Als die TICE-Tram noch mit Saft fuhr: Von 1927 bis 1953 hatte der Süden eine eigene Straßenbahn

Als die TICE-Tram noch mit Saft fuhr: Von 1927 bis 1953 hatte der Süden eine eigene Straßenbahn

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„Mär huelen den ‚Tiss‘ oder auch manchmal den ‚Tiitschee’“, sagt man heute, wenn man einen Bus der „Tramways intercommunaux du Canton d’Esch“ nimmt. Doch am Anfang fuhr das interkommunale Syndikat nicht mit Bussen, sondern mit der elektrischen Trambahn von einer Ortschaft des Südens zur anderen und auch innerhalb der Städte.

Von Roby Fleischhauer

„Jus“ nannten die „Tramsmännercher“ damals die elektrische Spannung, die die Trambahn durch die Oberleitung hindurch ins Rollen brachte. Die „Elektrische“ fuhr vom 1. Mai 1927 bis zum 4. Juli 1953. Ab diesem Datum verkehrten nur noch Autobusse. Die Statuten des interkommunalen Syndikates, das heißt des Zusammenschlusses der Gemeinden des Südens zwecks Betreibung einer Trambahn, wurden im Jahr 1913 veröffentlicht.

Das Syndikat nannte sich damals „Kommunalverband für den Bau und den Betrieb von Trambahnen im Kanton Esch an der Alzette“. Der Differdinger Gemeinderat gab am 3. März 1913 seine Zustimmung zu den Statuten mit den Bedingungen, dass der Pendelverkehr zwischen Niederkorn und Oberkorn als Lokalverkehr angesehen werden soll und dass Lasauvage ausgeklammert bleibt, was die Beteiligung an den Unkosten verminderte.

7.747 Meter Schiene

Differdingen wurde vom Escher Bahnhof aus angefahren, und zwar mit folgender Strecke: Esch – Beles – Oberkorn rue de Belvaux – avenue Charlotte – rue Dicks-Lentz – rue Emile Mark – avenue de la Liberté – Niederkorn durch die rue des Ecoles weiter über Biff, Petingen, bis zur Grenze in Rodange und mit einer Abzweigung nach Bascharage.

Die Lokallinie zweigte von der interkommunalen an der Kreuzung rue E. Mark/avenue de la Liberté (heute Fußgängerzone) ab und führte durch die Grand-rue – rue Roosevelt – rue de la Montagne in die avenue Charlotte und zurück in die interkommunale Linie. Differdingen hatte zu dem Zeitpunkt 7.747 Meter Schiene. Im März 1920 hatte das Syndikat die benötigten Grundstücke gekauft und die Überführung in Beles fertiggestellt. Nun konnten die Schienen verlegt werden. Sie wurden von der Rodanger Schmelz geliefert.

Ein historischer Tag

Es dauerte allerdings noch bis zum 29. Mai 1927, ehe das gesamte Schienennetz mit dem benötigten Rollmaterial feierlich eingeweiht werden konnte. Der Festakt fand in Esch statt. Man sprach von einem historischen Tag. Die Gemeinden des Südens würden jetzt enger zusammenrücken. Der Arbeiter könnten nun auf günstige Weise zu ihrer Arbeitsstätte gelangen. Sie könnten jetzt die düsteren Mietskasernen der Hochöfenstädte verlassen und sich draußen zwischen den Ortschaften ansiedeln und damit die Ortschaften aneinandergliedern, hoffte man.

Bereits am Vortag wurden unter den Klängen der Escher Stadtmusik drei Wagen gefüllt mit fröhlichen Fahrgästen über Beles, Differdingen und Bascharage nach Petingen geschickt. Die Triebwagen waren mit Tannenreisern und Fähnchen geschmückt, „was sich auf dem gelb-roten Untergrund gut ausnahm“, wie ein Zeitzeuge berichtete.

Feuchtfröhliche Feier

Bei der offiziellen Feier am 29. Mai, einem Sonntag, spielte die Differdinger Stadtmusik auf dem Vorplatz des Escher Rathauses, während sich die Notabilitäten drinnen versammelt hatten. Dort sprach unter anderen der Differdinger Bürgermeister Emile Mark als Präsident des Tramsyndikats. Er konnte dabei, wie das Tageblatt berichtete, „eine bei ihm nicht gerade häufige Erregung nicht verbergen“. „Wir heben heute ein Kind aus der Taufe, das wir sehnsüchtig erwartet und mit Schmerzen geboren haben“, führte er weiter aus. Er stellte die neue Straßenbahn in den Kontext der europäischen Bedeutung der Luxemburger Stahlindustrie.

Anschließend gab es im Saal Metropol ein ausgedehntes Festessen für die hohen Politiker, ehe sie sich „auf eine ständig fröhlichere Fahrt über Beles, Differdingen und Bascharage nach Petingen begaben“. Es schien tatsächlich eine sehr feuchtfröhliche Feier gewesen zu sein, wenn man dem damaligen Vorläufer des „Péckvillchen“, nämlich dem „Guckuck“, glauben kann. Hier war auch schon Albert Simon mit seiner spitzen Feder am Werk.

Abschüssige Strecke

Hier fuhr sie, wie gesagt, eine Schleife durch Großstraße – Roosevelt – Bergstraße zurück zur Hauptstrecke. Diese lokale Linie wurde jedoch 1931 bereits eingestellt. Viel Geschick vom Fahrer erforderte die abschüssige Strecke von Differdingen durch die enge Kurve am damaligen Spital hindurch zum Marktplatz in Niederkorn.

Am 24. Oktober 1941 km kam dann, was kommen musste: Der Triebwagen kippte mit dem Anhänger in der Kurve beim Spital um. Die Fahrgäste mussten per Leiter aus den Wagen befreit werden. Es gab lediglich einen Armbruch bei diesem spektakulären Umfall. Erst jetzt merkte man, dass sich die Gleise in der Kurve auch noch zur falschen Seite neigten. Kleinere Unfälle gab es immer wieder. Auf einem unserer Bilder ist zu sehen, wie sich ein Triebwagen mit zwei Lastwagen in der Bahnhofsstraße (heutige Fußgängerzone) anlegte.

Reger Gebrauch

Jedenfalls wurde damals vom öffentlichen Transport reger Gebrauch gemacht: Das Tageblatt schreibt am 9. Mai 1928 über die Differdinger Kirmes: „Das schöne Wetter hatte viele Fremde nach Differdingen gelockt und die Straßen waren am Sonntag mit Menschen dermaßen angefüllt, dass der Verkehr wirklich gehemmt war. Besonders der Tram brachte viele Fremde nach Differdingen.“

Eine Anekdote aus dem Krieg sollte man noch hinzufügen. Sie steht in dem sehr aufschlussreichen Buch „De Minettstram“ von Paul Bohnert, Raymond Dhur, Jules Eck und Prosper Rauen: Das übliche Schild mit der Aufschrift „il est défendu de parler au wattmann …“, das auch in der Hauptstadt beim Fahrerstand angebracht war, wurde im Krieg durch „Verboten mit dem Führer zu sprechen“ ersetzt. So trugen die „Tramsmännercher“ bei ihrer Umschulung in Traben-Trarbach beim Punkt „Berufsbezeichnung“ im Fragebogen „Führer“ ein.

Ende der Elektrischen

Differdingen hatte auch einen „Tramsschapp“, und zwar in der Max-Meier-Straße (heute: rue Emile Mark), dort, wo sich jetzt die Gemeindebetriebe befinden. Hier konnten vier Motorwagen untergebracht werden. Es gab auch einen kleinen Werkraum und einen Gleichrichter, der in Spitzenstunden für ausreichend „jus“ sorgte.

Hatte man anfangs noch geglaubt, die Gemeinden würden durch die Straßenbahn über neue Einnahmen verfügen, so stellte sich rasch heraus, dass das Tramsyndikat (wie auch heute noch) unter ständigem Geldmangel litt und ohne staatliche Hilfe nicht bestehen konnte. Allerdings sträubten sich die Syndikatsmitglieder immer gegen Fahrpreiserhöhungen. Die Trambahn sollte für jeden erschwinglich bleiben.

Nach dem Krieg rieten „Experten“ dem Syndikat immer dringlicher, die Elektrische durch beweglichere Busse zu ersetzen. So geschah es auch: Am 13. September 1949 wurde der Betrieb zwischen Differdingen-Bahnhof und Bascharage eingestellt und am 4. Juli 1953 kam das Aus für die Strecke Esch – Differdingen. Die Gleise in den Straßen der Stadt blieben noch jahrelang erhalten und befinden sich heute noch zum Teil unter dem Straßenbelag.

de Prolet
2. September 2019 - 16.04

Könnte man, in diesem konkreten Falle, die Zeit zurückdrehen und verkehrstechnisch wäre im Süden ein grosses Problem gelöst. Aber bei uns wird ja bekanntlich das Kind mit dem Bad ausgeschüttet.

n der Parad
1. September 2019 - 14.22

Tja,an dun huët den Tram deï sellechen Auto'en gehennert an huët onbedingt mussen ofgeschaaft gin.An elo get den Tram mat immensem Opwand an villen Käschten installeïert....daat heescht ,,gouverner c'est prévoir,,;oder ????