PolenParlament diskutiert Lockerung des Abtreibungsverbots

Polen / Parlament diskutiert Lockerung des Abtreibungsverbots
Die Frauenaktivistin Marta Lempart (M.) spricht am Rande der Parlamentsdebatte mit der Presse im Sejm Foto: AFP/Wojtek Radwanski

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In Polen begann am Donnerstag eine Parlamentsdebatte über eine Lockerung des von der ehemaligen Regierungspartei PiS vor drei Jahren durchgesetzten Abtreibungsverbots.

In äußerst hitzigen Diskussionen wurden vier Gesetzesnovellen der drei Regierungsparteien diskutiert. Die Sitzung musste mehrmals unterbrochen werden. So ließen konservative Anhänger von Jaroslaw Kaczynski ein schlagendes Kinderherz per Lautsprecher im Sejm, dem polnischen Parlament, erschallen. „Heute finden im Sejm Spiele des Todes statt“, rief der Abgeordnete Eduard Siarka (PiS).

„Ich appelliere an alle Männer, den Frauen eine souveräne Entscheidung zu ermöglichen“, warb dagegen Patryk Jaskulski von Donald Tusks Bürgerplattform (PO) in Anspielung auf das dauernde Souveränitätsgerede der alten, rechtspopulistischen Regierungspartei PiS. Jakulski warb für den PO-Vorschlag einer Fristenlösung bis zur 12. Schwangerschaftswoche. Dasselbe verlangt auch einer der beiden Gesetzesvorschläge von Tusks Juniorregierungspartner „Vereinigte Linke“. Allerdings wollen Polens Linke weitergehen und haben eine klare Entkriminalisierung für Ärzte, Mediziner und beratende Drittpersonen in ihrem Gesetzesvorschlag festgeschrieben. Laut der linken Abgeordneten Anna Maria Zukowaska drohen heute selbst den Ehemännern und Freundinnen von Frauen, die ihre Schwangerschaft illegal abbrechen, bis zu drei Jahre Gefängnis dafür, dass sie diese dabei unterstützt hätten. „Das ist eine sehr harte Strafe für einen liebenden Ehemann“, sagte Zukowaska im Sejm.

Dagegen kämpfte die Mitte Oktober abgewählte PiS: „Mehr Abtreibungen und mehr Pillen danach – und Kindergeburten in Polen werden wir mit Familienzusammenführungen für (arabische) Migranten fördern“, ätzte Czeslaw Hoc in Anspielung auf den Mitte der Woche beschlossenen EU-Migrationspakt.

Am schwersten hatte es am Donnerstag wohl Parlamentspräsident Szymon Holownia vom zentristischen „Dritten Weg“, dem seine linkskatholische Bewegung „Polen2050“ und die konservative Bauernpartei PSL angehört. Der „Dritte Weg“ hatte ein eher konservatives, viertes Gesetzesprojekt vorgelegt, das im Wesentlichen die Rückkehr zum sogenannten „Abtreibungskompromiss“ von 1993 bis 2020 verlangt. Holownia ist dafür verantwortlich, dass die Abtreibungsfrage von Tusks Mitte-links-Regierung nicht wie versprochen rasch angegangen werden konnte. Im Januar hatte der Anführer des „Dritten Weges“ einen Diskussionsstopp bis nach den Regionalwahlen beschlossen. Damit vergraulte er viele Frauen in Polen und besonders die Aktivistinnen des „Frauenstreiks“.

Präsident Duda hat bereits Veto angekündigt

Offenbar soll während der Debatte die bekannte Frauenaktivistin Marta Lempart vom „Allpolnischen Frauenstreik“ wegen eines grünen „Legale Abtreibungen“-T-Shirts von der Zuschauertribüne des Sejm verwiesen worden sein. Laut der Pressesprecherin des Sejm hatte sich die bekannte Feministin jedoch am Morgen zu spät um eine Zutrittskarte für die Zuschauertribüne beworben. Demnach soll es schlicht keinen Platz mehr gegeben haben. Lempart warf Holownia auf Social Media Lügen zur Zahl der jährlichen Abtreibungen, sowie eine künstlich erzeugte Debattenverzögerung vor. „Holownias Referendums-Idee über ein Abtreibungsgesetz ist nur Augenwischerei“, tweetete sie. Der Dritte Weg hatte im Wahlkampf immer wieder für ein Konsultativ-Referendum zur Abtreibungsfrage geworben. Nach dem Wahlsieg und seiner Wahl zum Sejm-Präsidenten ruderte dieser jedoch zurück.

Am Freitag soll über die ersten der vier Abtreibungsgesetzvorlagen in einer ersten Lesung (von zwei) abgestimmt werden. Tusks Mitte-links-Koalition hat dafür bereits vor Monaten eine Stimmfreigabe ausgegeben, das heißt, jeder Abgeordnete stimmt gemäß seines Gewissens ab. Dies könnte den drei Gesetzesprojekten für eine Fristenlösung das Genick brechen. Denn Staatspräsident Andrzej Duda, der der PiS nahe steht, hat bereits angekündigt, sein Veto gegen eine Liberalisierung der derzeit geltenden, äußerst restriktiven Abtreibungsgesetzgebung einzulegen.