Naher OstenIsrael nimmt Büros internationaler Medien unter Beschuss

Naher Osten / Israel nimmt Büros internationaler Medien unter Beschuss
Der katarische Fernsehsender Al-Dschasira berichtete live über die Zerstörung des Hochhauses, in dem der Sender und andere Medienunternehmen im Gazastreifen ihre Büros hatten Foto: Mahmud Hams/Pool/AFP/AP/dpa

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Büros internationaler Medien liegen in Schutt und Asche und es kursiert eine Falschmeldung über den Einsatz israelischer Bodentruppen: Das jüngste Aufflammen der Gewalt in Nahost birgt für Journalisten in dem Konfliktgebiet viele Herausforderungen und Gefahren. Beobachter sehen die unabhängige Berichterstattung bedroht.

Es begann am Samstagnachmittag, als der Eigentümer des 13-stöckigen Dschala-Turms im Gazastreifen einen besorgniserregenden Anruf erhielt: Der israelische Geheimdienst habe ihn gewarnt, dass das Hochhaus binnen einer Stunde evakuiert werden müsse, sagte Dschawad Mehdi. Wenig später wurde das Gebäude, in dem unter anderem die US-Nachrichtenagentur Associated Press (AP) und der katarische Fernsehsender Al-Dschasira ihre Büros haben, zum Ziel eines Luftangriffs.

In kürzester Zeit schafften die betroffenen Journalisten ihre Ausrüstung und die wichtigsten Habseligkeiten ins Freie. Dann wurde das Hochhaus von mehreren Raketen getroffen und zerstört. Al-Dschasira übertrug die Bilder von dem Luftangriff live. Es war eine riesige Staubwolke zu sehen, welche die Trümmer umhüllte.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verteidigte den Angriff am Sonntag. Demnach befanden sich in dem Hochhaus nicht nur Journalistenbüros, sondern auch militärische Anlagen des Geheimdienstes der radikalislamischen Hamas. „Es ist also ein völlig legitimes Ziel“, sagte Netanjahu dem TV-Sender CBS News.

Der Dschala-Turm ist nicht das erste Hochhaus im Gazastreifen, das die israelische Luftwaffe in den vergangenen Tagen als Vergeltung für Angriffe aus dem Palästinensergebiet bombardiert hat. Dennoch löste der Fall eine Welle der Empörung aus. Mehrere internationale Organisationen beschuldigten Israel, die Berichterstattung über den Gazastreifen behindern zu wollen. Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in New York forderte von Israels Regierung eine detaillierte Rechtfertigung für den Angriff.

Berichterstattung beeinträchtigen

„Dieser jüngste Angriff auf ein Gebäude, von dem Israel seit langem weiß, dass dort internationale Medien untergebracht sind, lässt den Verdacht aufkommen, dass die israelischen Verteidigungskräfte gezielt Medieneinrichtungen angreifen, um die Berichterstattung über das Leid der Menschen in Gaza zu beeinträchtigen“, sagte CPJ-Direktor Joel Simon.

Die deutsche Regierung erklärte am Montag, die journalistische Arbeit vor Ort sei in jedem Konfliktgebiet wichtig. „Wir vertrauen darauf, dass hier mit Augenmaß und Verhältnismäßigkeit agiert wird“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. US-Außenminister Antony Blinken forderte eine Rechtfertigung für den Angriff auf das Medienhaus. Israel habe „eine besondere Verantwortung“ für den Schutz von Zivilisten – Journalisten eingeschlossen. Die Menschenrechtsgruppe Amnesty International teilte bei Twitter mit, der Angriff müsse „als Kriegsverbrechen untersucht werden“.

Die Nachrichtenagentur AFP teilt ihre Reaktionsräume im Gazastreifen nun mit Kollegen von Al-Jazeera und AP, damit die Journalisten ihre Berichterstattung vor Ort fortsetzen können.

Wurden Medien missbraucht?

Erst am Donnerstag hatte eine von der israelischen Armee verbreitete Falschmeldung für Aufregung gesorgt. Mehrere ausländischen Korrespondenten erhielten eine Nachricht im Messenger-Dienst WhatsApp, in der es hieß, israelische Bodentruppen seien in den Gazastreifen eingedrungen. Reporter der AFP und mehrerer anderer Medien kontaktierten daraufhin Israels Armeesprecher Jonathan Conricus, der die Nachricht bestätigte. „Ja, unsere Truppen sind in Gaza“, erklärte er.

Zwei Stunden später widerrief die Armee ihre Aussage. Es habe sich um ein „internes Kommunikationsproblem“ gehandelt. Einige Journalisten vermuten jedoch, dass sie absichtlich in die Irre geleitet wurden. Örtliche Medien berichteten, dass die angebliche Bodenoffensive ein Trick der israelischen Armee gewesen sein könnte. Möglicherweise wurden Kämpfer der militanten Palästinensergruppen auf diese Weise in Tunnelsysteme gelockt, wo sie von Israel aus der Luft angegriffen wurden.

Israels Armee bestätigte am Freitag, dass bei ihrem nächtlichen Angriff auf den Gazastreifen ein Tunnelnetz der radikalislamischen Hamas getroffen worden sei. Wollte die Armee die Medien nutzen, um einen taktischen Sieg zu erringen? Die israelische Armee bestreitet dies. Sie betonte, es habe sich um einen „Fehler“ gehandelt.