„Unglaubliche Entwicklung“: Weißrusslands bekanntester Fußballer im Interview

„Unglaubliche Entwicklung“: Weißrusslands bekanntester Fußballer im Interview
Aleksandr Hleb (l.) ist mit BATE Borissow derzeit noch in der Europa-League-Gruppenphase vertreten

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„Warum wollen Sie denn mit mir reden? Ich spiele doch gar nicht mehr in der Nationalmannschaft“, eröffnet Weißrusslands bekanntester Fußballer das Gespräch. Der ehemalige Topspieler Aleksandr Hleb zeigt sich im Tageblatt-Interview von seiner lockeren Seite und ist beeindruckt von den Leistungen der FLF-Auswahl.

Von unserer Korrespondentin Iryna Koziupa (Kiew)

Tageblatt: Herr Hleb, Sie waren bei der Nations-League-Auslosung als Losfee aktiv und haben Weißrussland zu Luxemburg in die Gruppe gelost. Was war Ihre erste Reaktion?
Aleksandr Hleb: Ich hatte eine ganz normale Reaktion, aber die Verantwortlichen des Teams haben dieses Los nicht so gerne gesehen. Sie haben mich scherzhaft gefragt:’Warum hast du uns wieder Luxemburg gezogen?‘ Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es für uns gegen diese Mannschaft nie einfach war. Luxemburg ist ein sehr unangenehmer Gegner für uns.

STECKBRIEF: Aleksandr Hleb

* 1. Mai 1981 in Minsk (Weißrussland)
Position: Mittelfeld
Größe: 1,85 Meter

Bisherige Vereine: Dinamo Yuni, BATE Borissow (beide BLR), VfB Stuttgart (D), Arsenal London (ENG), VfB Stuttgart (D), FC Barcelona (ESP), Birmingham City (ENG), VfL Wolfsburg (D), Krylja Sowetow Samara (RUS), BATE Borissow (BLR), Torku Konyaspor, Gençlerbirligi Ankara (beide TR), BATE Borissow (BLR), Gençlerbirligi Ankara (TR), BATE Borissow (BLR), Krylja Sowetow Samara (RUS), BATE Borissow (BLR)

Nationalmannschaft: 73 Länderspiele (6 Tore)

Größte Erfolge: Champions-League-Sieger 2009, spanischer Meister 2009 sechsmal Weißrusslands Fußballer des Jahres

 

Warum eigentlich? Auch in der letzten WM-Qualifikationsgruppe war Luxemburg besser als Weißrussland.
Um ehrlich zu sein, bin ich sehr überrascht über das, was die luxemburgische Nationalmannschaft gerade zeigt. Eigentlich ist es unglaublich, wie schnell die Stärke der Mannschaft und der Spieler sich verbessert hat. Luxemburg liefert kombinationssicheren Fußball ab. Man kann durchaus behaupten, dass aus einer Amateurmannschaft ein anständiges und wettbewerbsfähiges Team geworden ist. Das meine ich auch nicht despektierlich. In der Vergangenheit war Fußball für die meisten Luxemburger ein reines Hobby. Heutzutage ist diese Mannschaft sogar in der Lage, europäische Topteams zu ärgern.

Luxemburg ist mit einem 4:0-Sieg gegen Moldawien in die Nations League gestartet. Hat Sie dieses Resultat überrascht?
Ja, dieses Ergebnis war beeindruckend, denn Moldawien ist eigentlich keine so schwache Mannschaft. Luxemburg hat seine Standards in diesem Spiel erhöht. Ich habe mir das Spiel angesehen und weiß ganz genau, von was ich spreche.

Wirklich?
Ja, immerhin spielt Weißrussland ja in der gleichen Gruppe und ich wollte mir unsere Rivalen mal ansehen. Ich mochte die Partie. Moldawien war in den ersten 20 bis 25 Minuten gut. Aber dann hat Luxemburg den Gegner durch seinen Willen und sein Pressing zerschmettert.

Würden Sie gerne in der Nations League spielen?
Weißrussland hatte eigentlich nie eine Chance, sich für eine WM oder EM zu qualifizieren. Diese Aussicht macht natürlich Lust zu spielen. Es könnte sich lohnen.

Weißrussland und Luxemburg sind seit 1994 zehnmal gegeneinander angetreten. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit diesen Duellen?
Es war immer hart, gegen Luxemburg zu spielen. Sie sind sehr hartnäckig und kämpferisch. Auch wenn wir besser waren, haben sie es sehr oft geschafft, einen Halb-Fehler von uns auszunutzen und ein Tor zu erzielen.

Wird das Spiel am Freitag über den Gruppensieg entscheiden?
Dafür ist es noch zu früh. Es ist ein sehr wichtiges Spiel und wir treten vor den eigenen Fans an. Natürlich wollen wir gewinnen und die Mannschaft ist bereit, alles dafür zu tun. Aber Luxemburg ist sehr gut organisiert und hat einige gute Spieler. Ich hoffe, dass der Heimvorteil uns nutzen wird.

Nennen Sie uns drei Dinge, die Ausländer über Weißrussland wissen sollten.
Zu erst einmal BATE Borissow, mein Verein und mittlerweile ein Stammgast auf der europäischen Fußballbühne. Dieser Verein bringt seit Jahren Topklubs nach Weißrussland und macht die Menschen in meiner Heimat glücklich. Zweitens sollte man wissen, dass Diego Maradona den Erstligisten Dinamo Brest als Präsident übernommen hat. Die Fußballszene hierzulande ist also sehr aktiv. Und, nun ja, die dritte Sache ist unser demütiger Diener (Hleb lacht und meint damit sich selbst).

Wer ist das Gesicht der Nationalmannschaft?
Alle Nationalspieler arbeiten sehr hart und setzen sich für ihr Land ein. Deshalb ist es auch sehr schwer, eine bestimmte Person hervorzuheben. Wir haben eine sehr ausgeglichene Mannschaft.

Gibt es junge Spieler, die zu Stars werden können?
Ja, wir haben einen talentierten Nachwuchs. Leider zeigen sie danach nicht immer das, was man von ihnen erwarten könnte. Derzeit haben wir keinen Profi in einem europäischen Topverein.

Können Sie trotzdem einen Namen nennen?
Wenn mein Sohn zur Welt kommt, werde ich einen Namen nennen (lacht).

Haben Sie Ihre Nationalmannschaftskarriere offiziell beendet?
Nein, meinen Rücktritt habe ich nie erklärt.

Vermissen Sie es nicht, bei der Mannschaft zu sein?
Ja, aber leider hatte ich mit einigen Verletzungen zu kämpfen und kam in meinen Vereinen nicht mehr so oft zum Einsatz. Deshalb ist es normal, dass ich nicht berufen wurde.

Trotzdem stehen Sie mit 37 Jahren noch immer auf dem Platz. Was ist Ihr Geheimnis?
Ganz einfach: Ich liebe Fußball. Mehr braucht man nicht.

Sehen Sie sich in Zukunft als weißrussischen Nationaltrainer?
Ehrlich gesagt weiß ich das nicht. Mal schauen, ob ich irgendwann Lust darauf habe und wie die nächsten Jahre verlaufen werden. Derzeit ist dieses Thema nicht konkret.

Sie sind der bekannteste weißrussische Fußballer in Westeuropa. Welchen Status besitzen Sie in Ihrer Heimat?
Meiner Meinung nach habe ich Weißrussland für die Welt geöffnet. Hierzulande sind viele Menschen stolz, dass einer von ihnen in europäischen Topmannschaften gespielt hat und Titel feiern konnte.

Wie haben die Menschen in Westeuropa am Anfang auf Sie reagiert? War es schwierig, sich anzupassen?
Als ich nach Deutschland kam, dachten alle, ich wäre ein Russe. Viele Leute wussten damals nicht, wo Weißrussland liegt. Dann habe ich angefangen, zu erklären, woher ich komme und mit zunehmender Zeit haben es die Leute dann verstanden. Vor allem als ich irgendwann mehr Spielpraxis bekam, haben die Leute begonnen, sich mit meinem Land zu beschäftigen und verstanden, dass es eben nicht Russland ist. Meine Anfangszeit in Stuttgart war schon sehr schwer. Aber man muss die Probleme überwinden und lernen, sich anzupassen. Wenn man das einmal gemeistert hat, dann ist es auch einfacher, in anderen Ländern zurechtzukommen. Aber man muss einen starken Willen haben.