SchwedenHitlergruß der Sympathieträgerin – wie eine sozialdemokratische Ministerin ins Straucheln gerät

Schweden / Hitlergruß der Sympathieträgerin – wie eine sozialdemokratische Ministerin ins Straucheln gerät
Kaum im Amt, ist Schwedens neue Regierung bereits in Erklärungsnöten – Ministerin  Ida Karkiainen (2.v.r.) hat als Jugendliche den Hitlergruß gezeigt Foto: dpa/TT NEWS AGENCY/Soeren Andersson

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Wegen eines Hitlergrußes und einer Vorliebe für Rechtsrock gerät eine sozialdemokratische Ministerin in Schweden unter Druck – und die neue Regierung gleich mit in Turbulenzen. Die rechten Schwedendemokraten schlachten den Skandal derweil genüsslich aus.

Eine Jugendliche zeigt in einer Küche den Hitlergruß – nun, Jahre später, sorgt das Foto der kürzlich vereidigten schwedischen Verwaltungsministerin Ida Karkiainen für einen Skandal in Schweden. Die Frage: War das nur ein dummer Spaß oder eine Neonazi-Gesinnung?

„Ich kann mich nicht erinnern, eine solche Geste gemacht zu haben, wenn ich sie gemacht habe, dann in ironischer oder lächerlich machender Absicht“, sagt Ida Karkiainen am Dienstag vor der Presse. Doch nicht alle glauben der 33-jährigen Sozialdemokratin.

Der Fall ist brisant. Die neue sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Magdalena Andersson ist erst seit Ende November im Amt – und bereits unter Beschuss. Sie ist von der Tolerierung verschiedener Parteien abhängig, die eines eint – dass die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD), die drittstärkste Fraktion im Reichstag, keinen Einfluss auf die Regierungspolitik hat.

Eine Ministerin, bis vor kurzem noch als  Sympathieträgerin gehandelt, mit einer rechtsradikalen Vergangenheit stellt so ein großes Glaubwürdigkeitsproblem dar. Auch wenn sie nach eigener Einschätzung nur 15 bis 16 Jahre alt gewesen sei. Denn die Sozialdemokraten fordern bei einem rechtsradikalen Hintergrund eines Politikers stets seinen Ausschluss aus der Öffentlichkeit.

„Doppelmoral“, beschwert sich erwartungsgemäß Samtiden, die Parteizeitschrift der Schwedendemokraten. Die Partei wurde von Neonazigruppen gegründet, bemüht sich aber seit den 90ern um Seriosität. Das Foto publizierte bezeichnenderweise Nyheter Idag, ein ebenfalls den Rechten nahe stehendes Internetportal. Dabei wird auch auf den ehemaligen Freund von Karkiainen, Mattias „Buffalo Bill“ Lind, hingewiesen – damals wie heute Trommler bei der nationalistischen Metalband mit dem deutschen Namen „Raubtier“.

Sehr aktive Neonaziszene

Die Rocker aus dem nordschwedischen Harparanda tourten mit einem „Jägermeister“-Bus durch die Lande, auch hiervon gibt es Aufnahmen mit der künftigen Ministerin, die mit zwanzig Jahren den Sozialdemokraten beitrat und schnell in der Kommunalpolitik nach oben stieg.

Auch sollen nach einer Quelle bei deren Partys Lieder der Band „Pluton Svea“ gespielt worden sein, einer neonazistischen Band mit entsprechenden Texten. Ein wenig gab die Ministerin nun im öffentlich-rechtlichen Sender SVT zu, rechte Gruppen wie Ultima Thule gehört zu haben – die Hausband der Schwedendemokraten.

Schweden hat die aktivste Neonaziszene in Skandinavien, auf deren Konto mehrere politische Morde gehen. Offizielle Zahlen über die Mitglieder gibt es nicht. Der „Nordischen Widerstandsbewegung“, bekannt für uniformierte Aufmärsche, sollen 500 Personen angehören. Der Inlandsgeheimdienst Säpo spricht von einem Anwachsen der Gruppen.

Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers und Sozialdemokraten Ulf Bjerel „wird es nun schwerer für die Sozialdemokraten, die Schwedendemokraten für ihre Neonazi-Wurzeln zu kritisieren“.

Diese hoffen unter ihrem langjährigen Parteichef Jimmie Akesson schon lange auf einen Machteinfluss, der immer näher zu rücken scheint – die bürgerlichen Moderaten unter Ulf Kristersson und die kleineren „Christdemokraten“ unter Ebba Busch haben bereits im Sommer beschlossen, sich als Minderheit von den Rechten tolerieren zu lassen. Am Dienstagabend nannte Magdalena Andersson den Hitlergruß aus der Jugendzeit ihrer Ministerin eine „äußerst geschichtsvergessene und sehr unangemessene Geste“, sagte aber auch, dass sie keine Konsequenzen ziehen wolle.