Tourismus„Ballermänner“, Pegelstände und Kanufahren

Tourismus / „Ballermänner“, Pegelstände und Kanufahren
 Foto: Editpress/Anne Lommel

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Die Sache mit dem Kanufahren auf der Sauer ist merkwürdig. Offiziell ist es schon seit Jahrzehnten zwischen dem 15. Juli und dem 1. Oktober auf der luxemburgischen Seite verboten. Das betrifft die Hauptsaison. Dennoch bewirbt „Visit Luxembourg“ den Freizeitsport auf seiner Webseite. Neue Regeln sollen zukünftig Klarheit bringen, stoßen aber auf Widerstand.

Gerade war eine Schulklasse aus Düdelingen da. Natur mit viel Grün und das Spiel mit dem Wasser haben die Kinder auf der zweistündigen Tour von Dillingen bis Echternach Corona vergessen lassen. „Das ist immer das Schönste“, sagt Gil Wies (32). „20 glückliche Kinder anschließend.“

2019 hat er den Kanuverleih auf dem elterlichen Camping Wies-Neu übernommen. 100 Boote liegen auf dem Rasen am Ufer der Sauer. Gruppen, Vereine, Unternehmen oder Touristen nutzen das Angebot. Viele kommen sogar extra deswegen, obwohl es seit 1994 zwangsläufig ein grenzüberscheitendes Geschäft ist.

Seitdem zwingt das Gesetz die luxemburgischen Verleiher ab dem 16. Juli wegen des ab dann geltenden Verbots, jedes Jahr auf die deutsche Seite des Flusses umzuziehen. Das Gewässer steht unter den Hoheitsrechten von Deutschland und Luxemburg, genau wie die Mosel. Deswegen wurde die jüngste Initiative für eine länderübergreifende, einheitliche Regelung erst einmal von allen begrüßt.

Regeln zum Pegelstand sind kontraproduktiv 

Was allerdings dabei herausgekommen ist, klingt in den Ohren vieler bedenklich. Die neue Regelung sieht ein weiteres Fahrverbot zwischen dem 1. März und dem 15. Juni wegen der Laichzeiten der Fische und Brutzeiten der Vögel an den Ufern vor. Ausnahmen sind das „Pfingstwochenende und der Feiertag Christi Himmelfahrt“, wie das Umweltministerium mitteilt.

„Damit können wir noch leben“, sagt Wies und spricht für sich und seine Kollegen. Nicht leben können die Touristiker hingegen mit dem drohenden Fahrverbot ab einem Pegelstand der Sauer unter 56 Zentimetern. „Dann kann ich hier im Sommer einpacken“, sagt Wies. „Ganz abgesehen davon, dass ich nicht planen kann.“ Unter den Umständen Reservierungen für den Freizeitsport anzunehmen, ist unmöglich. 

Der Kanuverleiher beruft sich auf ihm vorliegende Statistiken der Pegelstände aus den letzten Jahren. Demnach lag der Wasserstand der Sauer im August meistens unter 56 Zentimetern. Das Umweltministerium spricht in seiner Antwort auf die schriftliche Anfrage des Tageblatt von „fünf bis zehn Tagen“ pro Jahr, an denen das der Fall sei.

Bodenberührungen nur an wenigen Stellen möglich

Die Begründung für die Regel ist der Schutz des Bachbetts. Bei Niedrigwasser sei dieser durch „Grundberührungen durch Wasserfahrzeuge und Paddel“ nicht mehr gegeben, schreibt das Ministerium. Wies, der die 12 Kilometer lange Strecke zwischen Dillingen und Echternach sehr gut kennt, behauptet anderes.

Bodenberührungen seien lediglich auf insgesamt 50 Metern der Strecke überhaupt möglich. „Das steht doch in gar keinem Verhältnis, abgesehen davon, dass Kanufahrer es vermeiden, mit ihren Paddeln an den Boden zu kommen“, argumentiert er und führt noch andere Gründe an.

Die strukturschwache Region lebt vom Magneten „Kanufahren“. „Die Hotels hier werben mit Fotos von Kanufahrern auf ihrer Webseite“, sagt Wies. „Wenn es so stark reglementiert wird, macht das keinen Sinn.“ Er ist am Ufer der Sauer im Campingbetrieb seiner Eltern aufgewachsen. Ihn beschleicht eine Ahnung, wie sich die neuen Regeln anfühlen, sollten sie so vom Parlament verabschiedet werden. „Das wirkt sich in der Hochsaison ab 2022 so aus, als würde man Wanderern im Müllerthal zur gleichen Zeit sagen, ihr dürft nicht mehr zum Schießentümpel“, sagt er. Es gibt aber noch grundsätzlichere Kritik. Die neuen Regeln basieren auf einer Studie der Grenzfischereikommission.

Angler machen Druck

„Das ist nicht neutral“, sagt Wies. „Da kann man schon eine gewisse Befangenheit unterstellen.“ Das Umweltministerium attestiert der Sauer, dass „die typischen Fischarten (…) überwiegend in ihrem Bestand gefährdet und besonders schutzbedürftig sind“. Deshalb „ist während dieser Zeit eine Vermeidung bzw. Minimierung von Störeinflüssen durch Bootsverkehr erforderlich“, heißt es in der Antwort auf Fragen zum Thema.

Wies hält dem entgegen, dass nicht die Kanufahrer die Fischbestände gefährdeten, sondern invasive Arten wie Kormoran und Schwarzmeergrundel. „Sie fressen die Laiche und werden in der Studie gar nicht erwähnt“, wundert sich der Kanuverleiher, der den Anglern wider Willen ein Kompliment macht. „Sie machen seit Jahren richtig Druck gegen das Kanufahren“, sagt Wies.

Dieter Jakobs (62), der gerade auf dem Camping angekommen ist, bestätigt die historische „Gegnerschaft“ zwischen Anglern und Kanuten. „Das Verhältnis ist schon immer nicht das Beste“, sagt der gebürtige Saarländer, der auf der Sauer an diesem Wochenende Kanufahren will.

Kanufahrer sind naturverbunden

Er ist einer von vielen Deutschen, die es zurzeit wegen der geschlossenen Plätze im Nachbarland nach Luxemburg zieht. Kanufahren ist seit 35 Jahren sein Hobby. Anfangs waren es noch Wildwasser wie im Grand Canyon, an der Soča in Slowenien oder dem oberen Inn in Deutschland. Jakobs kennt die Szene weltweit und ist unter Eingefleischten selbst bekannt wie ein bunter Hund.

„Kanufahrer lassen nichts in der Natur liegen“, sagt er. „Sie sind wegen der Natur auf dem Wasser unterwegs.“ Sie sind in seiner mehr als drei Jahrzehnte währenden Beobachtung die Mehrheit. Ausreißer gibt es natürlich. „Die ärgern mich genauso wie alle anderen“, sagt Jakobs. Touristiker Wies beziffert den Anteil der „Ballermänner“ an der Sauer mit ein bis zwei Prozent seiner Klientel. 

Unter diesen Umständen und der Tatsache, dass die Verleiher an der Sauer nun ebenfalls Druck machen, wird es spannend, wie die Chamber letztendlich entscheidet. „Dieses Projekt wird nun in das Gesetzgebungsverfahren aufgenommen und dem Staatsrat zur Stellungnahme vorgelegt“, schreibt das Umweltministerium zum Stand der Dinge.

An der ganzen Diskussion zeigt sich, dass es offenbar eine Herkulesaufgabe ist, Naturschutz und sogar naturverbundenen Tourismus unter einen Hut zu bringen. Ein intakte Natur wollen alle. Wie das zu erreichen ist, entwickelt sich mehr und mehr zur Streitfrage – nicht nur in Luxemburg.

Die Sauer zwischen Deutschland und Luxemburg

Die Sauer ist gemäß dem Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg über den Verlauf der gemeinsamen Staatsgrenze vom 19.12.1984 ein gemeinschaftliches deutsch-luxemburgisches Hoheitsgebiet (Kondominium). „Dies bedeutet, dass die gleichen Regelungen in Luxemburg und in Deutschland gelten müssen. Die vorgeschlagenen Änderungen wurden daher gemeinsam zwischen den deutschen und den luxemburgischen Behörden vereinbart“, heißt es aus dem Umweltministerium.

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HTK
11. Mai 2021 - 9.54

"„Das steht doch in gar keinem Verhältnis, abgesehen davon, dass Kanufahrer es vermeiden, mit ihren Paddeln an den Boden zu kommen“, ...und wie soll das gehen wenn nur 10 cm Wasser unter dem Kiel sind? Davon abgesehen sind Touristen welche sich die Sauer hinuntertreiben lassen keine "Kanuten". Sie sitzen in einem Boot,oft zum ersten Mal,und schlagen mit dem Paddel um sich weil sie das Boot nicht auf Linie behalten.Echte Kanuten steigen nicht ins Boot wenn der Bach kein Wasser führt. Es ist doch einfach so,dass wer meint eine Marktlücke entdeckt zu haben,nicht einfach loslegen kann ohne Rücksicht auf Verluste. Dass Kormoran und Grundel herhalten müssen um diesen Paddelzirkus zu legitimieren ist auch fragwürdig,frei nach dem Motto: "Der Kormoran frisst eh die Fische,also kann ich auch meine Boote zu Wasser lassen." Aber ein Vorschlag: Wie wär's mit einer Fahrt zwischen Echternach und Rosport? Da gibt's Wasser reichlich wegen des Stauwerks in Rosport. Aber da wird wohl der Wasserski-Klub auf die Barrikaden gehen wenn hunderte Boote dort landen.Ob Everest oder Untersauer. Die Masse macht's.Wie so oft.