Luxemburg wird zur Weltraummacht

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Von Christian Muller und Jean-Philippe Schmit 

Die Weltraummacht Luxemburg schreitet voran. Am Dienstag gegen 23 Uhr in der Nacht wird, wenn alles nach Plan läuft, der erste luxemburgische Militärsatellit von Cape Canaveral aus in den Weltraum befördert.

Für das Ereignis ist eine ganze Delegation aus Luxemburg nach Florida gereist. Mit dabei: Erbgroßherzog Guillaume und Gattin Stéphanie, Premierminister Xavier Bettel sowie Verteidigungs- und Wirtschaftsminister Etienne Schneider. Dass Luxemburg überhaupt einen Militärsatelliten in den Weltraum befördert, liegt daran, dass „wir unsere Verteidigungsausgaben erhöhen müssen“, wie Etienne Schneider in einer Pressekonferenz über den Raketenstart erklärt hatte. „Wir müssen solidarisch mit unseren Partnern sein und Verantwortung zeigen.“ Mit 0,4 Prozent Militärausgaben ist Luxemburg Schlusslicht im NATO-Ranking. Die Vorgaben sehen 2 Prozent vor.

So weit will Luxemburg jedoch nicht gehen. „Wir geben bereits ein Prozent in die Entwicklungshilfe“, so Schneider. Das könne man auch als „Vermeidung von Konflikten“ interpretieren. Aber etwas erhöhen will Luxemburg seine Militärausgaben dann doch. „Bis 2020 wollen wir bei 0,6 Prozent ankommen“, so der Minister. Aber Etienne Schneider ist nun mal nicht nur Verteidigungs-, sondern auch Wirtschaftsminister. „Wenn wir schon mehr Geld für Militär ausgeben, dann wollen wir nicht einfach und blind Material kaufen“, meinte er. „Auch Luxemburgs Wirtschaft soll etwas davon haben.“ Projekte gibt es mehrere: von einer Militärklinik über eine Renovierung der Kasernen bis hin zum GovSat1.

Um den neuen Militärsatelliten zu verwalten, wurde schon vor drei Jahren eine Firma Namens GovSat gegründet. Diese gehört je zur Hälfte dem Luxemburger Staat und dem Betzdorfer Satellitenbetreiber SES. Geschäftsführer des Unternehmens ist Patrick Biewer, der zuvor bei der SES gearbeitet hatte. Mit Sasha Baille steht eine erfahrene Staatsbeamtin an der Spitze des Verwaltungsrats.

Staat investiert 50 Millionen

„Dies sind die ersten Militärausgaben, die Dividenden einbringen“, so der Wirtschaftsminister weiter. Laut Geschäftsplan sei eine Eigenkapitalrendite von 12 bis 14 Prozent vorgesehen. Insgesamt belaufen sich die Ausgaben von GovSat auf 225 Millionen Euro. Davon haben Staat und SES jeweils 50 Millionen in die Gesellschaft eingebracht. Den Rest hat sich die Firma geliehen. Wie teuer der Satellit an sich war, wurde nicht mitgeteilt.
Mit dem Geld wurde der Satellit gekauft, der Start bezahlt, eine Bodenkontrollstation mit eigenen Antennen bei der SES in Betzdorf (die seit Dezember 2017 aktiv ist) aufgebaut, und werden die Gehälter der 18 Mitarbeiter bezahlt.

Besonders erfreut über das Projekt scheint Karim Sabbagh, der Geschäftsführer der SES, zu sein. GovSat sei in Bereichen aktiv, von denen sich auch die SES in Zukunft starkes Wachstum erhoffe, erklärte er in der Woche vor dem Start. Dabei denkt er beispielsweise an Kommunikationsverbindungen zu Schiffen und Flugzeugen oder Dienstleistungen für Regierungen. GovSat füge sich demnach gut in die bestehende Strategie des Unternehmens ein. „Doch es ist nicht nur die SES, die vom Projekt profitiert“, so Schneider weiter. Auch der luxemburgischen „Défense“, dem Weltraumsektor, der Wirtschaft im Allgemeinen und den Staatsfinanzen (Dividenden) soll das Projekt somit nutzen.

Weitere Satelliten in der Planung

Und dabei soll es nicht bleiben. Der nächste Luxemburger Militärsatellit ist bereits fest geplant. Dieser soll jedoch keine Kommunikations-Dienstleistungen anbieten, sondern Beobachtungsbilder von der Erde machen können. Aller Voraussicht nach wird dieser Satellit in Zukunft jedoch direkt von Luxemburgs Militär betrieben und nicht Teil eines neuen Unternehmens werden. Zudem steht noch die Möglichkeit im Raum, dass – falls die Kapazitäten von GovSat1 schnell verkauft sind – ein zweiter GovSat-Satellit mit ähnlichen Fähigkeiten in Auftrag gegeben werden könnte. Der erste deckt vor allem die Regionen Europa, Mittlerer Osten und Nordafrika ab. Asien könnte folgen.

Dabei sind heute bereits mehr als 50 Satelliten der SES „unter luxemburgischer Flagge“ im Weltraum unterwegs. Jetzt muss nur noch am Dienstag in den zwei Stunden nach 22.23 Uhr Luxemburger Zeit alles klappen. „Es ist der spannendste Moment in unserer jungen Firmengeschichte“, so Patrick Biewer letzte Woche. Eine erste Reise über die Straße (von Washington nach Cape Canaveral) habe er schon erfolgreich geschafft. Nach etwa 30 Minuten Flugzeit soll der Satellit dann auf einem geostationären Orbit, 36.000 Kilometer über der Erde, ausgesetzt werden. Dann muss er noch auf Position gebracht werden.

Schief laufen kann theoretisch noch viel, von schlechten Wetterbedingungen bis hin zu technischen Problemen. Der Start wurde bereits verschoben. Ursprünglich war er für den September vergangen Jahres geplant. Doch im Weltraumgeschäft ist das nicht unüblich. Und für den schlimmsten Fall ist der Satellit ja auch versichert …


Der Satellit GovSat1

Der Satellit an sich ist ein militärischer Kommunikationssatellit. „In der Kommunikation hat die NATO ein großes Defizit“, so der Verteidigungsminister letzte Woche. „Und Luxemburg hat starke Kompetenzen.“ Der Satellit, der von Orbital ATK in Washington (USA) gebaut wurde, wird gesicherte Kommunikationskanäle für Regierungen und Institutionen anbieten. „Wir werden unseren Partnerländern Frequenzen verkaufen können“, so Schneider. Es sei der sicherste Kommunikationssatellit überhaupt. Benutzt werden militärische Frequenzen.
Mit dem Satelliten kann das Unternehmen GovSat „ein neues Angebot auf dem Markt machen – wie es bisher noch keins gibt“, so Patrick Biewer, Geschäftsführer von GovSat.
Angeboten werden hoch gesicherte Kommunikationskanäle (an Land, zur See und in der Luft) für militärische und für zivile Zwecke. Verträge mit Kunden wurden bereits unterzeichnet. So etwa mit der europäischen Weltraumagentur ESA und mit der Luxemburger „Défense“. Der Satellit hat ein Gewicht von 4,2 Tonnen und verfügt über 68 Transponder (Übertragungskanäle). Er hat eine Lebensdauer von 15 Jahren und deckt etwa ein Drittel der Erdoberfläche ab.


So läuft der Start der Rakete ab

Während eines Zeitfensters von zwei Stunden nach 22.23 Uhr am Dienstagabend Luxemburger Zeit wird in Florida eine SpaceX-Rakete mit einem luxemburgischen Satelliten abheben – wenn alles klappt. Das Tageblatt warf einen Blick in den „User’s Guide“ der Falcon-9-Rakete.

Ab 62 Millionen Dollar bietet das Privatunternehmen SpaceX Transportdienstleistungen in die Erdumlaufbahn an, wenn der Kunde – in diesem Fall Luxgovsat – sich für die Falcon 9 entscheidet. Die Falcon Heavy kostet 90 Millionen. Für 62 Millionen bringen die SpaceX-Leute 22.800 kg Masse in die erdnahe Umlaufbahn (bis 2.000 km Höhe), 9.300 kg auf Höhen bis 36.000 km. Wenn die Reise zum Planeten Mars gehen soll, dürfen nur noch 4.020 kg mit.

Die Rakete ist (fast) schon bereit, wenn die luxemburgische Delegation in Florida angekommen ist. Die Beladung der Rakete ist dann schon abgeschlossen, diese wird üblicherweise rund zehn Tagen vor dem Start begonnen. Der Satellit, der aufrecht steht, wird in eine Verkleidung eingekapselt und um 90 Grad gedreht. Die Hochzeit von Satellit und Rakete findet in der Horizontalen statt. Wenn die Falcon 9 im Transportgerät liegt, wird die Klimaanlage und die Stromversorgung an die Kapsel mit dem Satelliten angeschlossen.

Eine Woche vor dem Start ist die Rakete zum „rollout“ bereit. Erst wenn sie auf dem Startplatz angekommen ist und alles doppelt und dreifach überprüft wurde, wird die Rakete aufgerichtet. Die Auftraggeber können ab diesem Moment nicht mehr an ihre Nutzlast gelangen.


Nutzlast

Die Falcon 9 ist nicht nur zum Transport von Fracht geeignet. In der Dragon-Kapsel sollen in Zukunft auch Astronauten mitreisen können. Für Satelliten wird nicht die Dragon-Kapsel genutzt. Die Verkleidung um die Ladung ist 13 Meter hoch und hat einen Durchmesser von fünf Metern. Ein Satellit von der Größe eines Lieferwagens passt hinein.


Laut „User’s guide“ dauert die „Countdown-Phase“ der Falcon 9 nur rund eine Stunde. Die Systeme werden noch einmal überprüft und sechs Minuten vor dem Start (T-6 m) werden die letzten Befestigungen gelöst. Der Bordcomputer durchläuft letzte Tests, die Stromversorgung wird auf intern geschaltet und die Transmitter werden aktiviert.

Bei T-3 s, also drei Sekunden vor dem Start, fahren die neun Merlin-Triebwerke der ersten Stufe hoch. Beim Moment T-0 lösen sich die hydraulischen Klemmen – die letzte Verbindung mit der Startvorrichtung. Die Rakete hebt ab.


Erste Stufe

Die erste Stufe der Rakete beinhaltet neun Merlin-Triebwerke. Die Tanks aus einer Aluminium-Lithium-Legierung sind mit Flüssigsauerstoff und Raketentreibstoff gefüllt. Es dauert genau 162 Sekunden, bis die Tanks leer sind. Unter Volllast liefern die neun Triebwerke mehr Schub als fünf Jumbojets beim Start. Laut SpaceX können zwei der Triebwerke ausfallen, ohne dass die Mission gefährdet ist.


Während 82 Sekunden brennen die Haupttriebwerke mit Maximal-Schub. Nach 170 Sekunden sind die Tanks leer und die Triebwerke werden abgeschaltet. Fünf Sekunden später löst sich die erste Stufe und tritt wieder in die Atmosphäre ein.

Bei T+180 s fährt das zweite Triebwerk hoch. Bei T+220 s löst sich die Verkleidung des Satelliten und fünf Minuten später wird der zweite Motor abgeschaltet. Je nachdem, an welche Position der Satellit gebracht werden soll, können die Triebwerke jedoch wieder hochgefahren werden.


Zweite Stufe

Die zweite Stufe besitzt nur ein Merlin-Triebwerk. Die erste Stufe brachte die Rakete ins All, die zweite bringt die Nutzlast an ihre endgültige Position. Der Motor kann mehrmals gestartet werden, wenn z.B. mehrere Satelliten befördert werden. Bisher ist es noch nicht möglich, die zweite Stufe wiederzuverwenden.


Diese Phase kann bis zu 30 Minuten dauern. Erst wenn der geplante Orbit erreicht wurde, wird die Ladung von der (Rest-)Rakete getrennt. Ab diesem Moment ist der Erdtrabant auf sich alleine gestellt und die Arbeit der SpaceX-Leute getan. Nun übernehmen die Betreiber des Satelliten die Kontrolle.

Bortuzzo Patrick
30. Januar 2018 - 22.20

Il ne faut pas vendre la peau de l'ours avant de l'avoir tué

Jean-pierre goelff
30. Januar 2018 - 17.06

Weltraummacht Luxemburg...naja,ist wohl noch ein weiter Weg!

Norbert Muhlenbach
30. Januar 2018 - 16.50

Richtig, und man koennte mit dem Geld die Infrastruktur in Luxemburg sanieren und sogar das Krankenhauswesen........

weit
30. Januar 2018 - 16.07

Wer hätte gedacht dass Sozialisten und Grüne jetzt auf Militärsatelliten setzen.

Heng
30. Januar 2018 - 15.19

Hoffentlech gëtt dat do Konfetti um Nuetshimmel vu Florida, wat fir ee Spaass wier dat kuerz virun der Fuesend!

Aender
30. Januar 2018 - 10.03

Am Giegensatz zum Start vun ASTRA 1A , wou 1 vun den agelueten Promis gesoot huett: Mär hunn 1 neien Feierwohn. konnten mär och stolz sinn. Elo, hun mär wierklech 1 Feierwohn, mais mär mussen nett onbedingt Stolz dorop sinn. Den komerziellen Aspekt vun dem GOVSAT 1 ( doh schenger der nach mieh ze kommen ) steet eben nemmen just un 2. Stell.

Scholnier
30. Januar 2018 - 7.09

Wer glaubt ins Militär zu investieren, dem seine Handlung entspricht jeglicher Moral und Ethik. Eigentlich müsste die Spezie "Mensch" sich seit dem " Schlag mit der Keule zu Zeitalter" wesentlich weiterentwickelt haben und dem Militärgehabe längst entsagt haben.Wer im Zusammenhang mit der Nato noch von Verteidigung oder Verteidigungsbündnis spricht, hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt.Spätestens seit das Nato-Mitglied Türkei einen Angriffskrieg führt, das Nato-,EU Mitglied Deutschland die nötigen Panzer liefert, hat sich die Unglaubhaftigkeit dieses säbelrasselnden Bündnisses gestärkt. Wir sollten in erster Instanz die Probleme unserer Erde lösen, ehe wir den Weg einer Weltraummacht beschreiten wollen.Wobei das Wort "Macht" den faden Beigeschmack von autoritärer , wie reaktionärer Politik hinterlässt. "Die Macht " Inbegriff andere Völker zu beherrschen, eigentlich nicht mehr zeitgemäß , wo die meisten Erdbewohner glauben, die menschliche Evolution wäre soweit fortgeschritten wie nie.