LuxemburgDer Ombudsmann für Kinder und Jugendliche zur geplanten Reform des Jugendschutzes

Luxemburg / Der Ombudsmann für Kinder und Jugendliche zur geplanten Reform des Jugendschutzes
Charel Schmit, Ombudsmann für Kinder und Jugendliche Foto: Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

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Die Neugestaltung des Jugendschutzes ist eines der Versprechen des Koalitionsabkommens der jetzigen Regierung. Drei diesbezügliche Gesetzesentwürfe liegen nun vor, zu denen der Ombudsmann für Kinder und Jugendliche („Okaju“) Stellung nahm. Gut, aber verbesserungsfähig, so könnte man dessen Urteil zusammenfassen.

Im Koalitionsabkommen angekündigt, doch noch immer nicht umgesetzt, wurde die Reform des Jugendschutzes. Falls es nicht in dieser Legislaturperiode gelingen sollte, sei es ein Schlag ins Gesicht all derer, die lange dafür gearbeitet haben, meinte Charel Schmit, Ombudsmann für Kinder und Jugendliche, am Mittwochmorgen vor der Presse.  „Es ist eine wichtige Reform, auf die wir lange gewartet haben.“ Es sei ein wahrer Paradigmenwechsel, da jetzt endlich das Kind und seine Rechte in den Mittelpunkt gestellt werden.

Die Neugestaltung des Jugendschutzes mündete in drei Gesetzentwürfe. Es geht dabei um die Schaffung eines Strafrechts für Minderjährige, den Schutz von minderjährigen Zeugen und Opfern sowie um die Hilfe, die Unterstützung und den Schutz von Minderjährigen und Familien. Doch zu vielen positiven Neuerungen gesellt sich so manches, womit der „Okaju“ nicht einverstanden ist.

So begrüßt er grundsätzlich, dass Luxemburg nun ein spezielles Strafrechtsverfahren für Minderjährige einführt; das aktuelle System sieht keine klaren Regeln vor, was z.B. die Inhaftierung von Minderjährigen betrifft; so ist dafür z.B. kein Mindestalter festgelegt. Die UN-Kinderrechtskonvention schreibt jedoch vor, dass die Vertragsstaaten „ein Mindestalter festlegen, das ein Kind erreicht haben muss, um als strafmündig angesehen zu werden“. Dass dieses jetzt auf 13 Jahre festgelegt werden soll, sei inakzeptabel.

Wahlrecht nein, strafmündig ja

„Wir trauen den Jugendlichen nicht genug Reife zu, damit sie mit 16 Jahren wählen gehen, aber wir sind bereit, sie mit 13 ins Gefängnis zu stecken“, fasst Schmit den Widerspruch zusammen. Er plädiert dafür, dieses Mindestalter auf 16 Jahre festzulegen. Falls der Gesetzgeber sich trotzdem für ein Alter unter 16 Jahren entscheidet, solle eine Inhaftierung allerdings erst ab 16 Jahren möglich sein. Der Freiheitsentzug müsse stets das letzte Mittel bleiben.

Die sogenannte „Diversion“ müsse in Strafverfahren gegen Minderjährige die Regel werden, und das in jeder Phase. Diversion bedeutet auf Deutsch „Umleitung“, d.h. ein Strafverfahren wird „um das Gericht herum umgeleitet“: Statt dass der Richter die Sache verhandelt, werden andere Maßnahmen wie z.B. Arbeit im Dienst der Allgemeinheit oder eine Therapie angeordnet. Das würde auch die Entsozialisierung der Betroffenen und einen Eintrag ins Strafregister mit allen Konsequenzen vermeiden. Der Gesetzentwurf sieht des Weiteren eine Inhaftierung von maximal einem Jahr vor; das UN-Komitee für Kinderrechte empfiehlt jedoch höchstens sechs Monate. Die aktuellen Einrichtungen, in denen Jugendliche und Kinder eingesperrt würden, seien zudem unzureichend, und es sei nicht klar, wie sie ausgebaut würden.

Eine wichtige Neuerung, die der Ombudsmann für Kinder und Jugendliche begrüßt, ist, dass das Kind das Recht erhält, seinen Anwalt frei zu wählen.

Ein fairer Prozess basiert für jeden Menschen auf Transparenz, was für Kinder nicht anders ist. Sie sollen Zugang zu allen Informationen in einer kindergerechten Sprache erhalten. Alle Prozessbeteiligten, die im Kontakt mit den Kindern stehen, müssen dahingehend ausgebildet sein.  Der „Okaju“ bedauert jedoch, dass die seiner Auffassung nach notwendige Zusammenarbeit aller Beteiligten bei einem Prozess nicht institutionalisiert wird, was in der Praxis zu Inkohärenzen führen könnte.

Schutz für minderjährige Opfer

Der Ombudsmann fordert, dass Verhöre mit Minderjährigen altersgerecht durchgeführt werden und vor allem von speziell dazu ausgebildeten Beamten, ebenso solle der Gesetzgeber darauf achten, dass in Fällen von häuslicher Gewalt und insbesondere sexuellem Missbrauch die Verhöre nicht im Beisein eines Verwandten stattfinden, der in engem Kontakt mit dem Täter steht. In diesem Zusammenhang bedauert Schmit, dass die Regierung die Idee des „Barnahus“ (s.Kasten) offensichtlich fallen gelassen hat, ein Konzept, dessen Ziel es ist, die Zahl der Befragungen im Strafverfahren zu minimieren.

Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass jede Person, die Kenntnis hat von einem Verbrechen oder Vergehen gegenüber einem Kind, dies auch anzeigen muss („obligation de dénonciation“). Das könnte aber dazu führen, dass Personen, die keine Erfahrung im Umgang mit Kindern besitzen, aus Angst vor einer Bestrafung, etwas anzeigten, das eher in die Kategorie der „informations préoccupantes“ fiele, die im dritten Gesetzentwurf bezüglich des Schutzes von Minderjährigen und Familien vorgesehen ist. Dies sieht vor, dass jeder, der mit Kindern arbeitet, jede Situation, die ein Kind gefährdet, bei einer speziellen Dienststelle, der CRIP („Cellule de recueil d’informations préoccupantes“) melden kann. Die zwei Bestimmungen müssten besser aufeinander abgestimmt werden.

Allgemein fehle dem Text eine kohärente Herangehensweise bezüglich der Rechte des Kindes. Viele Artikel setzen noch ein Recht der Erwachsenen auf ihre Kinder voraus (wie z.B. Besuchsrecht), ohne die Frage nach dem übergeordneten Interesse des Kindes zu stellen.

„Barnahus“

Barnahus ist ein Konzept aus den skandinavischen Ländern. Es handelt sich dabei um Einrichtungen, in denen Vertreter verschiedener Institutionen zusammenkommen, um Maßnahmen der Strafverfolgung und des Kinderschutzes zu bündeln.  Ziel ist es, die Zahl der Befragungen im Strafverfahren zu minimieren.

Allen Barnahus-Einrichtungen ist gemeinsam:

• ein kindgerechter Umgang;
• ein umfassendes Angebot „unter einem Dach“;
•  eine multidisziplinäre Kooperation;
• die Vermeidung von Retraumatisierungen;
• das Herstellen eines „sicheren Orts“

Quelle: www.gewaltinfo.at