Unzivilisierte Frauenhiebe

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Rumänische Stadt Buzau will Teppichklopfern den Garaus machen.

Einst durfte der Teppichklopfer in keinem Haushalt fehlen. Nun wollen die Bürgerväter im rumänischen Buzau das säubernde Flechtwerkzeug im Zuge einer „Zivilisierung der Stadt“ endgültig aus dem öffentlichen Leben verbannen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Die dumpfen Schläge im Hinterhof kündeten Generationen lang in ganz Europa vom Hausfrauenfleiß und Schweiß. Ob einmal in der Woche, im Monat oder im Jahr: Wenn die geplagte Haushaltschefin die gerollten Staubfänger schulterte und zur nahen Teppichstange schleppte, durfte der Teppichklopfer nicht fehlen: Manchmal bekamen nicht nur die ausgeklopften Teppiche, sondern auch nicht spurender Nachwuchs die kräftigen Hiebe des säubernden Flechtwerkszeugs schmerzhaft zu spüren.

Der Staubsauger hat dem öffentlichen Staubaufwirbeln zumindest in mitteleuropäischen Breiten weitgehend den Garaus gemacht. Glaubt man dem Blick in die Webwelten, ist der aus Ratan- oder Weidensträngen gewundene Klopfer scheinbar nur noch als lustförderndes Sex-Utensil in Sadomaso-Kreisen und bei den Lederhosenträgern bayrischer Blaskapellen als Taktgeber bei der legendären Teppichklopfer-Polka populär.

An den verrosteten Teppichstangen der Hinterhöfe baumeln allenfalls noch einsame Kinderschaukeln: Europaweit sind die Anhänger schweißtreibender Teppichschläge nur noch eine kleine Minderheit. Und ausgerechnet aus einer der letzten Teppichklopf-Hochburgen des Kontinents erreicht nostalgische Freunde der manuellen Teppichsäuberung nun eine bestürzende Kunde: Die Bürgerväter im ostrumänischen Buzau wollen die Teppichklopfer im Rahmen einer „Zivilisierung der Stadt“ endgültig aus dem öffentlichen Leben verbannen.

Aufhängen von Wäsche und Ausspucken von Kürbiskernen auch verboten

Außer dem Ausspucken von Kürbiskernen auf Gehwegen und dem Aufhängen von Wäsche auf Balkonen an der Straßenseite wird den 115.000 Anwohnern der Provinzstadt nun auch das öffentliche Säubern ihrer Teppiche untersagt. Von 500 bis 1.000 Lei (108 bis 217 Euro) reicht der nun vom Stadtrat verabschiedete Strafkatalog für die neu ausgemachten Vergehen.

Auf ungeteilte Zustimmung stößt die Zivilisierungsmission allerdings keineswegs. Meist verfügen die eher beengten Wohnungen rumänischer Mietskasernen nur über einen Balkon – und deren Bewohner können sich kaum aussuchen, ob sie ihre Wäsche vor oder hinter dem Haus flattern lassen. Auch die späte Ächtung des jahrzehntelang als Symbol der Sauberkeit geltenden Teppichklopfers ist in Buzau nicht unumstritten. Nicht jeder Rumäne verfügt schließlich über das Kleingeld für neue Staubsauger und elektrische Wäschetrockner. Und Teppiche lassen sich nun einmal schlecht in den eigenen vier Wänden ausklopfen.

Doch Anträge der Stadtratsopposition, zumindest das Wäschetrocknen und Teppichklopfen von der langen Liste der zu bestrafenden Zivilisationsverstöße zu streichen, finden bei den gestrengen Bürgervätern kein Gehör. Nur beim ersten illegalen Ausklopfen könnten Übeltäter noch mit einer Verwarnung davonkommen, notorische Wiederholungstäter müssten mit einer Strafe rechnen, gibt sich der sozialistische Bürgermeister Constantin Toma gegenüber dem Webportal News.ro entschlossen: „Wir müssen diese Stadt zivilisieren – notfalls mit Zwang, wenn es anders nicht geht.“

Zum Autor

Geboren 1962 in Traben-Trarbach. Ausbildung zum Keramikformer an der Porzellanmanufaktur Ludwigsburg. Studium der Journalistik in Dortmund und Utrecht. Volontariat beim Kölner Stadtanzeiger. Seit 1994 Korrespondent deutschsprachiger Zeitungen zunächst in den Benelux-Staaten (bis 2001) und Polen (bis 2006). Lebt und arbeitet seit 2007 als Balkan-Korrespondent in Belgrad. Seit 2013 bei Zeit online.