Heimkehr durch die Vordertür: Fußballtalent Marko Marin hat in Belgrad seine Form wiedergefunden

Heimkehr durch die Vordertür: Fußballtalent Marko Marin hat in Belgrad seine Form wiedergefunden

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Einst galt Marko Marin als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Doch nach dem Königstransfer zu Chelsea folgte der Karriereknick. Endlose Vereinswechsel und Verletzungen warfen den Dribbelkünstler zurück. Bei Roter Stern Belgrad hat Serbiens Spieler des Jahres Glück und Form zurückgefunden.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Oben vor den Stadiontoren glänzt das neue Panzerdenkmal von Roter Stern Belgrad olivgrün in der Mittagssonne. Unterhalb der mit Graffitis übersäten Nordtribüne führt der abschüssige Spielertunnel in die grasigen Tiefen des in einen Hügel gebauten Marakana-Stadions. Kundig weist der neue Leithammel von Serbiens Rekordmeister in den Katakomben des bröckelnden Stadiongemäuers den Weg.

Nein, an sein letztes Bundesligaspiel in München könne er sich nicht mehr erinnern, gesteht der Kapitän von „Crvena Zvezda“ vor dem Champions-League-Gastspiel bei den Bayern am Mittwoch: „Aber gewonnen habe ich dort nie.“ Auch vor der heutigen Begegnung bei den Bayern sieht der 30-Jährige sein aktuelles Team als „krassen Außenseiter“: „Wir wollen mit- und dagegenhalten – so gut, wie es geht.“

Trickreich: Marko Marin spielt bei Roter Stern Belgrad als Nummer 10 direkt hinter den Spitzen (Foto: Darko Vojinovic/AP/dpa)

Einst galt der Sohn bosnisch-serbischer Emigranten als eines der größten Talente des deutschen Fußballs. Kurz nach seinem 18. Geburtstag gab der im bosnischen Gradiska geborene und in Frankfurt aufgewachsene Marin im Trikot von Mönchengladbach 2007 sein Bundesliga-Debüt. Ein Jahr später wurde das Dribbelwunder erstmals in die Nationalelf berufen. Bei der WM 2010 in Südafrika kam der mittlerweile zu Werder Bremen gewechselte Flügelflitzer immerhin zu zwei Vorrundeneinsätzen.

Doch nach dem Königstransfer zum frisch gebackenen Champions League Sieger FC Chelsea 2012 folgte für den bei seiner Verpflichtung von der englischen Presse als „deutscher Messi“ gefeierte Marin nach einer Verletzung der Karriereknick. Als José Mourinho 2013 bei Chelsea zum zweiten Mal das Trainerzepter übernahm, verpflichtete er Andre Schürrle als Flankenflitzer – und der an der Stamford Bridge überflüssig gewordene Marin musste die Wanderkoffer packen: Vier Mal in drei Jahren lieh Chelsea ihn aus.

Neun Vereine in acht Ländern

Der 16-fache Nationalspieler lernte Europa kennen, während seine Ex-Mitstreiter im fernen Rio 2014 den WM-Titel holten. Ob Chelsea oder Sevilla, Florenz oder Anderlecht, das türkische Trabzon oder das griechische Piräus: Über die vielen Stationen seiner Fußball-Odyssee mag der sonst so aufgeräumte Kapitän von „Crvena Zvezda“ nicht mehr plaudern. Nein, er habe keine Lust, seine Zeit bei neun Vereinen in acht Ländern „immer wieder durchzukauen“: „Ich bereue nichts, aber kann dieselbe Leier auch nicht stets aufs Neue wiederholen.“

Nun ein Schlüsselspieler bei Roter Stern Belgrad (Foto: Christof Stache/AFP)

Der Fußball-Globetrotter erlebte viel, aber spielte nicht immer. Mit Marin gehe es „immer weiter bergab“, titelte nach seinem Wechsel nach Trabzon 2015 die deutsche Presse. Als gescheiterte oder gar verlorene Karriere versteht der frühere Nationalkicker seinen Werdegang hingegen keineswegs: Meistertitel in Belgrad und Piräus, Euroleague-Siege mit Chelsea und Sevilla: Bis auf seine Kurzgastspiele in Florenz und Anderlecht habe er „sportlich schöne und kulturell bereichernde Zeiten“ erlebt, beteuert Marin: „Es sind einfach super Erfahrungen, die ich in so vielen Ländern machen konnte.“

Spätes Fußballglück

Spät hat seine Wanderschaft Marin vor Jahresfrist zum lange tief gefallenen Lieblingsklub seiner Kindheit geführt. Ob seine erstarkte Form, der historische Triumph gegen Liverpool, die feurigen Fans oder das schmackhafte Essen: Der Wechsel nach Belgrad habe sich schon nach einem Jahr als einer der „besten Schritte meiner Karriere“ entpuppt, beteuert Serbiens Fußballer des Jahres.

Tatsächlich scheint der lange rastlose Fußballvagabund in Belgrad nicht nur seine Form, sondern auch endlich sein spätes Fußballglück gefunden zu haben. Der Ball ist immer noch sein Freund: Leichtfüßig wie in den besten Bundesliga-Tagen fegt Marin in seiner serbischen Wahlheimat über die Felder. Doch „der Kleine“, wie ihn Bundestrainer Jogi Löw stets zu nennen pflegte, ist gereift – und außer Vater auch zum Schlüsselspieler von Roter Stern Belgrad geworden.

„Ich will die Spieler um mich herum stärker machen“

Statt wie früher als Dribbelkönig mit der Nummer 11 glänzt er in Belgrad als Ideengeber direkt hinter den Spitzen mit der Nummer 10. Vielleicht habe das „auch mit dem Alter zu tun“, erklärt Marin seine Entwicklung vom Flügelflitzer zum Leitwolf: „Als junger Spieler, der gerne dribbelt, gehst du auf den Gegner drauf – und schaust nicht nach rechts oder links. Jetzt ist es mein primäres Ziel, die Spieler um mich herum stärker zu machen – und in Szene zu setzen.“

Roter Stern Belgrad spielt am ersten Tag der UEFA Champions League gegen den FC Bayern München (Foto: Christof Stache/AFP)

Für Roter Stern sei jedes Champions-League-Spiel „eine Riesensache“ und für ihn persönlich das Gastspiel in Deutschland „schon schön“, freut sich der Frankfurter auf das Kräftemessen mit München. Alles sei im Fußball zwar möglich, aber die Rückkehr in die Bundesliga „nicht als Ziel“ angepeilt: „Ich bin zufrieden, es läuft gut – und meine Familie fühlt sich wohl hier.“

Sein Jugendclub Eintracht Frankfurt sei zwar immer noch sein Lieblingsverein in der Bundesliga, räumt der Exil-Hesse ein. Aber am liebsten wäre es ihm, dass sich der Rote Stern als Gruppendritter für die Europa League qualifiziere, um dort dann auf die Eintracht zu treffen, feixt der sesshaft gewordene Jobhopper zum Abschied mit einem Schmunzeln: „So könnte ich doch noch einmal in Frankfurt spielen – und wäre das auch erledigt.“