Vom Zeugenstand auf die Anklagebank

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Von unserem Korrespondenten Thomas Roser

Kroatiens Fußballstar Luka Modric verdribbelt sich. Nach der Anklage wegen Steuerhinterziehung in Spanien ist er nun auch ins Visier der heimischen Justiz geraten. Es besteht Verdacht der Falschaussage zugunsten des umstrittenen Fußballpaten Mamic.

Zumindest sportlich läuft es für Luka Modric nach einmonatiger Verletzungspause wieder rund. Beim 2:1-Sieg von Real Madrid bei SD Eibar glänzte Kroatiens Mittelfeldass nicht nur mit einem Zauberpass zum Führungstreffer, sondern war neben dem zweifachen Torschützen Ronaldo der beste Mann auf dem Platz. Jenseits des Rasens sieht es drei Monate vor der Weltmeisterschaft in Russland für den 32-jährigen Ballkünstler hingegen merklich schlechter aus.

Verdacht der Falschaussage

Zwar hat der Star von Real Madrid eine Anklage wegen Steuerhinterziehung in seinem Gastland mit einem Vergleich und der Zahlung von einer Million Euro noch einmal abbügeln können. Doch nicht nur in Spanien, sondern auch in seiner kroatischen Heimat ist der 101-fache Nationalspieler mit der Justiz ins Gehege geraten.

Mit einem zweifelhaften Gerichtseinsatz zugunsten von Kroatiens umstrittenem Fußballpaten Zdravko Mamic hat sich Modric völlig verdribbelt – und sich vom Zeugenstand auf die Anklagebank befördert: Nach der von der Staatsanwaltschaft in Osijek zu Monatsbeginn erhobenen Anklage wegen des Verdachts der Falschaussage drohen dem Kapitän der Nationalmannschaft bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft.

Im Zeugenstand plötzlich vergesslich

Vom Flüchtlingskind zu Kroatiens bestem Kicker aller Zeiten: Nicht zu Unrecht vergleichen Fans und Fachwelt im Adriastaat den schmächtigen Kroaten wegen seiner beidbeinigen Ballbeherrschung, Torgefährlichkeit und Spielintelligenz gerne mit der niederländischen Fußballlegende Johan Cruyff. Doch ein merkwürdiger Auftritt vor dem Gericht in Osijek im vergangenen Juni überschattet den Herbst der Bilderbuchkarriere von Kroatiens sechsfachem Fußballer des Jahres: Modric ist in den Geruch der Mittäter- und Mitwisserschaft der Machenschaften von Kroatiens berüchtigter Fußballmafia geraten.

Steuerhinterziehung und Bestechung in Höhe von umgerechnet insgesamt 17 Millionen Euro legt die kroatische Behörde für Korruptionsbekämpfung (USKOK) dem früheren Manager von Dinamo Zagreb Mamic zur Last. Bei einer ersten USKOK-Anhörung im Sommer 2015 hatte Modric Kroatiens umstrittene Fußballeminenz mit detaillierten Aussagen über schwarze Transferkassen und Knebelverträge noch schwer belastet. Doch im Zeugenstand des aus Sorge vor Mafia-Manipulationen von Zagreb nach Osijek verlegten Prozesses gegen Mamic offenbarte Modric im Juni 2017 erstaunliche Gedächtnislücken. Fast alle Fragen zu seinem einstigen Wechsel von Zagreb nach Tottenham beantwortete er mit „ich erinnere mich nicht“ oder „ich weiß nicht“. Er habe immer gewusst, dass „Luka ein ehrlicher und anständiger Junge ist“, frohlockte hernach zufrieden Kroatiens allgewaltiger Fußballtycoon.

„Ungeliebte Gestalt“

Nicht nur in den Internetwelten sieht sich Modric wegen seiner „Alzheimer“-Aussetzer seitdem bitterem Spott ausgesetzt. „Luka Modric ist mit seinem ‚ich erinnere mich nicht‘ auf die dunkle Seite gewechselt“, schreibt der Spliter Publizist Damir Petranovic: „Aus dem Idol der Nation ist einer ihrer ungeliebten Gestalten geworden.“

Die heimische Sportpresse fürchtet derweil vor allem um Kroatiens WM-Chancen wegen der Anklage. Für ein gutes Abschneiden in Russland werde Modric dringend benötigt, schreibt die Zeitung Vecernji List: „Es ist die Frage, in welchem psychischen Zustand er wegen der Verfahren sein wird.“ Liverpools Abwehrhüne Dejan Lovren, dem auch eine Anklage wegen Falschaussage zugunsten von Mamic droht, beteuert indes, sich auf dem Platz keineswegs von den Justizermittlungen beeinflussen zu lassen: „Luka und ich haben in unserem Leben wesentlich schlimmere Dinge mitgemacht. Wir werden auch das überstehen.“