Schottland„Verhaftet mich!“ – Harry Potter-Autorin im Streit um die Meinungsfreiheit

Schottland / „Verhaftet mich!“ – Harry Potter-Autorin im Streit um die Meinungsfreiheit
J.K. Rowling wird bereits seit Jahren von Trans-Aktivisten kritisiert Foto: Joel C Ryan/Invision/AP/dpa

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Harry-Potter-Autorin Joanne Rowling, die berühmteste Schriftstellerin Schottlands, liegt im Streit mit der Edinburgher Nationalisten-Regierung.

Um deren neues Gesetz gegen die verbale Diskriminierung von Minderheiten auf den Prüfstand zu stellen, veröffentlichte Harry-Potter-Autorin Joanne (J.K.) Rowling zu Wochenbeginn eine Reihe provokanter Äußerungen zu prominenten Trans-Frauen im Land. Bei diesen handele es sich allesamt um Männer, teilte die Autorin auf X mit. Sollte sie mit ihrer Meinung gegen die neuen Regeln verstoßen haben, sehe sie der Reaktion der Kriminalpolizei mit Interesse entgegen: „Verhaftet mich!“

Die 58-jährige Schöpferin und Chefin des Harry-Potter-Universums steht in der Transgender-Debatte seit Jahren an vorderster Front. Wie andere prominente Frauen pocht sie darauf, Menschen dürften ihre Geschlechtsidentität nicht selbst bestimmen, unabhängig von ihren primären Geschlechtsorganen. Das Thema ist in Schottland besonders umstritten, weil die SNP-Regierung unter der früheren Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon die geschlechtliche Selbsteinstufung erleichtern wollte. Diesem Vorhaben schob die Londoner Zentralregierung mit Blick auf die Ungleichbehandlung im gesamten Königreich einen Riegel vor.

Das jetzt in Kraft getretene Gesetz mit dem Titel „Hassverbrechen und die öffentliche Ordnung“ wurde vom Edinburgher Regionalparlament bereits 2021 beschlossen. Dass es erst jetzt wirksam wurde, dürfte mit Bedenken der Strafverfolger zu tun haben. Schottische Polizeiführer gaben sich zuletzt zuversichtlich, man werde die Gesetzgebung angemessen handhaben. Hingegen fürchtet der Chef der Polizeigewerkschaft David Kennedy: „Wir erwarten von unseren Beamten die Umsetzung eines Gesetzes, auf das sie nicht vorbereitet sind.“

Ein Ersatz für ältere Regelungen

Das neue Regelwerk ersetzt ein Blasphemiegesetz aus dem 19. Jahrhundert ebenso wie das schon bisher bestehende Verbot rassistischer Äußerungen. Nun wird neben Rassismus auch die verbale Diskriminierung und Beleidigung von Menschen aufgrund ihres Alters, ihrer Behinderung oder der Zugehörigkeit zu einer Religion oder einer sexuellen Minderheit geächtet. Ausdrücklich erwähnt wird auch die Identität von Transgender-Menschen, nicht aber die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Die SNP begründet diese Auslassung mit dem Vorhaben eines eigenständigen Gesetzes, das sich gegen Frauenfeindlichkeit richten soll.

Genau dieser Gegensatz – die Einbeziehung von Transpersonen, der Ausschluss von Frauen – erbost all jene Schottinnen, die wie Rowling von Trans-Aktivisten als sogenannte Terfs, also „transphobe radikale Feministinnen“, denunziert werden. In der langjährigen Debatte ist der Ton zunehmend härter geworden, auch aufseiten Rowlings.

Sollte sich die Multimillionärin angesichts des neuen Gesetzes heimlich eine Strafverfolgung gewünscht haben, wurde sie enttäuscht. Binnen 36 Stunden entschied die schottische Polizei, die provokanten Äußerungen der Autorin stellten keine Hassparolen dar und seien demnach auch nicht als kriminelle Handlunge zu verfolgen. „Hoffentlich werden alle Frauen, unabhängig von ihrem öffentlichen Profil und ihrem Reichtum, gleich behandelt“, erwiderte die 58-Jährige.

Die Debatte trifft auch außerhalb Schottlands auf Interesse. Der prominente liberale Rabbiner Jonathan Romain aus Maidenhead bei London gratulierte Rowling zu ihrer Intervention und der Behörde zu deren Einschätzung. „Ganz egal bei welchem Thema: Sich nicht gekränkt oder beleidigt zu fühlen, darauf gibt es keinen Anspruch“, findet der 69-Jährige: „Jemandes Gefühle zu verletzen ist der Preis für das wertvolle Recht auf freie Meinungsäußerung.“

Premierminister Rishi Sunak stellte sich uneingeschränkt auf Rowlings Seite. Er befürworte die Redefreiheit, zumal dann, „wenn Leute Dinge sagen, die Common Sense sein sollten“. Der konservative Politiker hat sich schon mehrfach zur Ansicht bekannt, es gebe nur zwei Geschlechter, Mann und Frau. Gelegentlich versucht Sunak mit dem diffizilen Thema auch im Parlament zu punkten, indem er seine klare Weltsicht mit der deutlich differenzierteren Meinung von Keir Starmer vergleicht: Der Labour-Oppositionsführer sei entscheidungsschwach. Die Arbeiterpartei, die in allen Umfragen deutlich vor den Torys liegt, kündigte am Mittwoch an, man werde im Fall des Wahlsieges das schottische Gesetz nicht auf den Rest des Landes übertragen.

In der jüngsten Volkszählung des Statistikamtes ONS identifizierten sich 262.000 Menschen über 16 Jahre in England und Wales als trans. Umgerechnet auf die Bevölkerung beträgt die Zahl der Betroffenen in Schottland demnach rund 24.000. Ihr Risiko, Opfer von Gewaltverbrechen zu werden, liegt um das Vierfache höher als für den Durchschnitt der Bevölkerung.