NATO-MitgliedschaftSchwedens Furcht vor dem ewigen Warten

NATO-Mitgliedschaft / Schwedens Furcht vor dem ewigen Warten
Schwedens Premierminister Ulf Kristersson und seine Regierung haben dem NATO-Beitritt höchste Priorität zugeordnet Foto: Fredrik Sandberg/TT News Agency/AFP

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Erleichterung in Finnland und Besorgnis in Schweden. Nachdem der türkische Staatspräsident Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Freitag seinem finnischen Amtskollegen Sauli Niinistö erklärt hat, allein Finnlands NATO-Antrag zu ratifizieren, ist die Stimmung in Schweden gedrückt.

Beide bündnisfreien skandinavischen Länder, besorgt durch die russische Aggression gegen die Ukraine, wollten ursprünglich „Hand in Hand“ der Verteidigungs-Allianz beitreten. Doch Stockholm müsse erst „120 Terroristen“ ausliefern, so Erdogan. Gemeint sind Oppositionelle, zumeist Kurden, von denen ein Teil die schwedische Staatsbürgerschaft besitzen und somit nicht ausgeliefert werden können.

„Das ist eine Entwicklung, die wir nicht gewünscht haben, auf die wir jedoch vorbereitet sind“, versuchte Außenminister Tobias Billström vor den Mikrofonen zu beruhigen, ohne über künftige Strategien sprechen zu wollen. Seine bürgerliche Partei „Die Moderaten“, zu der auch Premierminister Ulf Kristersson gehört, hat seit Regierungsübernahme im vergangenen Oktober dem raschen NATO-Beitritt höchste Priorität zugeordnet, Kristersson hüllt sich bislang zu der Abfuhr aus Ankara in Schweigen.

„Das denkbar schlechteste Resultat für Schweden“, so sieht es das öffentlich-rechtliche Fernsehen SVT. Befürchtungen werden formuliert, dass Schweden bald russischer Einflussnahme ausgesetzt ist. Sollte sich die Wartezeit verlängern, so wäre Schweden aus dem Sicherheitskonzept der NATO für Skandinavien ausgeschlossen und müsste seine Verteidigungspolitik überdenken, so Kjell Engelbrekt, Dozent an der Hochschule für Verteidigung in Stockholm. Betroffen seien auch Militärabkommen, die bereits mit Finnland bestehen.

Entscheidend für die anstehende NATO-Mitgliedschaft sind einige Termine in nächster Zeit. Am 27. März soll in Ungarn, das unter den 30 NATO-Mitgliedern ebenfalls die Anträge der beiden Staaten nicht ratifiziert hatte, eine entsprechende Parlamentsabstimmung stattfinden. Auch hier stehen die Chancen für Schweden nicht so gut. Andeutungen kamen aus der ungarischen Regierungspartei Fidesz, während Finnland die Ratifizierung zugesichert wurde.

Von Bedeutung sind zudem die türkischen Präsidentschaftswahlen am 14. Mai, bei denen der autoritär agierende Erdogan von dem sozialdemokratischen Herausforderer Kemal Kilicdaroglu abgelöst werden könnte. Mit Letzterem stehen die Chancen auf eine Einigung besser. Auf dem NATO-Gipfel am 11. und 12. Juli in Vilnius wird dann vermutlich allein Finnland, das eine 1.340 Kilometer lange Grenze mit Russland hat, NATO-Mitglied. Sowohl Finnlands Präsident Sauli Niinistö wie die finnische Premierministerin Sanna Marin sicherten dem Nachbarland weiterhin Unterstützung zu.

Untertänige Töne gegenüber Ankara

Doch ein Plan B scheint in Stockholm nicht ausgearbeitet worden zu sein. Billström verwies darauf, dass man alle Bedingungen erfüllt habe, die während des NATO-Gipfels im Juni 2022 in Madrid von Erdogan erhoben wurden. So ist nun eine Unterstützung der in Syrien operierenden „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) sowie der „Demokratischen Kräfte Syriens“ (DFS) verboten, das einstige Waffenembargo gegenüber der Türkei aufgehoben.

Allerdings erregte sich der türkische Staatspräsident über den Islamfeind Rasmus Paludan, der im Januar den Koran vor der türkischen Botschaft Stockholms verbrannt hatte. Dies ist nach schwedischem Recht legal. Prekärerweise soll der dänisch-schwedische Anwalt Kontakte mit Wagner-Soldaten gepflegt haben, darunter ein prominenter Rekrutierungsoffizier, was nach schwedischen Sicherheitsexperten auf eine russische Beeinflussung hinweisen könnte.

Die bürgerliche Regierung in Stockholm pflegte bislang einen recht untertänigen Ton gegenüber den türkischen Vertretern. Ab dem ersten Juni soll in Schweden ein neues Antiterrorgesetz in Kraft treten, das die Aktionen kurdischer Gruppen im Königreich einschränken wird.

Bei all diesem Hin und Her äußerte am Wochenende die ehemalige Premierministerin Magdalena Andersson, die den Antrag auf die NATO-Mitgliedschaft vorbereitet hatte, ihre Zweifel, ob die Politik der „offenen Tür“ des Verteidigungsbündnisses wirklich funktioniere.