Ärgerte Kaiser Franz JosephDie Schriften des Architekten Adolf Loos

Ärgerte Kaiser Franz Joseph / Die Schriften des Architekten Adolf Loos
Porträt des Architekten Adolf Loos Foto: Public Domain

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Umstritten und provokant: Der Architekt Adolf Loos gilt in seiner Branche als Ikone. Adolf Opel gibt nun seine gesammelten Schriften heraus.

„Das Haus hat allen zu gefallen. Zum Unterschiede vom Kunstwerk, das niemandem zu gefallen hat. Das Kunstwerk ist eine Privatangelegenheit des Künstlers. Das Haus ist es nicht (…). Das Kunstwerk ist niemandem verantwortlich, das Haus einem jeden. Das Kunstwerk will die Menschen aus ihrer Bequemlichkeit reissen. Das Haus hat der Bequemlichkeit zu dienen.“ Als Adolf Loos diese Unterscheidung in einem Artikel traf, der Ende 1910 in Hervath Waldens Berliner Zeitschrift Der Sturm abgedruckt wurde, war er bereits ein weit über seine Heimat Österreich hinaus bekannter Architekt und Kulturkritiker, dessen Arbeiten heftige Reaktionen provozierten.

Am berüchtigtsten ist der Streit um das heutzutage „Looshaus“ genannte Gebäude am Michaelerplatz in Wien in Erinnerung geblieben, sein erstes großes Bauprojekt, das er 1910 für das Bekleidungsunternehmen Goldman und Salatsch realisierte. Es heißt, das schmucklose Gebäude hätte Kaiser Franz Joseph nachhaltig die Aussicht von der Hofburg auf den Michaelerplatz vergällt. Loos selber fühlte sich durch die Kritik, sein Werk würde das Wiener Stadtbild verunglimpfen, genötigt, in einem Leserbrief an die Neue Freie Presse zu versichern, dass das rohe Mauerwerk des vielseits geschmähten Bauwerks schon bald wie jedes andere Haus in der Stadt einen Verputz erhielte. Was allerdings die Anwürfe nicht abebben ließen. Denn Loos’ Architektur war dadurch, dass sie weitgehend auf Zierrat verzichtete, und infolgedessen ihre Funktionalität geradezu bloßstellte, weit ihrer Zeit voraus. 

Wegbereiter der Moderne

Der 1870 in Brünn geborene Adolf Loos begann, sich nach einer ziemlich verpfuschten Schulzeit und abenteuerlichen Lehrjahren in Amerika zum Ende des 19. Jahrhunderts hin als Architekt, Designer und Publizist in Wien zu etablieren. In seinen Texten nahm er die herrschenden Verhältnisse aufs Korn. Hierzu sei angemerkt, dass der verspielte Jugendstil in den letzten Zügen lag und ein verschnörkelter, neoklassizistisch-gotisch-renaissancehafter Stil-Mischmasch um sich griff, gegen den Loos angriffslustig polemisierte.

1908 veröffentlichte er seinen Aufsatz/Vortrag „Ornament und Verbrechen“, der seitdem in keiner Anthologie zur Genese der Moderne fehlen darf. Inmitten der von Adolf Opel herausgegebenen „Gesammelten Schriften“ des Adolf Loos wirkt der berühmte Text keineswegs außergewöhnlich, sondern wie ein Beispiel unter vielen, in denen die provokanten und blitzgescheiten Ansichten, aber auch die problematischeren Charaktereigenschaften des Autors aufscheinen. Liest man dennoch in „Ornament und Verbrechen“ rein, so ist heutzutage kaum jener rassistisch aufgeladene Fortschrittsglaube vermittelbar, dem Loos anhängt, auch wenn seine Rhetorik deutlich erkennbar ironische Züge trägt.

Interessanter erscheint sowieso an seiner These, wonach die „Evolution der Kultur (…) gleichbedeutend mit dem Entfernen des Ornaments aus dem Gebrauchsgegenstande“ ist, dass Loos der Arbeitskraft eine zentrale Rolle zuerkennt, in dem er folgende Gleichung aufmacht: „Wenn ich für eine glatte Vase so viel zahle wie für eine ornamentierte, gehört die Differenz an Arbeitszeit dem Arbeiter.“ Dass die Entlohnung weit hinter der durch die Industrialisierung sprunghaft gestiegenen Produktivleistung von Arbeit zurückblieb, war bereits damals ein Problem, das noch immer gern in gesamtwirtschaftlichen Rechnungen unterschlagen wird.    

Mentalgeschichtlich sind Adolf Loos’ gesammelte Schriften für das Verständnis der ästhetischen Moderne außerordentlich wichtig. Dass der Braumüller-Verlag sie in einer wunderbar editierten Zweitauflage noch einmal zur Verfügung stellt, kann nicht hoch genug angerechnet werden.     

Den Rückfall in die Barbarei, beginnend mit Hitlers Machtantritt in Deutschland, musste Adolf Loos übrigens nicht mehr erleben. Er verstarb 1933 mit nur 62 Jahren an den Folgen eines Nervenleidens.

Adolf Loos: Gesammelte Schriften. Herausgegeben von Adolf Opel. Braumüller Verlag, Wien 2023. 780 S. 44 Euro.
Adolf Loos: Gesammelte Schriften. Herausgegeben von Adolf Opel. Braumüller Verlag, Wien 2023. 780 S. 44 Euro. Foto: Lesethek Verlag