InflationDie Kostenfrage: Luxemburger Bauunternehmen stehen vor großen Herausforderungen

Inflation / Die Kostenfrage: Luxemburger Bauunternehmen stehen vor großen Herausforderungen
Baustellen sind in Luxemburg kein ungewohntes Bild. Doch getrieben von Krisen und der Inflation gehen auch hier die Preise stark nach oben.  Foto: Editpress/Tania Feller

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Die Inflation treibt die Preise weiter nach oben. Das macht sich nicht nur im Supermarkt bemerkbar – auch der Bausektor ist betroffen. Dabei befindet sich Luxemburg jetzt schon in einer Wohnungsbaukrise. Könnte die Inflation die Situation weiter verschlimmern? Wir haben mit Norry Dondelinger von der Handwerkskammer, Viviane Bonaria-Pundel, Geschäftsführerin des Escher Bauunternehmens Bonaria et Fils, und Jean-Luc De Matteis vom OGBL-Syndikat Bau, Bauhandwerk und Metallkonstruktionen gesprochen.

Die Baupreise in Luxemburg sind in den letzten Monaten explodiert. Wer einen Blick auf den Baupreisindex des Statec wagt, muss schlucken. Dieser zeigt die Entwicklung der Preise für Wohn- und Halbwohngebäude (Wohnungen und Betriebsfläche) in Luxemburg auf. Wuchs der Index in den vergangenen Jahrzehnten unter 5 Prozent pro Jahr an, ging es 2021 dann abrupt um 7,3 Prozent in die Höhe. 2022 sind die Preise sogar um 13,9 Prozent angestiegen. Einen solchen Anstieg hat Luxemburg seit April 1975 nicht mehr verzeichnet. 

Doch woher kommt der plötzliche Preisanstieg? Laut Norry Dondelinger von der Handwerkskammer sind es mehrere Faktoren, die mitspielen. Dazu zählen die stets hohe Nachfrage nach verfügbarem Wohnraum in Luxemburg. Aber auch die steigenden Kosten für die Baufirmen. Durch die Pandemie und die Lieferkettenschwierigkeiten seien einige Materialien weniger verfügbar gewesen, gleichzeitig sei mit dem Ende der Lockdowns die Nachfrage wieder abrupt angestiegen, „nicht nur in Luxemburg, sondern weltweit“. Das habe die Preise von wichtigen Rohstoffen stark in die Höhe getrieben. Als Beispiel: Die Holzpreise seien im Vergleich mit Januar 2020 um 93 Prozent angestiegen. Bei Stahlmatten wurde ein Plus von 81 Prozent verzeichnet. Die Lieferkettenprobleme würden bis heute anhalten, „was dazuführt, dass die Waren einfach nicht schnell genug geliefert werden“ und Projekte so sogar in Verzug kommen können.

Dazu kommen nun seit einigen Monaten die steigenden Energiepreise. Im Vergleich zu Januar 2020 kosten flüssige Kraft- und Brennstoffe mittlerweile fast das Doppelte (plus 93 Prozent), der Gaspreis wiederum ist bisher um 48 Prozent gestiegen. „Das bedeutet für die Betriebe indirekte Kosten, zum Beispiel bei energieintensiven Materialien wie Glas oder Stahl. Außerdem wird der Transport der Materialien auf die Baustellen in Luxemburg teurer“, erklärt Dondelinger. Viele der Baubetriebe in Luxemburg betreiben einen Fuhrpark mit etlichen kleinen und größeren Fahrzeugen. Steigen die Benzinpreise, heißt das, dass auch diese Kosten steigen. 

Sorgen um Benzinpreise

„Die Situation macht uns schon Sorgen und Probleme. Wir brauchen den Sprit zwangsläufig für unsere LKW und Bagger, und die Preissteigerungen können wir in der Höhe auch irgendwann nicht mehr an den Kunden weitergeben“, erklärt Viviane Bonaria-Pundel, Geschäftsführerin des Escher Bauunternehmens Bonaria et Fils, am Mittwoch im Gespräch mit dem Tageblatt. Die Lastwagen und Bagger hätten jeweils Sprittanks mit einem Fassungsvermögen von 400 Litern. Ein vollbeladener Lkw verbraucht im Durchschnitt etwa 30 bis 40 Liter pro 100 Kilometer. Pendelt ein Lkw den ganzen Tag zwischen der Baustelle und dem Abladeort hin und her, kommen schnell etliche hundert Kilometer zusammen. Doch: „Ohne diese Fahrzeuge geht es nicht, dann steht unsere Arbeit still, wir haben also momentan keine Alternative, als diese Preise fürs Tanken zu zahlen.“

Ein Umsteigen auf Elektromobilität ist für den Bausektor derzeit nur schwer möglich. Während andere Firmen beispielsweise von Diesel- oder Benzinlimousinen auf Elektroautos umschwenken könnten, sei das für Lastwagen oder Bagger momentan nicht realistisch, erklärt Bonaria-Pundel. Auch Dondelinger bestätigt die Aussage, dass Elektromobilität im Bausektor noch in den Kinderschuhen steckt. Bisher sei in Luxemburg nur ein einziger elektrisch betriebener Lkw im Einsatz.

Selbst wenn dieser Schritt einmal angedacht sei, sei ein enormer Aufwand nötig, um die nötige Infrastruktur an Lademöglichkeiten für die großen Fahrzeuge aufzubauen, was wiederum seine Zeit dauern würde, erklärt Bonaria-Pundel. „Elektromobilität wird auch im Bausektor sicher weitergetrieben werden. Doch man kann das nicht mit der Brechstange durchsetzen. Es braucht einfach seine Zeit“, sagt Dondelinger. 

Im Bausektor fehlen zu viele Arbeitskräfte – da sind sich alle Gesprächspartner einig
Im Bausektor fehlen zu viele Arbeitskräfte – da sind sich alle Gesprächspartner einig Foto: Editpress/Didier Sylvestre

Streit um die Indextranchen

Laut den jüngsten Statec-Prognosen könnte noch in diesem Jahr eine weitere Indextranche fallen: „Aus den Berechnungen geht hervor, dass eine nächste Indextranche im vierten Quartal 2022 ausgelöst würde“, schreibt die Behörde in einer Pressemitteilung vergangene Woche. 2023 könnte sogar eine weitere Indextranche auf die Betriebe zukommen – und die durch die Tripartite „verschobene“ Indextranche von diesem Jahr wäre im April 2023 fällig. Sollten die Prognosen des Statec sich im September bei einer neuen Berechnung bestätigen, will Premierminister Xavier Bettel eine weitere Tripartite einberufen. 

Dass die Fronten sich bereits verhärten, wird auch in den Gesprächen am Dienstag und Mittwoch klar. Mögliche zwei oder drei Indextranchen innerhalb eines Jahres seien für ihr Unternehmen gar nicht zu stemmen – und das gelte für viele Firmen in Luxemburg, sagt Firmenchefin Bonaria-Pundel im Gespräch. „Wir sind da kein Einzelfall, jeder hat ja die gleichen Probleme.“ Roland Kuhn, Präsident der „Fédération des entreprises de construction et de génie civil“, sagt dies im RTL-Interview am 29. Juli fast wortwörtlich ebenso. „Eine Indextranche bedeutet für eine Baufirma von 250 Angestellten das Gleiche, als würde man von heute auf morgen sechs bis sieben weitere Leute einstellen“, so Kuhn. 

Das sind Aussagen, die Jean-Luc De Matteis vom OGBL-Syndikat Bau, Bauhandwerk und Metallkonstruktionen so nicht gelten lässt. Viele der bisherigen Kosten würden die Unternehmen bisher „eins zu eins“ an die Kunden weitergeben. „Das Konstruktionshandwerk ist ein Sektor, der die letzten 15 Jahre sehr gut funktioniert hat und wo die Auftragsbücher gut gefüllt sind.“ Im Vergleich mit dem Index hätten sich die Löhne im Bausektor sehr viel langsamer entwickelt. Es dürfe also keine Indexmanipulation geben. Die Kaufkraft der Leute muss erhalten werden. 

Außerdem würden die niedrigen Löhne dazu führen, dass weniger Menschen im Bausektor eine Arbeit suchen. Es würden massenhaft Leute im Gewerbe fehlen. Nicht nur qualifizierte Mitarbeiter – auch unqualifizierte, die die Firmen anlernen könnten. Würde der Sektor nicht genug Anreize bieten, würden gerade junge Menschen diese Berufe auch nicht ergreifen wollen. Der Mangel sei mittlerweile so groß, dass die Unternehmen, laut De Matteis, sich sogar gegenseitig die Mitarbeiter abwerben. Eine Art „Kannibalismus-Effekt“. Vor dem Mangel an Arbeitskräften warne man als Gewerkschaft schon seit Jahren, so De Matteis. Es sei eines der dringendsten Probleme des Sektors. Da stimmen auch Handwerkskammer und die Unternehmerin Bonaria-Pundel zu. 

Mehrkosten für die Kunden

Norry Dondelinger von der Handwerkskammer widerspricht allerdings De Matteis Darstellung, die Unternehmen würden die Mehrkosten bisher komplett an die Kunden weitergeben. Die meisten würden nach einer 50/50-Lösung suchen. Doch komplett auf die eigene Kappe könnten die Baufirmen die Kosten nicht nehmen. Ob bereits Kunden aus Projekten ausgestiegen oder in Zahlungsrückstand geraten sind, weiß der Experte der Handelskammer nicht. Doch aus dem Feedback des Sektors ginge hervor, dass viele Kunden aktuell sehr zurückhaltend sind. Also beispielsweise einen Devis anfragen, sich aber wegen der steigenden Kosten entscheiden, die Arbeiten nicht anzugehen, sondern erst einmal abzuwarten. „Das ist auch ein Problem, das wir fürchten“, sagt Dondelinger. Aktuell seien die Auftragsbücher gut gefüllt, doch ob das auch so bleiben wird, sei unsicher. 

Wird die öffentliche Hand weiter intensiv investieren?
Wird die öffentliche Hand weiter intensiv investieren? Foto: Editpress/Julien Garroy

„Ich kann nachvollziehen, dass Privatkunden es sich vielleicht zweimal überlegen, ob sie bei den erhöhten Baustoff- und auch anderen Preisen derzeit bauen wollen oder sich noch Zeit lassen“, sagt die Escher Unternehmerin Bonaria Pundel. Noch sei es bei Bonaria et Fils zu keinen Einbrüchen in der Auftragslage gekommen, doch vorauszusehen, ob das auch so bleibt, sei schwierig. „Wir befinden uns in einer Lage, die keiner von uns kennt und die wir noch nie in dieser Form hatten. Wir können nur versuchen, das Beste daraus zu machen und uns immer wieder anzupassen, so gut es eben geht.“

Eine gewisse Zögerlichkeit könnte sich auch in den öffentlichen Investitionen niederschlagen, würde die Preisspirale so weiterdrehen, befürchtet Dondelinger. „Wenn Projekte nun deutlich teurer werden, als eigentlich im Budget vorgesehen, kann es sein, dass andere geplante Projekte entweder wegfallen, verschoben oder über einen längeren Zeitrahmen gestreckt werden.“ 

Zinserhöhung drückt Nachfrage?

Die Zentralbanken weltweit haben in den vergangenen Wochen auch den Leitzins in die Höhe gesetzt. Ein Signal an die Banken, die nun auch die Zinsen nach oben setzen. Die Zinserhöhungen sollen, laut fast jedem Lehrbuch der Wirtschaft, für geringeren Konsum sorgen und somit das Wirtschaftswachstum verlangsamen. So würde die Inflation, die die Preise aktuell so in die Höhe schraubt, wieder fallen. Für die Privatkunden bedeutet dies: Die Kredite, die sie bei den Banken für Bauprojekte aufnehmen, werden teurer. Das kann oder will sich wiederum nicht jeder leisten – und die Nachfrage nimmt ab. So zumindest in der Theorie. 

„Ob das im Luxemburger Bausektor auch so sein wird, bleibt abzuwarten“, sagt Norry Dondelinger. Denn durch den stetigen Zuwachs und die eh angespannte Lage auf dem Immobilienmarkt bleibe die Nachfrage an neuen Wohnungen sehr hoch. „Ich weiß nicht, welchen Effekt das auf die Privatkunden haben wird“, sagt De Matteis vom OGBL. Doch auch er glaube nicht, dass die Inflation, die steigenden Baukosten und die Zinserhöhung den Bausektor in Luxemburg groß ausbremsen wird. „Wir brauchen dringend Wohnungen. Nun stellt sich eben die Frage: Wer baut diese?“ Auf dem Luxemburger Markt seien viele Bauunternehmer unterwegs, die insbesondere in Apartmentgebäude investieren, wo die meisten Wohnungen später vermietet werden. „Damit riskieren wir, dass immer mehr Menschen nur zur Miete wohnen und sich keine Eigenwohnung leisten können“, sagt De Matteis. Wie die Investoren und Bauunternehmer in den kommenden Monaten auf die hohen Baupreise und die Zinserhöhungen reagieren, müsse man erst noch abwarten, meint Dondelinger. 

Er geht aber davon aus, dass durch die Zinserhöhung in den kommenden Jahren der rapide Anstieg der Wohnungspreise in Luxemburg verlangsamt wird. „Es wird wohl noch ansteigen, aber nicht mehr in dem Maße, das wir in den letzten zwei Jahren beobachtet haben.“ 

De Matteis sorgt sich wiederum um den Effekt, der eine mögliche Zinserhöhung auf die Kunden haben wird, die bereits Schulden gemacht haben. Werden diese, neben den durch die Inflation stark ansteigenden Lebenskosten, die zusätzlichen Zinsen noch zahlen können? 

Klaudio
12. August 2022 - 11.13

Insolvenz und Bankrott ist voraus gesagt.

Jolo
11. August 2022 - 15.44

Die Frage ist ob die Baufirmen auch bereits notariell abgeschlossene Bauverträge zu ihren Gunsten ändern können. Also Preise nach Abschluss des Vertrags einseitig erhöhen und sich dabei auf die "schwierige Lage" berufen. Solche Fälle gibt es sehr konkret.. wenn das Schule macht, weiss der Kunde absolut nicht, worauf er sich bei Vertragsabschluss einlässt!