Zum 1. JanuarKroatiens Finanzminister zur Euro-Einführung: „Werden Stabilität der Euro-Zone stärken“

Zum 1. Januar / Kroatiens Finanzminister zur Euro-Einführung: „Werden Stabilität der Euro-Zone stärken“
Kuna für Euro: Bald hat auch Kroatien die Gemeinschaftswährung Foto: AFP/Denis Lovrovic

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Als 20. Staat wird Kroatien am 1. Januar der Eurozone beitreten. Mit Finanzminister Marko Primorac sprachen wir in Zagreb über die Herausforderungen und die Chancen für sein Land durch die Euro-Einführung.

Tageblatt: Sie haben kürzlich erstmals einen Haushaltsentwurf in Euro vorgelegt. Fiel Ihnen dessen Abfassung schwer?

Marko Primorac: Es war schon eine Herausforderung, die Budgeterhöhungen von viel höheren Kuna-Summen auf viel geringere Euro-Beträge darzustellen. Wir sind die Kuna gewöhnt. Und in Euros sind die Zahlen einfach viel kleiner.

In welchem Maß lebt Kroatien denn schon jetzt mit dem Euro?

Kroatien hat bereits jetzt eine stark „eurosierte“ Wirtschaft. Über 70 Prozent aller Spareinlagen sind in Euros angelegt. Ein großer Teil unserer Staatsschulden wurde in Euros aufgenommen. Auch im Alltag ist der Euro schon lange präsent. Die Preise von größeren Anschaffungen wie von Wohnungen, Häusern und Autos wurden schon bisher in Euros ausgewiesen, wenn auch mit Kuna bezahlt.

Was war oder ist die größte Herausforderung bei der Euro-Einführung?

Wir hatten über 80 Gesetze zu ändern. Für eine möglichst transparente Einführung des Euros müssen schon seit September alle Preise in den Läden auch in Euro ausgezeichnet werden, um am 1. Januar die Gefahr unzulässiger Preiserhöhungen zu verhindern. Aufrundungen sind nur bei der dritten Dezimalstelle hinter dem Komma erlaubt. Bei der logistischen Herausforderung, rechtzeitig genügend Euro-Münzen zu prägen und alle Banken ausreichend mit Euros zu versorgen, erwarten wir keinerlei Probleme.

Der Kurs der Kuna ist schon länger an den Euro gekoppelt. Was ändert sich nun mit der Euro-Einführung für die kroatische Wirtschaft?

Die Einführung des Euro ändert das gesamte finanzielle Bild des Staats und macht uns international konkurrenzfähiger. Sie eliminiert das Währungsrisiko, vor allem bei der Kreditaufnahme. Gleichzeitig hat sich unser Kreditrating seit der Ankündigung der Euro-Einführung im Juli auf das höchste Niveau aller Zeiten erhöht. Wir erwarten niedrigere Verschuldungskosten. Der Stabilitätsmechanismus verhilft uns zu einem zusätzlichen Schutzschild. Und dazu kommen niedrigere Transaktionskosten durch den Wegfall der Wechselkosten, von denen auch der Tourismus profitiert.

Inwiefern?

Der Tourismus macht rund ein Fünftel unseres Sozialprodukts aus und ist eine wichtige Grundlage unserer Wirtschaft. Die Einführung des Euros wird den Touristen ihr Kommen erleichtern. Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen, ob und wo sie nach Ankunft ihr Geld wechseln können und was der Kurs ist. Sie müssen sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, wie sie das Taxi vom Flughafen zum Hotel bezahlen, sondern werden sich sofort wie zu Hause fühlen. Auch anderen Investoren wird die Kostenkalkulation erheblich erleichtert.

Die Kroaten erwarten die Euro-Einführung mit Ungeduld. Denn mit dem Euro wird ihr Leben leichter.

Kroatiens Finanzminister Marko Primorac

75 Prozent aller Kroaten sollen laut einer Umfrage aber auch Preiserhöhungen befürchten. Haben sie berechtigten Grund zur Sorge?

Wir haben die Ängste der Bürger durch Meinungsumfragen sorgfältig analysiert. Diejenigen, die anfänglich gegen die Einführung des Euro waren, fürchteten vor allem einen Verlust der nationalen Identität und Preiserhöhungen. Doch in den letzten Staaten, die den Euro einführten, stiegen die Preise nur um 0,2 bis 0,4 Prozent. Das sind minimale Preissteigerungen. Und das versuchen wir den Bürgern mit unseren Informationskampagnen zu verdeutlichen.

Aber warum nehmen das die Leute dann anders wahr?

Im Moment macht ganz Europa der stärkste Inflationsdruck seit Jahren zu schaffen. Aber allein die Tatsache, dass die Inflationsraten auch in den Staaten außerhalb der Eurozone sehr hoch sind, macht unseren Bürgern klar, dass diese nicht mit der Euro-Einführung zusammenhängen. Die Kroaten erwarten die Euro-Einführung mit Ungeduld. Denn mit dem Euro wird ihr Leben leichter.

Kroatien hat noch stets mit den wirtschaftlichen Folgen der Erdbeben, der Corona-Krise und nun des Ukrainekriegs zu kämpfen. Befürchten Sie nicht, dass die Leute dafür auch die Euro-Einführung verantwortlich machen werden?

Nein, das befürchten wir nicht. Es stimmt, dass wir uns in den letzten Jahren ständig mit Krisen konfrontiert sahen. Und die Kosten für deren Bewältigung sind enorm. Aber die Leute wissen, dass die Lage in anderen Staaten ähnlich oder schlechter ist. Es ist ihnen klar, dass das nichts mit der Euro-Einführung zu tun hat.

Gemessen am Sozialprodukt zählt Kroatien zu den vier ärmsten Mitgliedstaaten in der EU. Erhält die Eurozone mit Ihrem Land einen soliden Partner?

Mit Sicherheit. Wenn sie auf die Eurozone schauen, gibt es viele Staaten, die ein wesentlich höheres Defizit oder eine höhere Staatsverschuldung als wir aufweisen. Mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020 erfüllt unser Haushaltsdefizit schon seit einigen Jahren das Maastricht-Kriterium. Unsere Staatsschuld beträgt derzeit 72 Prozent. Aber wir erwarten eine weitere Absenkung in den nächsten Jahren. Bis 2025 wird sie 65 Prozent betragen. Kroatien wird zu denjenigen Staaten zählen, die die finanzielle Stabilität der Eurozone stärken.

Nach dem EU-Beitritt vor zehn Jahren hatte Kroatien lange mit Krisen zu kämpfen. Wie bewerten Sie die bisherige EU-Mitgliedschaft Ihres Landes?

Wir haben große Fortschritte gemacht, auch wenn wir uns nach dem EU-Beitritt mit Herausforderungen konfrontiert sahen, wie beispielsweise der verstärkten Emigration. Doch wir konnten von zahlreichen Vorzügen profitieren – wie dem Zutritt unserer Firmen zum gemeinsamen Markt oder dem Zugang zu EU-Mitteln zur Vertiefung der Reformprozesse. Mit der Übernahme des EU-Rechts wurden unsere Verwaltung und das Wirtschaftsleben modernisiert. Die Vorbereitung auf die Euro-Einführung hat die finanzielle Stabilität erhöht.

Den anvisierten Zutritt zur Eurozone hat Kroatien erreicht. Was sind die nächsten Ziele?

Mit der Euro-Einführung und dem erwarteten Zutritt zur Schengenzone enden unsere Ambitionen für eine Vertiefung der Integration keineswegs. Als nächstes steht die Unterzeichnung des Doppelbesteuerungsabkommens mit den USA bevor. Der Zutritt zur Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist ein weiteres Ziel, an dem wir noch arbeiten.