komplizierte Verhandlung mit dem Verlag beendet, ein Co-Autor mittels akribischster Suche gefunden, die Welt in Kenntnis gesetzt und das monströse Marketing bereits angelaufen ist, sorgt Princes Tod 2016 für ein abruptes Ende des Großprojekts.

Mehr als drei Jahre später nun kommt doch ein Buch heraus, das den seinerzeit bereits festgelegten Titel „The Beautiful Ones“ trägt – mit dem Zusatz „Die unvollendete Autobiografie“. Verlag und Co-Autor haben handschriftliche Ausarbeitungen, Notizen, Songtexte, Entwürfe, selbst angelegte Bilderalben sowie Fundstücke aus dem Nachlass zusammengetragen, gesichtet, sortiert, strukturiert und mit Anmerkungen, Erläuterungen sowie Aussagen aus früheren Interviews versehen. Abgedruckt sind die ersten (und einzigen) schwungvoll notierten, mit Verkürzungen arbeitenden (U für you, 2 go für to go) und schwer lesbaren 28 Seiten Autobiografie, die Kindheit, Jugend und Anfänge als Musiker umfassen, sowie elf ebenso herausfordernde Seiten Film-Manuskript (die Vorlage für „Purple Rain“), jeweils gefolgt von den deutschen Übersetzungen. Ein ausführliches Vorwort erzählt die Geschichte hinter der Lebensgeschichte, gespickt mit amüsanten bis absurden Anekdoten.

Ein Buch arrangiert wie ein Album

Ist in der unlängst erschienenen Biografie von Matt Thorne insbesondere das Werk des genialischen Musikers, Sängers, Komponisten und Produzenten allumfassend aufgearbeitet worden in Ermangelung valider Erkenntnisse übers Privatleben, bietet sich jetzt ein persönlicher Blick auf die zumindest frühen Lebenserfahrungen des Prince Roger Nelson, als der er 1958 in Minneapolis geboren wurde. Aufrichtig, gefühlvoll, unspektakulär, detailliert sind die Beschreibungen über seine sehr gegensätzlichen Eltern, Streits und resultierende Trennung, Epilepsie und frühe Freundinnen, sexuelle Erweckung und robuste Aufklärung, sonderbare Fantasien und Träume, die große Bedeutung von Musik, das gespaltene Verhältnis gegenüber Menschen. Es geht dem kleinen Prinzen um Harmonie, Anerkennung, Liebe und den fest eingeplanten Erfolg als Musiker. Kalkül und Absicht treten erst beim großen (kleinen) Prinzen als exzentrische, provokante Kunstfigur deutlich hervor, das ist im Buch anschaulich herausgearbeitet, wenn sich aufeinanderfolgende Fotos, Zitate, Zeichnungen oder Notizen in ihrer Aussage verstärken.

Seine Geschichte sollte ähnlich einem Song oder einem Album arrangiert werden, betonte Prince gegenüber seinem Co-Autor Dan Piepenbring. Das ist einerseits künstlerische Freiheit, für die sich Prince all die Jahre starkgemacht hat, andererseits auch das gute Recht eines nur eigenen Regeln gehorchenden Künstlers wie ihm, der laut Piepenbring den Beruf des Musikers – wenigstens für eine gewisse Zeit – gegen den des Schriftstellers tauschen wollte (nach 900 veröffentlichten Songs und 39 Alben war etwas die Luft raus). Insofern dürfte das unkonventionelle Experiment von „The Beautiful Ones“ durchaus seiner ursprünglichen Intention entsprechen, auch wenn sich der Verlag keine Freude macht, in diesem Zusammenhang mit Begriffen wie Autobiografie oder Memoiren zu hantieren.
Die aufwendige Rekonstruktion einer Lebensgeschichte als Mosaik aus handschriftlichen Texten, persönlichen Dokumenten, O-Tönen und Bildern ist dennoch eine gelungene Lösung des Dilemmas, dass der Co-Autor den Autor überlebt hat. Von den vielen eingangs aufgezählten Anforderungen ans Buch, das sich optisch mächtig aufgemotzt präsentiert, ist wenigstens eine erfüllt: Das Mysterium bleibt – es lässt sich eben nicht so einfach ergründen.