Auf den Punkt mit … Gerard Jeitz (US Rümelingen)

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Vereinstreue, Schnauzbart und Spaßfaktor: Der Präsident und derzeitige Trainer der US Rümelingen, Gérard Jeitz, hat klare Ansichten, was Fußball und Lebenseinstellungen angeht.

Tageblatt: Haben Sie letzte Woche lange nach Pfeife und Stoppuhr suchen müssen?

Gérard Jeitz: Ich habe zwar in der Hektik danach gesucht, aber nichts gefunden. Es ist eine Umstellung, anfangs mit etwas Panik verbunden. Fußballschuhe besitze ich nicht mehr – und werde mir auch keine zulegen. Am Verhältnis zu den Spielern hat sich nichts verändert, sie begrüßen mich noch immer mit „Bonjour, Prési“.

Rümelingen ist ein Familienbetrieb, das birgt sicherlich Konfliktpotenzial am heimischen Frühstückstisch?

Effektiv. Neuerdings ist mein Sohn in der Marketingmannschaft vertreten, meine Frau ist Kassiererin und kümmert sich um Organisatorisches. Trotz meiner Erfahrung kommen immer mal wieder Gegenargumente auf. Nicht direkt über die Aufstellung, sondern beispielsweise über Charaktere.

Wie hat Ihre Frau Ihre Entscheidung, den Trainerposten bis Saisonende zu übernehmen, aufgenommen?

Eine halbe Stunde vor dem Trainingsbeginn musste eine Lösung her. Ich habe breite Schultern und keine persönlichen Ambitionen. Meiner Meinung nach hat es sie wohl nicht überrascht, immerhin kennt sie mich ja schon länger.

Sie sind ebenfalls Schriftführer der LFL. Liegt Ihnen diese Liga am Herzen?

Ich bin ein fußballverbundener Mensch. Ich habe mit 16 Jahren mein Debüt in der ersten Mannschaft gegeben, das ist fast 43 Jahre her. Es ist ein persönliches Interesse, dazu beizutragen, dass der Fußball in die richtige Richtung geht. Es ist wie überall: Man braucht Leute, die sich dafür hergeben. Wenn ich nur drei, vier Stunden am Tag schlafe, dann muss das ausreichen.

Sie haben immer erklärt, dass Rümelingen eine Fahrstuhlmannschaft ist. Lässt es sich mit dieser Erkenntnis besser leben?

Sicherlich. Wir sind wahrscheinlich einer der wenigen Vereine, die vor fünf Jahren einen hauptamtlichen Trainer im Jugendbereich eingestellt haben. Man könnte auch jemandem 300 Euro pro Monat geben, aber wir wollten einen andern Weg gehen. Letztes Jahr haben wir bereits Jugendliche in die erste Mannschaft integriert und sind aufgestiegen. Dementsprechend haben wir uns auch in der BGL Ligue verhalten, denn wir können es uns nicht erlauben, zehn Spieler zu verpflichten. Wir wissen, dass wir nie Meister werden. Trotzdem haben wir es in den letzten 30 Jahren immer geschafft, eine wettbewerbsfähige Mannschaft zusammenzustellen. Ein Abstieg ist kein Beinbruch, wir werden auch im nächsten Jahr noch eine gute Elf zusammenbekommen.

Was lässt sich einfacher dirigieren: 75 Angestellte bei Ihrem Parkhaus-Unternehmen oder elf Fußballer?

Gute Frage … Die zwei Dinge haben Gemeinsamkeiten, denn es geht immer um Individualitäten. Wenn ich mich bei den 75 ausschließe, bleiben immer noch 74 Probleme. Auf dem Rasen sind es nur elf. Das eine ist allerdings professionell, das andere Sport. Ich bin überzeugt, dass Fußball ein Spaßfaktor sein muss. Deshalb sind mir die elf auch lieber.

Seit wann sind Sie offiziell ein Schnauzbartträger?

Also ich habe mich fast noch nie ohne gesehen, außer auf Kinderfotos. Ich kann mich allerdings daran erinnern, dass meine Mannschaft ihn mir während einer Aufstiegsfeier abrasiert hat. Sie haben mich in den Kabinen festgehalten und alles weggemacht. Das ist aber schon etliche Jahre her. Er ist halt nur etwas grauer als noch vor ein paar Jahren.

Sie waren im Laufe Ihrer Karriere beim 1:1 gegen Belgien und beim 1:1 gegen Portugal dabei. Welches ist die schönste Erinnerung?

Eines der größten Highlights war es, 1985 gegen Frankreich zu spielen. Es war der Auftakt der WM-Qualifikation, nachdem sie ein Jahr zuvor Europameister geworden waren. Im Parc des Princes gegen Platini und Co. vor 45.000 Menschen zu spielen, das ist eine außergewöhnliche Erinnerung. Und das sage ich, obwohl es aus unserer Sicht fußballerisch total null war. Man berührt während 90 Minuten keinen Ball und sieht immer nur die Ferse von Platini. Wenn ich mich nicht irre, haben wir 0:6 verloren. Platini hatte in der letzten Minute noch den Willen, zu treffen, als er den Ball über John van Rijswijck gehoben hatte, doch der Schiedsrichter entschied auf Abseits. Er hat sich fürchterlich aufgeregt. Da erlebte man hautnah, wie professionell dieser Typ war: Er wollte ein siebtes Tor. Mit der Union habe ich im Europapokal gegen Olympique Marseille gespielt. Bernard Tapie hat uns damals zufällig Getränke auf seinem Schiff, der Phocéa, spendiert. Internationale Begegnungen sind tolle Erfahrungen.


3 Fragen zum Wochenende

Passt die Aussage, dass man gegen den F91 nichts zu verlieren hat, noch immer?

Wir haben diese Woche nur dreimal statt viermal trainiert, um nicht zu hoch zu gewinnen (lacht).

Das Hinspiel endete 2:9. Wie schwer war es, darüber hinwegzukommen?

Das Resultat an sich störte mich nicht. Sieben unserer Leistungsträger fehlten, wir mussten mit einer sehr jungen Mannschaft antreten. Diese Jungs haben mir leidgetan, da einige noch lange daran zu knabbern hatten. Das ärgerte mich mehr.

Wie werden Sie am Sonntag versuchen, dagegenzuhalten?

Vielleicht werde ich auf eine alte Taktik meiner ersten Trainerstation zurückkommen. Meine Jungs hatten während ein paar Wochen wirklich nicht abgeliefert. In Düdelingen habe ich daraufhin in einem 2-4-4-System spielen lassen. Ich habe nur gesagt: „Jeder nimmt sich einen Gegenspieler. Seht zu, dass ihr damit zurechtkommt.“ Wir haben nur ein Gegentor kassiert, ehe wir in der Pause umgestellt haben. Ich wollte ja keine 20 bekommen. Das heißt nicht, dass ich es wiederholen werde …