DeutschlandDie Kernenergie könnte zum Spaltpilz für die CDU werden

Deutschland / Die Kernenergie könnte zum Spaltpilz für die CDU werden
Kühltürme des Atomkraftwerks von Bugey im Osten Frankreichs: Manche Konservative in Deutschland wollen es den Franzosen gleich tun und weiter auch auf Atomenergie setzen Foto: Emmanuel Dunand/AFP

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Anfang Mai kommt die CDU zum Parteitag in Berlin zusammen. Das Buch mit Anträgen umfasst derzeit über 1.000 Seiten. Schon jetzt ist klar, dass es auf dem Konvent eine strittige Debatte über die Kernenergie geben wird. Wie gespalten ist die Partei?

Nicht jeder in der CDU ist erfreut darüber, dass die Partei an der Atomkraft als Option festhält. So will etwa der Kreisverband Baden-Baden den bisher geplanten Satz dazu im neuen Grundsatzprogramm streichen. Er lautet: „Deutschland kann zurzeit nicht auf die Option Kernkraft verzichten.“ Die Energieversorgung sei auch ohne möglich, heißt es in einem Antrag an den CDU-Parteitag Anfang Mai in Berlin.

Andere wie die CDU’ler aus Wolfenbüttel fordern genau das Gegenteil, nämlich ein klareres Bekenntnis der Union zum „Wiedereinstieg in die Kernenergie“. Nur zwei Beispiele von vielen aus dem über 1.000 Seiten umfassenden Buch mit 2.100 Änderungsanträgen zum neuen Grundsatzprogramm, das dem Tageblatt vorliegt. Von Freitag bis Samstag kommt die Antragskommission im Konrad-Adenauer-Haus zusammen, um zu bündeln, zu empfehlen und zu verwerfen. Es wird eine lange Nacht für die Beteiligten. Auf dem Parteitag könnte gerade die Debatte über die Kernenergie zum Spaltpilz werden.

Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU), Mitglied der Antragskommission, formuliert es so: Er gehe davon aus, „dass über die Kernkraft auf dem Parteitag durchaus diskutiert wird. Ich bin sehr dafür, dass wir nicht dogmatisch oder ideologisch an die Frage herangehen“, so Frei zum Tageblatt. Ein vollständiger Verzicht auf Kernkraft wäre allerdings „der falsche Weg“. Frei weiter: „Die im Grundsatzprogramm gefundene Formulierung ist sehr gut.“

Das findet halt nicht jeder. Mit dem Abschalten der letzten drei Meiler in Deutschland vor einem Jahr am 15. April hält die Kernenergie die Union erst recht weiter in Atem. Es gab den Appell an die Ampel, die Kraftwerke am Netz zu lassen für eine sicherere Versorgung und niedrigere Preise, sogar die Forderung, neue Brennstäbe zu kaufen. Selbst eine „vorurteilsfreie Prüfung“ der Rückkehr zur Atomkraft war kurzzeitig auf der Agenda der Union, bis man sich auf die auch im Grundsatzprogramm verankerte Formulierung einigen konnte. Sie ist also das Ergebnis einer langen Diskussion und letztendlich eines Kompromisses.

Großer Druck von Mittelstands- und Wirtschaftsunion

Der könnte auf dem Parteitag wieder aufgeschnürt werden. Aus der Führung heißt es, keinesfalls wolle die Union zurück zur Kernenergie der alten Machart. Auf dem Parteitag werde die Debatte aber wohl „wieder in alle Richtungen laufen“, so ein Insider. Besonders großen Druck macht die einflussreiche Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) von CDU und CSU. So will sie zum einen die Formulierung im Grundsatzprogramm ändern, damit stärker zum Ausdruck kommt, dass man die Forschung und Entwicklung für Kernreaktoren der nächsten Generation beschleunigen will. Außerdem hat die MIT noch einen „Sachantrag“ eingebracht.

In dem heißt es, es brauche eine „Perspektive auch der Planung und des Neubaus von Reaktoren der vierten Generation, die keine Endlagerung benötigen“. Deutschland müsse sich zudem dem Bündnis der 22 Staaten anschließen, die sich auf der Weltklimakonferenz im vergangenen Jahr zu einer Erhöhung der Kernkraftnutzung verpflichtet hätten. „Wer Atomstrom aus dem Ausland importiert, muss das Potenzial im eigenen Land nutzen“, so MIT-Chefin Gitta Connemann gegenüber dem Tageblatt. Stattdessen befände sich Deutschland „auf energie- und klimapolitischer Geisterfahrt“, isoliere sich nicht nur in Europa. „Die führenden Industrieländer der Welt sprechen der Kernenergie eine Schlüsselrolle zu“, betont Connemann. Ob die Union dies dann auch tun wird, wird der Parteitag zeigen.