EditorialDie psychologischen Folgen der Isolation

Editorial / Die psychologischen Folgen der Isolation
 Foto: dpa/Sebastian Gollnow

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Dänemark und Österreich werden die Eindämmungsmaßnahmen bezüglich Corona nach Ostern lockern. Wie lange es bei uns noch dauern wird, weiß bis dato noch niemand. Genauso interessant dürfte die Frage sein, wie lange sich eine Gesellschaft einsperren lässt. Der soziale Druck, sich den Bestimmungen zu widersetzen, wächst und es treten bereits vermehrt Stressreaktionen auf. So reagieren z.B. einige Menschen nach etwas mehr als drei Wochen sozialer Isolation deutlich gereizter in Situationen, in denen sie sonst gelassener sind: Nachbarn werden z.B. bei der Polizei gemeldet, weil sie eine Familienfeier veranstalten.

Die Freiluftmessen eines Diekircher Pfarrers kann man als Irrglauben – Gott werde sie beschützen – belächeln; man kann es aber auch als soziales „Dampf-Ablassen“ verstehen, als Reaktion gegen eine Medizin – die soziale Isolation –, über deren Folgen man zurzeit nur mutmaßen kann.

„Menschen essen mehr“, hieß es gestern in einem Artikel über eine Düdelinger Bäckerei. Das mag witzig klingen, doch ein verstärktes Hungergefühl ist auch eine bei Isolationshäftlingen beobachtete Stressreaktion. Das sind nur drei Beispiele, aber man muss sich die Frage stellen, ob auf lange Dauer die soziale Isolation, die zwar Menschenleben rettet, nicht gleichzeitig der psychischen Gesundheit der ganzen Gesellschaft schadet. Folgt auf die Überbelastung der Krankenhäuser ein Ansturm auf die Psychiater?

Während die Regierungen in den oben genannten Ländern offensichtlich optimistisch sind, ist eine Nachricht aus der Medizin-Fachzeitschrift The Lancet weniger erfreulich. Laut einer rezenten Studie anhand der Daten von 191 Corona-Erkrankten sei davon auszugehen, dass Infizierte weitaus länger ansteckend sind als bisher angenommen. Forscher haben herausgefunden, dass das Virus noch bis zu 37 Tage aktiv sein kann, nachdem die Krankheitssymptome bereits verschwunden sind. Welche Schlussfolgerungen bezüglich Quarantänedauer und Einschränkung der sozialen Kontakte nun daraus gezogen werden, ist noch unklar. Zurzeit liegt die empfohlene Isolationszeit nach Ansteckung bei 14 Tagen.

Auf der Website der Johns-Hopkins-Universität zeigt eine Grafik in Pyramidenform die effektivsten Methoden gegen eine Ansteckung mit dem Coronavirus. „Soziale Isolation“ wird dabei als wirksamste Maßnahme aufgeführt; persönliche Schutzmaßnahmen wie Masken rangieren ganz unten.

Alles schön und gut, wäre der Mensch nur ein physischer Körper, den es zu heilen gilt. Doch wir sind auch ein soziales Wesen; die wenigsten Menschen wählen freiwillig ein Leben als Einsiedler. Unter normalen Umständen wird soziale Isolation gemieden, die meisten Menschen empfinden Einsamkeit als unangenehm. Sich ein Wochenende zu Hause zu verkriechen, mag als Abschalten vom Büroalltag der Seele guttun; eine wochenlange Isolation kann allerdings psychische Schäden verursachen. Als soziales Wesen muss der Mensch mit anderen kommunizieren, doch dafür braucht es ein Gegenüber. Einsamkeit kann zu seelischen Schäden führen, die wiederum die physische Gesundheit beeinträchtigen.

Dr. Prof. Claus Vögele, Verhaltensforscher an der Universität Luxemburg, meinte bereits im Tageblatt-Interview vor einigen Wochen, dass wir unter ungünstigen Umständen infolge der Corona-Pandemie mit einem Anstieg psychischer Störungen rechnen müssen. Bei den Überlegungen über eine Lockerung bzw. eine Verlängerung der Einschränkungen sollten die möglichen psychischen Folgeschäden also nicht außer Acht gelassen werden.

Miette
14. April 2020 - 22.22

Ech soen hei emol all deenen leiwen Menschen, dei elo alleng an verzweifelt sin, einfach " Gudd Nuecht, dreemt schein an gleewt drun, et get erem alles besser"? Bleiwt all gesond❣❣❣

Miette
8. April 2020 - 21.57

Es ist für Mitmenschen, welche nicht das Glück wie ich es selbst habe; in einer guten Partnerschaft zu leben, nicht das Glück haben nun liebevollen fernen Kontakt zu Kindern, Geschwistern, Schwiegerfamilie ,Cousinen und unendlich lieben Freunden/Freundinnen zu haben. Viele Menschen haben das Glück nicht, aus welchen Gründen auch immer. Das hat nichts mit Konsum zu tun, es gibt einsame Menschen. Diese sind seelisch nicht so gut drauf und ich denke täglich an unsere Einsamen? Auch denke ich jeden Abend an all die alten Menschen, welche ihr ganzes Leben für ihre Lieben gesorgt haben. Liest man Todesanzeigen, Corona Opfer gehören wohl zumeist dieser mir am Herzen liegenden Altersgruppe an. Diese nun Verstorbenen liegen dann sterbend, umgeben von Pflegepersonal... die Pfleger spüren sicher die Not und die stillen Schreie nach Kindern und Enkeln??? Aber sie können nichts an der traurigen Situation ändern. Ich drücke allen Familien, welche ihre Eltern, Grosseltern oder Urgrosseltern einfach mal mein Mitempfinden aus. Es muss schmerzlich sein, die geliebten Familienmitglieder nicht auf dem letzten Weg begleiten zu dürfen. Bleibt bitte ???, bleibt gesund, seelisch wie körperlich❣❣❣

J.Scholer
8. April 2020 - 13.24

Ich bezweifele ob die psychischen Folgen der Isolation größer sind , als jene die unsere Spass- und Konsumgesellschaft, Arbeitswelt verursacht hat. Größtes Problem der Isolierung ist die Entschleunigung des Lebens zu bewältigen, sich wieder mit sich, der Familie und der vielen Zeit die zu Verfügung steht sinnvoll zu beschäftigen. Das Suchtverhalten , zu jeder Zeit in den Konsumtempeln zu flanieren ,zu konsumieren ,Reisen wie Bonuspunkte zu sammeln , ständig bespaßt werden müssen ist auch psychische Störung einer verwöhnten, verhätschelten Gesellschaft.